Kapitel 7. Der Kuschelraum

2 0 0
                                    


Das Kind weiß nicht so recht was es nun tun soll. Irgendwie will es einfach nur nachhause. Es scheint genug on seiner Entdeckungsreise zu haben. Es freut sich auf die warme Küche seiner Mutter. Es möchte in sein Zimmer, über das es eigentlich geschimpft hatte, weil es immer noch so eingerichtet ist, als würde dort ein Kleinkind wohnen. Es vermisst die Wölkchen an den Wänden, die Sterne an der Decke, die im Dunkeln leuchten. Selbst die Hausaufgaben vermisst es. War es die Stimme, die seine Laune in ein Heimweh verwandelte? ES merkt wie es trauriger und trauriger wird, denn ein erneuerter Blick in den Spiegel verrät ihm, dass es keinen Weg zurück gibt. 

"Die Zeit kann wundervoll und grausam zugleich sein.", erscheinen die Worte auf einem weiteren Spiegel, der vor dem "Kuschelraum" hängt. 

Im Spiegel sieht es eine junge Frau mit langen welligen dunklen Haaren. Anstelle der Schultasche ein dunkelbrauner moderner Rucksack; und der Käfer, der sich zwischen zeitlich in ihre rechte Brusttasche des weißen Hemdes verkrochen hatte ist plötzlich in ein Bild verwandelnd. Ein Fotoabzug. Sie nimmt das Build aus der Brusttasche und beobachtet es genauer. Es ist ein Foto eines anderen Kindes, eines Kindes, das strahlend zwei Schultüten in der Hand hält. Ach du armes Kind, denkt sie sich; noch weißt du nicht, was alles auf dich zukommen wird. Mein armes kleines Herz, meine Seele. Leider wirst du grausame Erfahrungen machen müssen. Ich wünschte, ich könnte dich davor bewahren, aber das kann ich leider nicht. Nun steigt eine große Einsamkeit und Sehnsucht in der jungen Frau auf. Etwas Resignatives begleitet sie. Woher kam denn nun auf einmal der Schleier der Düsternis, der sich wie Rauch ausweitet? 

"Verschwinde in dein Gruselkabinett zurück!", schrie sie, aber er kam nicht us diesem Raum, dieser Rauch. Sie geht dem Rauch nach und entdeckt den "Brandherd". Durch den dicken Nebel in diesem Raum sieht sie ein Bild ihrer Mutter. In den Augen der Mutter spielte sich die Trennung von der Heimat, der Verlust ihres eigenen Vaters wieder. Die junge Frau sieht auch ein Bild ihres Vaters, der als Kind das er seither geblieben ist, um seine viel zu früh verstorbenen Lieben seines Lebens trauerte: seine Mutter, die bei der Geburt seines Bruders verstarb und eine Tante, die sich aus Scham einer unehelichen Schwangerschaft vergiftete. Ein weiteres Bild ist zu sehen, allerdings sehr verschwommen. Es ist das Bild des Kindes mit den Schultüten, um das die junge Frau trauert. 

Sie bricht in Tränen aus, rennt in den Kuschelraum, knallt die Tür zu, wickelt sich nie eine Daunendecke ein und schläft ein. 

"Mama, Papa, aber ich lebe", murmelt sie im Schlaf. "Aber es lebt, wenn auch ein anderes Leben", entschlüpft ihr ein weiterer Satz. 

Schweißgebadet nachts die auf. Tränen laufen über ihre Wangen, selbst als der Regen längst aufgehört hat und ein Regenbogen am Horizont zeigt. Der Regenbogen soll ein Zeichen der Versöhnung sein. Andererseits soll sich an seinem Ende ein Schatz befinden. Brauchen ihre Tränen ein Auffangbecken? Ebenso wie ihr Körper und ihre Seele? Sie erinnert sich an ihren Rucksack, kramt in ihm, findet eine Feder und einen Notizblock und beginnt zu schreiben. ES scheint als fließe Blut verliert mit der Tinte in ihren Notizblock, der allmählich von Flecken getränkt wird. Immer mehr häufen sich diese Flecken, sodass die Worte kaum ehr leserlich sind. verwässert. alles ist zu verwässern, damit der Körper, die Seele, der Geist, das Blut endlich gereinigt werden, von den Bildern des Gruselkabinetts und jenen des Raumes der Trennungen.

Als wäre die Feder ein Schwamm und der Block ein Eimer. Das verschmutzte Blut, die Tinte, die durch die Feder aus dem menschlichen Wesen -das sie ist- aufgesaugt wurde und nun ihren Raum im Auffangbecken des Eimers findet. 

So vieles ist in ihrem Leben unverstanden geblieben. Warum konnte nicht dies einfach gut sein? Sie blickt auf, sieht durch die offene Tür und erblickt, wie Pfeile auf dem Boden am Gang auftauchen. Sie sind nicht zu übersehen. Sie sind neon-farben; zwischen grellem Pink, Gelb, Orange ist alles dabei. Es scheint wie ein Wegweiser. Ein weiser Weg vielleicht sogar. Den hat sie gerade dringend notwendig. Wie soll sie mit alldem weise umgehen? 

Sie klappt das Notizbuch, ist sich unschlüssig, ob sie es nun mitnehmen soll. Ein sicheres Gepäck im Rucksack. Braucht sie es noch? Worte, Gedanken, Emotionen und Erinnerungsspuren in den dazugehörigen Räumen ablegen? Soll sie ihr Gepäck im Kuschelraum zwischenlagern? Aber es ist doch der Kuschelraum... Wenn sie den Block mitnehmen würde, müsste sie all das nicht in sich behalten. Sie packt den Block Widerwillen in ihren Rucksack. Noch muss es sein. 

SeelenräumeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt