Kapitel 10

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Smilla:
Die Glocke meiner Haustür klingelt. Es ist 22 Uhr, wer klingelt denn noch so spät an meiner Tür? Ich nehme an ein Nachbar, der eine Kerze braucht, weil durch den Schneesturm die letzten Stunden, sein Strom nicht mehr funktioniert. Ich schäle mich also aus meiner Decke. Kälte umhüllt meinen Körper schlagartig und durchdringt all meine Klamottenschichten. Ich mache die Tür auf und sehe eine Schwarze Gestalt, samt Koffer vor mir. Ich kann es nicht fassen. Mit Mütze und eisigen Wimpern steht niemand geringeres als Wincent vor mir. Ich knie mich zu Boden und weine. Zu nichts anderem, bin ich in dieser Sekunde fähig. Mein Herz klopft. Mein Körper zittert. Nichts habe ich mir in diesem Augenblick gewünscht, als von zwei kräftigen Armen in den Arm genommen und festgehalten zu werden. „Ich bin da alles gut. Jetzt bist du wieder sicher. Ich bin bei dir" flüstert er. Und man könnte meinen, man höre ein Echo. Mucksmäuschenstill ist es draußen, bis auf der Wind, die letzten Ausläufer des Sturmes, der gegen kahle Bäume und das weite Meer peitscht. Er trägt mich hinein ins warme und legt mich zurück auf mein warm bepacktes Sofa. „Ich packe meine Sachen aus und komme dann gleich wieder zu dir" sagt er und verschwindet in meinem Schlafzimmer. Plötzlich fühlt sich das Atmen so viel leichter an. Das ganze sein fühlt sich einfacher an, wenn ich merke das er in der Nähe ist. „Wer bist du denn ?" kommt es aus dem Schlafzimmer. Er hat Aros aufgeweckt, na klar. Er hatte sich vorhin bestimmt in mein warmes Bett gekuschelt, als er merkte, das vor lauter Essen kein Platz mehr neben mir auf dem Sofa war."Aros runter da aber zack" Befehle ich ihm. Er macht keinen Ruck. Komischer Kerl. Manchmal kann er echt stur sein. „Ach lass uns doch noch einen Film schauen, er kann doch noch bleiben, so wie es sich anfühlt, hat er gerade einen guten Platz zum schlafen gefunden." sagt Wincent, setzt sich auf mein Bett und streichelt Aros an seinem Bauch. Ich schalte einen Film ein und lege mich zu Wincent in mein Bett. „Das bedrückende Gefühl ist weg seitdem du da bist" sage ich mehr zu mir als zu ihm. „Ja ich fühle mich auch freier, lebhafter und ein wenig besser wenn ich wieder hier bei dir bin. Ich hab noch keine Lyrics geschrieben, aber ich glaube ich muss mal einen Song schreiben, der den Namen ‚mehr mit dir' tragen muss." erzählt er. Er erzählt mir seine Gefühle in den letzten Wochen die wir uns nicht gesehen haben. Wie er die Welt ohne mich meistert. Gemeistert habe ich leider gar nichts hingegen. Das trübe, leere und bedrückende Gefühl hat angehalten, als er gegangen ist. Meine Gedanken driften erneut ab. Ich muss mich erneut in ein paar Tagen verabschieden. Ich versuche mit all meiner Kraft gegen diese Gedankenströme, die unwillkürlich auf mich einprasseln, beiseite zu schieben, doch sie kommen wieder. Immer wieder und drängen sich in den Vordergrund. Ich merke zunächst nicht mal wie eine Träne sich den Weg Richtung Boden sucht. Ein Daumen streicht über meine Wange. „Hey alles ist gut. Ich bin da. Ich bin auch über heilig Abend da. Und weißt du was? Ich habe in der Stadt Kjell kennengelernt, als ich angekommen bin. Der mit den Weihnachtsbaumstand. Ich hab mich ein bisschen mit ihm unterhalten. Irgendwann sind wir auf dich zu sprechen gekommen und er sagte du brauchst mich mehr denn je. Er hat Angst um dich, das du bald in ein tiefes Loch fallen könntest, und nicht mal Aros dich dort wieder heraus bekommt. Besonders über die Weihnachtsfeiertage." er erzählt mir alles. Kjell ist ein lieber Kerl. Jeder aus Knuts Verwandtschaft ist ein lieber, fürsorglicher und überaus netter Mensch und ich glaube nicht das mich mein Gefühl dabei je getäuscht hat. „Ich möchte gerne zum Luciafest. Nicht mal das schaffe ich. Ich traue mich einfach nicht unter so viele Menschen zu gehen, dabei vielleicht auf jene zu treffen, die mich und meine Geschichte kennen. Die mit meiner Familie." flüstere ich und schluchze erneut auf. „Ich komme mit dir" verspricht Wincent. Er verspricht mir so viel. Hat ein Mensch in seinem Leben eigentlich ein Limit an Versprechen, die er ausgeben kann? Das wäre mal ein Antwort wert, so finde ich. Wir konzentrieren uns nach vielen Tränen und Erzählungen, von meiner als auch Wincent's Seite aus, auf den Film. Ich lege meinen Kopf auf seine Brust und werde langsam müde. Ich nehme ein regelmäßiges Auf und Ab unter meinem Kopf wahr. Er muss eingeschlafen sein. War ein langer Tag. Und dann noch ich. Die Müdigkeit übermannt auch mich und dann schließe auch ich meine Augen und schlafe ein.

Wenn die Wellen toben / wincent weiss ff Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt