Dunkelheit umgab mich. Lediglich gelbe leuchtende Augen durchbrachen die Schwärze. Zwar stand der volle Mond weiterhin oben am Himmel. Leider kamen einige Wolken auf, sodass der helle Schein erneut verschwand, sodass sich bloß noch Schwärze vor mir breitmachte und lediglich gelbe Flecke, die wie Edelsteine wirkten; vor mir punkten. Ich kannte mich nicht mit Wölfen aus; wusste nicht, ob sie sich wie Hunde verhielten. Dennoch war ich nicht blöd. Auch, wenn ich die Sprache dieser Tiere nicht verstand, war es gefährlich einem Rudel zu begegnen. Erst recht ohne jegliche Waffen.
Sofort stellten sich meine Nackenhaare auf und meine Kopfhaut prickelte. Freilich hätten sie mich auf der Stelle zerfleischen können, doch auch wenn sie es nicht taten, waren diese Geschöpfe trotz ihrer Schönheit gefährlich. Das wusste nicht nur ich, sondern auch diese Männer, die mir noch immer folgten. In der Weite konnte ich unvermittelt Schüsse wahrnehmen, die mich zusammenzucken ließen. Außerdem durchdrang sofort Stöhnen den Wald. Auch aus einiger Entfernung war zu hören, wie kräftige Kiefer auf Knochen knallten und Menschen die Kehle herausgerissen wurden.
Automatisch spürte ich Speichel in meinem Mund aufkommen und wie mir die Magensäure in die Kehle drang. Ich wollte schon bei den Gedanken daran brechen. Allerdings blieb mir keine Zeit. Reflexartig setzten sich meine Beine in Bewegung. Nicht so schnell wie sie sollten; eher langsam und bedacht keinen falschen Schritt zu tun. Ich wusste auf der Stelle, dass es sich nicht um normale Wölfe handelte. Dafür waren diese vor mir viel zu groß. Außerdem durfte ich schon Ethan streicheln. Dass da vor mir waren Menschen, die sich zuvor verwandelten. Dennoch verhielt ich mich genauso wie vor wilden Tieren, obwohl sich große Intelligenz in ihren Augen zeigte.
Aus diesem Grund flüsterte ich: »Ich habe nichts getan. Bitte lasst mich gehen.« Nebenbei konnte ich spüren, wie jemand von hinten an mich heran schritt. Nur ganz leise. Allerdings war ich mir sicher, dass dieser auch komplett lautlos durch das Dickicht streifen konnte. Augenblicklich spürte ich nicht wie gedacht eine Schnauze in meiner Nähe, sondern wie mich eine Hand an der Schulter berührte. Auf Anhieb zitterte ich mich auf, versteifte mich aber dann, um nicht zu zeigen, wie ich fast vor Angst starb. Hinzukommend fühlte ich mich auf einmal wie gelähmt. Ich wollte einen Schritt nach vorn gehen. Es klappte nicht. Auf der Stelle dachte ich an Daryl und wie er mich dazu brachte so zu fühlen.
Ich war mir sicher, dass er es war und wie angenommen raunte er unvermittelt: »Hast du Angst? Ich hoffe dieses Gefühl dringt dir bis ins Mark, setzt sich darin fest und wird dich, bis deine letzte Stunde geschlagen hat, begleiten.« Ich traute meine Ohren nicht. Ich unterdrückte mir ein Schluchzen. In seinen Worten klang so viel elendiger Hass darin, dass es mir in der Seele schmerzte. Natürlich war er nicht mehr er selbst und eigentlich wollte ich mich diesem Schmerz nicht hingeben, doch es verletzte mich, auch wenn ich die ganze Zeit hoffte, er behandelte mich nicht wieder wie der letzte Dreck. Stattdessen sprach ich mich zittriger Stimme: »Lass mich gehen! Bitte!« Das durfte alles nicht passieren. Ich wollte lediglich zurück. »Niemals«, hörte ich nahe an meinem Ohr und bemerkte, wie seine Finger langsam über meinen Nacken tasteten und sich kurz daraufhin ein Schmerz breit machte, der mich keuchen ließ.
Automatisch wollte ich mich nach vorn beugen, weg von diesen hässlichen Empfindungen, doch ich bekam die Chance überhaupt nicht, da sich auf einmal Krallen in mein Fleisch bohrten. »Lass mich bitte gehen«, flehte ich erneut, dieses Mal lauter. Allerdings interessierte sich Nolan lediglich dafür, mich nicht wieder loszulassen. »Nehmt sie nicht mit ins Rudel. Achtet aber darauf, dass sie nicht erfährt wo sie ist.« Nach seinen Worten, die er zielgerichtet an die Wölfe vor uns gab, spürte ich, wie er von meinem Nacken wieder losließ und mich einem extrem harten Stoß nach vorn schubste, sodass ich mich überhaupt nicht mehr halten konnte.
Ziemlich unsanft knallte ich mit voller Wucht auf den Boden. Im Anschluss stieß ich mich unsanft an einem harten Stamm, der unvermittelt vor mir auftauchte. Ich stöhnte vor Schmerz und versuchte mich keiner Ohnmacht hinzugeben. Immerhin ging es meinem Körper schlecht. Das nicht gerade wenig. Auch der Unfall mit dem Bus setzte mir noch extrem nach. Meiner Hüfte ging es auch nicht unbedingt besser. Weiterhin überkam mich Übelkeit. Ich wusste, dass ich Ruhe benötigte, die ich allerdings überhaupt nicht bekam. Nur nebenbei spürte ich, wie Daryl einen anderen Weg einschlug, im Gegensatz zu den anderen. Da meine Sicht leicht verschwamm und die Nacht noch immer präsent war, sah ich nur durch einen dichten Nebel, wie sich Pfoten zu Füßen verformten.
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Midnight - Ruf der Wölfe
WerewolfWas, wenn du in eine Welt tauchst, die du niemals für möglich hältst? Das erlebt die junge June Glayton, die auf einen dunklen Pfad des Unwirklichen gerissen wird. Sie erkennt schnell, dass Realität und Fantasie nahe beieinanderliegen. Dinge gesche...