Kapitel 44

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Sauerstoff. Weg. Schmerz in meinem Hals. Die Umstände ließen mich nicht atmen. Der Druck war so fest, dass ich nicht die Möglichkeit bekam mich zur Wehr zu setzen. Meine Beine verließen den Boden. Mein Mund öffnete sich. Meine Augen starrten in dunkle blaue. Flehend. In der Hoffnung er trug zumindest etwas Erbarmen in seinem Innersten. Kannte er das überhaupt? Innerlich appellierte ich stumm an seinen Verstand, dass er es, wenn dann gleich richtig machte und mich nicht endlos leiden ließ. Fühlte sich so das Sterben an?

Weiße Punkte machten sich vor meinem Sichtfeld breit. Meine Beine zitterten in der Luft. Ich ersticke. Ich hatte keine Zeit darüber nachzudenken, was eigentlich zwischen uns passierte, sondern es war lediglich dieses Gefühl, was mich überrollte, keine Luft mehr zu bekommen. Erst als ich glaubte, mein letztes Stündlein hätte geschlagen, ließ er mich tatsächlich frei, aber stieß mich so unerbittlich nach hinten, dass ich unvorhergesehen gegen eine Mauer prallte und an dieser stöhnend nach unten glitt. Anbei fuhren meine Finger zu meinem Hals und ich begann lautstark zu Husten, weshalb erneut kein Sauerstoff durch meine Lunge drang.

Mein Kopf schien zu platzen und gerade noch so sog ich lautstark Luft ein, aber es reichte nicht. Ein beträchtlicher Schwindel überkam mich, der mich in die Bewusstlosigkeit ziehen wollte, doch auf der Stelle umwickelte mich ein Arm, riss mich nach oben und drehte mich so, dass ich mit dem Kopf leicht nach unten schaute. Zerfallener Stein unter meinen Sohlen verschwamm. Dann ein fester Stoß gegen meinen Rücken, sodass die Frische des Waldes doch meine Lunge durchdrang. Augenblicklich begann mein Schädel zu stechen und ein qualvoller Kopfschmerz machte sich in mir breit.

»Ich habe geglaubt du hältst mehr aus, June!« Wie er meinen Namen aussprach wirkte gruselig. Mit so viel Abscheu. Im Anschluss ließ er mich los, sodass ich auf dem Boden sank und meine Glieder schwer nach unten rutschten. Meine Schläfe berührte kurz daraufhin den kühlen Stein. Es tat gut. Nun wollte ich bloß noch schlafen, doch Daryl ließ mich überhaupt nicht. Er beugte sich zu mir herunter und zugleich sah ich, wie seine Augen gelblich aufblitzten. Automatisch fuhr ich zurück, wollte nach hinten krabbeln, doch er hielt mich am Ärmel fest. »Das was du auf der Straße erlebt hast, wird ein Witz sein, gegen das, was ich mit dir tun werde!«

Eine Gänsehaut überfuhr meinen Körper und ich hauchte: »Ich habe dir nie etwas getan, Daryl. Denke doch an unsere Vergangenheit.« Meine Stimme war kaum zu hören. »Das ist Vergangenheit. Für dich. Für mich. Wir waren Kinder. Das Jetzt zählt.« Wenn es das machte, warum kam er dann im Club auf mich zu? Weswegen besuchte er mich im Dinner und ließ die Hände nicht von mir? »Wenn du mich so sehr hasst, warum schläfst du mit mir?«, sprach ich meinen Gedanken laut aus. Immerhin war es nicht bloß einmal. Nun wurde meine Stimme lauter. »Das war... Ich hatte mich nicht unter Kontrolle. Außerdem kann ich dich ficken, auch wenn ich dich hasse.« War er masochistisch veranlagt? Das war doch irre.

»Ich verstehe dich nicht. Sag mir doch endlich was passiert ist und warum du mich so behandelst. Wir haben zehn Jahre nichts mehr miteinander zu tun gehabt. Dann tauchst du auf und verletzt mich?« Ich wollte nicht weinerlich klingen, aber versagte dabei kläglich. Immerhin glaubte ich vor einigen Minuten noch zu sterben. Urplötzlich fing er zu lachen an und zog mich erneut auf die Beine, obwohl ich keine Kraft mehr besaß mich selbst zu halten. »Glaubst du ernsthaft, dass du mir noch was bedeutest? Nach dem Ganzen? Bist du verrückt?« Seine Finger zerquetschten fast meinen Arm. »Aber du hast mich beobachtet«, rief ich eilig, als ich sah, dass er mich zwischen eingefallenen Mauern zog.

Keine Ahnung, was das für eine verlassene Ruine war, doch das interessierte mich gar nicht. Die mit Moos bewachsenen Steine und eingefallenen Wände, zeigten lediglich, dass hier seit Jahrhunderten niemand mehr lebte. Nebenbei fiel mir Efeu ins Gesicht, da er mich durch einen riesigen Raum zog, bei dessen Geröll ich fast noch stürzte. Anbei knurrte er: »Glaubst du ich habe auf dich aufgepasst? Ich habe lediglich darauf geachtet, dass du nicht verreckst. Immerhin wirst du am eigenen Leibe spüren, was es heißt zu leiden.« Tränen sammelten sich unvermittelt in meinen Augen und mich durchdrang ein komisches Gefühl. Seine Worte machten es nicht besser. Diese verwirrten mich bloß noch mehr. Was hatte das alles zu bedeuten?

Midnight - Ruf der WölfeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt