»Meinetwegen gehe ich auch mit dir shoppen. Das ist mit einerlei. Hauptsache du schaust nicht mehr aus so der Wäsche wie ein Trauerkloß«, brummte Ethan gespielt eingeschnappt und ich konnte mir ein lautes Lachen nicht verkneifen. »Du willst mit mir shoppen gehen? Ausgerechnet du? Das ist echt witzig« und das war es auch, denn Ethan konnte man sich nicht wirklich dabei vorstellen. Zumindest nicht in der Damenabteilung. Er rannte zwar nicht wie ein Penner herum, aber legte auch nicht so viel Wert auf irgendwelche Markenklamotten. Halt der nette süße Junge von nebenan. Das war er. Und auf jeden Fall nicht wirklich der Typ dafür mit einer Frau durch irgendwelche Klamottenläden zu rennen.
Prompt fiel mein Blick auf seine winzigen Lachfältchen unter den Augen. Es war komisch so etwas auch nur zu denken, aber ich war mir sicher, dass wenn es diesen einen Jungen nicht immer in meinem Kopf gegeben hätte, zwischen Ethan und mir schon längst etwas gelaufen wäre. Ich wusste es zwar nicht mir Sicherheit, doch eine Chance hätte er mir auf jeden Fall gegeben. Wartend stand er hingegen vor mir und musterte mich eindringlich. Er versuchte sicherlich hinter meine Stirn zu sehen. Gut, dass er keine Gedanken lesen konnte. »Was ist nun?«, wollte er fragend wissen. »Ich weiß nicht«, gab ich hingegen schulterzuckend zurück und reckte etwas das Kinn in die Höhe, weil er noch einen Schritt weiter auf mich zukam, was den Abstand zwischen uns beiden so enorm verringerte, dass ich die goldenen Sprengel in seinen Augen sehen konnte.
Seine blonden Haare hingen ihm leicht in der Stirn, wobei es mich in den Fingern juckte, sie wegzustreichen. Natürlich spürte er meinen intensiven Blick auf sich und sein Grinsen wurde breiter. »Ach komm schon... Stell dich nicht so an. Wir gehen nur etwas trinken. Wir beide. Wir werden Spaß haben. Hattest du überhaupt schon mal Spaß? Eher nicht, oder? Die ganze Zeit versauerst du in deiner Wohnung anstatt auszugehen. Also lass es uns tun!« Einen Moment überlegte ich hin und her. Er hat Recht.
»Aber das wird jetzt kein Date, oder so...«, schmunzelte ich. Insgeheim wussten wir doch alle, dass er mich mochte und das versteckte er auch nicht. »Das würde mir niemals einfallen, June. Ich werde mich hüten, dich nach einem Date zu fragen. Ich weiß, dass du nicht auf so etwas stehst« und ich musste leise kichern, was dann ziemlich schnell wieder von seiner Mutter unterbrochen wurde. Allerdings sah ich in Ethans Augen, dass er auf jeden Fall entweder noch etwas hinzugefügt hätte oder ihm etwas auf der Seele brande. Andererseits, wenn ich genau darüber nachdachte, dann wäre ein Date mit ihm nicht schlimm. Ich wusste, er verließ mich niemals einfach so. Erst recht, weil er wusste, dass man mich in dieser Hinsicht schon sehr verletzte und aus diesem Grund wollte ich mich auch nicht wirklich binden. Ich ertrug es nicht noch einmal, dass man mich im Stich ließ.
»Ich will ja nichts sagen, aber die Leute warten. Könntet ihr euer Gespräch in die Pause verlegen?«, schaute uns Penny mahnend an, aber ich wusste, dass sie es mit einem lächelnden Auge sah. Sie mochte mich. Wäre ich mit Ethan zusammen, würde sie sich mit Sicherheit freuen. Des Weiteren bekam ich schon ein Gespräch mit einer ihrer Freundinnen mit. Ich war mir sicher, sie hoffte, dass irgendwann einmal etwas zwischen ihm und mir lief. Dennoch wollte ich in diesem Moment nicht daran denken. Keine Ahnung ob ich überhaupt dazu bereit war mich richtig einem Mann zu öffnen, denn der Verlust von Daryl saß tiefer, als ich eigentlich annahm. Warum das so war konnte ich nicht verstehen, da wir zwar unser halbes Leben miteinander verbrachten und noch sehr jung waren. Dennoch konnte ich diese intensiven Gefühle bis heute nicht ignorieren.
Nebenbei nahm ich ein Hüsteln wahr und Ethan, wie er mir mit den Ellenbogen leicht in die Seite stieß. Als ich ihn betrachtete, sah ich wie traurig er darüber war. Eigentlich wäre es die einfachste Sache der Welt gewesen ihn glücklich zu machen. Ich müsste lediglich den ersten Schritt tun. Dennoch verweilten meine Gedanken noch immer in der Vergangenheit. Trotz alledem lebte ich im Hier und Jetzt. Automatisch, wie sonst auch, schob ich die sorgenvollen Gedanken in die hinterste Ecke meines Kopfes und konzentrierte mich auf meine Aufgabe und die bestand nicht darin mit Ethan zu flirten, sondern mit meiner Arbeit.

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Midnight - Ruf der Wölfe
WerewolfWas, wenn du in eine Welt tauchst, die du niemals für möglich hältst? Das erlebt die junge June Glayton, die auf einen dunklen Pfad des Unwirklichen gerissen wird. Sie erkennt schnell, dass Realität und Fantasie nahe beieinanderliegen. Dinge gesche...