Kapitel 64

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Ich konnte kaum mehr stehen und ließ mich im selben Augenblick auf den Stuhl vor mir sinken. Ethan sah fertig aus und verdammt müde. Genauso wie anscheinend ich aussah. Alexander hingegen lachte und bekam sich fast gar nicht mehr ein. Mein Körper fühlte sich wie Pudding an. »Ihr habt euch beim Vögeln miteinander verbunden, oder?« und mir wurde ein Glas Orangensaft hingestellt, welches ich räuspernd in einem Zug austrank. Wieso musste er plötzlich so vulgär sein? Immerhin war er nicht irgendein Mann, sondern mein Bruder. »Was meinst du?«, wollte ich dennoch mit roten Wangen wissen und Alex nickte zu Ethan.

»Wenn ihr euch beide beim Sex öffnet, verbindet ihr euch unbewusst. Die Tiere in euch, lassen euch nicht mehr nachdenken, für diesen Zeitraum. Eure menschliche Energie wird dadurch geraubt. Deswegen fühlt ihr euch so müde und ausgelaugt an« und sein Blick fuhr erneut zu Ethan, als er fragte: »Du bist nicht erst seit gestern ein Wolf. Wieso siehst du aus, als wenn du das nicht weißt?« Das bemerkte ich schon selbst, aber nur er konnte die Frage beantworten, was er schließen auch tat: »Ich habe nur kurz in einem Rudel gelebt, aber das war nicht das, was ich wollte. Ansonsten war ich immer allein. Zumindest ohne jemanden, der wie ich ist.«

Ich wusste er hatte schlechte Erfahrungen gemacht, was man ihm sofort ansah, dennoch fuhr er weiter fort: »Ich habe meine Mutter geschnappt und bin mir ihr abgehauen. Ich habe es aussehen lassen, als wurde ich getötet.« Zugleich hob ich die Brauen. Am liebsten wollte ich alles darüber wissen, doch ich spürte sehr schnell, wie er abwinkte. Irgendwann, wenn die Zeit dafür reif war, würde er mir es erzählen. Da war ich mir sicher. »Ich habe als Wolf nur einmal mit einer Frau geschlafen. Das war als ich noch im Rudel war. Ich habe nie einen Menschen mit dem Tier in mir beeinflusst.«

Alexander nickte, ja wirkte sogar, als wäre er fast stolz darauf, dass er sich am Riemen reißen konnte. »Dann bist du genauso weit wie meine Schwester, indem du also eigentlich über deine Art überhaupt nichts weißt und wie sehr du im Stande bist unvorstellbare Dinge zu tun. Dein Wille ist echt stark, wenn du all die Jahre nicht einmal ausprobiert hast, was du kannst und wenn du nie... jemanden verletzt hast.« Alexander wirkte fast ehrfürchtig. »Das ist sehr gut, wenn du so bist. Es ist nicht oft, dass ein verwandelter Mensch mit seinem Tier eins sein kann und das Wesen in ihm trotzdem zufrieden ist und es nicht ausbricht. Somit werden die Jäger nicht auf dich aufmerksam. Das ist echt gut.«

Er klang zufrieden und schaute nun mich an. »Ihn als Freund wäre echt super. Du solltest darüber nachdenken.« Ich verstand ihn nicht. »Ich habe nicht umsonst mit ihm geschlafen«, gab ich leise zu. Zumindest erklärte ich mich somit, dass ich von Ethan nicht abgeneigt war. »Darum geht es nicht. Im Leben eines Wolfes könntest du einen Gefährten wählen. Ich weiß, dass er kein geborener Wolf ist, die Verbindung wäre somit anders, aber dennoch könntest du dich entscheiden. Für ihn.« Ich verstehe nicht.

Alex musste merken, wie verwirrt ich war und nicht nur ich, sondern auch Ethan. Zugleich betrat meine Mutter die Küche, gefolgt von meinem Vater. Er legte ihr den rechten Arm um die Taille und küsste ihren Scheitel, dann erklärte sie: »Das was Alexander noch meint ist, dass wir Wölfe einen bestimmten Partner wählen können, mit dem wir uns komplett verbinden. Allerdings wurde er gebissen. Es ist etwas anderes. Ethan ist nicht wie wir.« Ungeachtet dessen mischte sich mein Bruder erneut ein: »Er ist ein Wolf. Was macht es schon, ob er als solcher geboren, oder gebissen wurde?« Meine Mutter seufzte anbei und schaute ihn warm an. »Du weißt ganz genau, dass es bei ihnen beiden... schwieriger ist.«

Darüber machte ich mir bisher keine Gedanken, ob ich mit Ethan meine Zukunft planen konnte. Ich mochte ihn. Das war klar. Doch wollte ich irgendwann eine eigene Familie haben? Um ehrlich zu sein, war ich nicht mal dazu im Stande mein eigenes Leben auf die Reihe zu bekommen und da gehörte nicht nur der Job im Diner dazu, sondern auch, dass ich nachdem ich wusste, was ich war, damit erst einmal klarkommen musste. Es war viel mehr als das, was ich glaube und je passieren konnte. Wer wusste schon, ob ich überhaupt so lange lebte.

Midnight - Ruf der WölfeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt