Kapitel 3 - die Vertretung

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Es war Donnerstag und auf meinem Stundenplan stand heute Deutsch, Geschichte und Philosophie. Mich freute es, dass Philosophie wieder stattfand, da unser Lehrer nun schon seit einigen Wochen krank war und das heißen musste, dass es ihm endlich wieder besser ging. Ich mochte Philosophie immer gerne und auch wenn unser Lehrer ein bisschen einen an der Waffel hatte, machte sein Unterricht mir sehr viel Spaß. Bei allen anderen Lehrern war ich meist froh, wenn sie krank waren. Je länger, desto besser, doch bei ihm tat es mir irgendwie leid. Der einzige Haken an Philosophie war nur, dass weder Sophie noch Amelie das Fach mit mir hatten, da sie beide anstelle von Philosophie Religion gewählt hatten. Aber selbst das nahm mir die Freude heute nicht, endlich den verrückten Vogel wiederzusehen, der unser Lehrer sein sollte. Da ich wusste, dass es ihn nie störte, wenn man zu spät kam, schlenderte ich die Treppe gemütlich hoch in den 3. Stock. Die Tür zum Klassenraum war noch offen und gerade als ich eintreten wollte, kam mir jemand entgegen, der diese gerade schließen wollte. Mein Lächeln, welches ich eben noch auf den Lippen hatte, verschwand, als ich sah um wen es sich dabei handelte. Zum 2. Mal in dieser Woche stand das Püppchen vor mir. "Doch noch eine Nachzüglerin. Bei mir beginnt der Unterricht in der Regel pünktlich.", kam es schließlich zurechtweisend aus ihrem Mund und ich ging nur mit einem kleinen Nicken an ihr vorbei und setzte mich auf meinen Platz in der 3. Reihe am Fenster. Ich spürte dabei immer noch ihren Blick auf mir sitzen, doch ignorierte dies und holte meine Philosophie-Sachen aus der Tasche raus. Schließlich begann Frau Hanses zu reden. "Guten Morgen zusammen! Ich bin Frau Hanses und werde Ihren Kurs für die nächste Zeit übernehmen bis Herr Weber wieder gesund ist. Da es sich bei Ihnen um einen Prüfungskurs handelt, hoffe ich, dass wir die versäumten Stunden ganz schnell wieder nacharbeiten können und Sie gut für Ihre Abiturprüfung vorbereiten können!", während ihres Monologs schrieb sie ihren Namen an die Tafel und drehte sich dann wieder zum Kurs um. "Herr Weber hatte mir einige Informationen dazu gegeben wo ihr euch inhaltlich gerade befindet. Das Leib-Seele-Problem ist ein sehr komplexes, aber spannendes Thema und ich freue mich darauf, das in dieser und in den folgenden Stunden mit euch zu erörtern." Sie ließ ihren Blick einmal durch den Raum schweifen und ich könnte schwören, dass sie mich dabei länger angeschaut hat als die anderen. Na super! Diese Frau hat mich jetzt schon auf dem Kieker und scheint dabei in ihrem Unterricht genauso leistungsorientiert zu sein, wie im Sport. Sie bat uns noch Namensschilder aufzustellen und jemand aus der ersten Reihe meldete sich freiwillig, um ihr einen Sitzplan zu erstellen. Dann fing sie schließlich auch direkt mit dem Unterricht an. Sie hatte unseren Kurs gut im Griff und erstaunlicherweise ließen sich alle auf sie ein, auch wenn sie mit ihrer strengen und überkorrekten Art wohl so ziemlich das Gegenstück zu Herrn Weber darstellte. Man merkte sofort, dass sie noch nicht lange Lehrerin war, da sie sich sehr an ihrem Leitfaden entlanghangelte und nicht so frei unterrichtete wie Herr Weber es immer tat. Ich merkte bei diesen Gedanken, dass ich jetzt schon anfing ihn zu vermissen. "Könnten Sie das bitte wiederholen, Frau Jakobs?", erreichte mich schließlich ihre Stimme und holte mich wieder zurück in die Realität. Ich war gerade völlig in meinen Gedanken gewesen und merkte wie ich mich innerlich etwas aufregte, dass sie dies direkt wahrgenommen hatte. "Es tut mir leid, ich habe gerade nicht aufgepasst.", antwortete ich schließlich ehrlich und kassierte einen scharfen Blick von ihr. "Dann erweisen Sie uns doch jetzt bitte die Ehre und widmen sich, wie alle anderen in diesem Raum, auch dem Unterricht.", kam es von ihr und ich spürte die Augen des ganzen Kurses auf mir sitzen. "Ach Gott, ich finde tausend Dinge wesentlich ehrenhafter als diesem Unterricht zu folgen", murmelte ich leise vor mich hin. Zu meinem Pech, rutschten mir diese Worte wohl nicht leise genug heraus und ich hörte einige aus dem Kurs leise lachen, sah aber auch wie der Blick von Frau Hanses sich vorne verfinsterte. "Wie bitte? Sie kommen dann nach der Stunde bitte einmal zu mir.", kam es schließlich knapp von ihr. Ich seufzte leise in mich hinein und verfluchte mich selbst für meine Unachtsamkeit, auch wenn ich ihre Reaktion wirklich übertrieben fand. Die restliche Stunde versuchte ich wenigstens etwas besser dem Unterricht zu folgen und schließlich klingelte es zum Schulschluss. Der Klang, der mich kurz an eine Befreiung erinnerte, machte mir im nächsten Moment wieder bewusst, dass nun noch mein Gespräch mit Frau Hanses folgen würde. Ich packte meine Sachen in die Tasche und setzte mich schließlich widerwillig auf einen der Tische in der 2. Reihe gegenüber vom Pult, sodass noch genug Platz zwischen ihr und mir war. Als schließlich auch der letzte den Raum verlassen hatte, schloss sie die Tür und lehnte sich dann gegen das Pult. "Ihr Verhalten ist grenzwertig Frau Jakobs.", fing sie schließlich an und sah mit einem strengen Blick, aus dem ich keine Emotionen deuten konnte, zu mir rüber. "Zuerst meinen Sie es wäre nicht nötig pünktlich zu meinem Unterricht zu erscheinen und dann sind Sie nicht in der Lage sich für ihr unaufmerksames Verhalten in meinem Unterricht vernünftig zu entschuldigen, sondern meinen sich einen Spaß daraus zu machen.", sagte sie schließlich und sah mich auffordernd an, auf ihre Aufzählung meiner Fehltritte zu reagieren. Ich seufzte leise und nickte dann. "Es tut mir beides sehr leid. Das wird in Zukunft nicht nochmal passieren", sagte ich schließlich das, was Lehrer normalerweise immer zufrieden stellte. "Können Sie mir Ihr Verhalten denn nicht einmal erklären?". Sie gab sich mit meiner Antwort also wohl nicht zufrieden. Ich sah ihr schließlich direkt in die Augen. Grün. Stellte ich dabei ihre Augenfarbe fest. Smaragdgrün. "Ich konnte doch nicht wissen, dass Sie jetzt unseren Philosophiekurs unterrichten! Hätten wir bei Herrn Weber gehabt, wär ihm mein Zu-spät-kommen egal gewesen. Aber wie gesagt: Ich merke mir jetzt, dass Sie so ein Verhalten stört.", kam es dann etwas gereizt von mir zurück. "Und der Satz vorhin ist mir nun mal so rausgerutscht. Es war nicht meine Absicht meine Gedanken laut auszusprechen.", ergänzte ich dann noch, bevor sie antworten konnte. Für einen kurzen Moment herrschte Stille zwischen uns beiden. "Okay es gibt zwei Dinge, die ich Ihnen schonmal sagen kann. Nummer 1: Mit Ihrer respektlosen Art kommen Sie bei mir nicht weit. Ich weiß nicht woran das liegt, dass Sie mich nicht respektieren. Ob es tatsächlich noch mit dem Lauf von letzten Sonntag zu tun hat und Sie sich in ihrem Stolz verletzt fühlen, oder ob Sie sich allen Lehrern gegenüber so respektlos verhalten, oder nur gegenüber den jüngeren Lehrern, aber wie gesagt: Damit sind Sie bei mir an der falschen Adresse.", sie machte eine Pause und sah mich kurz mit einem prüfenden Blick an. Ich hatte versucht während ihres Monologes möglichst neutral zu schauen, dennoch verfinsterte sich kurz meine Miene, als sie auf den Lauf zu sprechen kam. Ich blieb stumm und sie fuhr fort. "Zweitens: Ich werde in der nächsten Zeit mehr auf Sie achten und hoffe, dass Sie dies als eine Chance sehen. Gerade sieht mein Bild von Ihnen nämlich nicht sonderlich toll aus, aber ich bin jemand, der verzeihen kann. Also nutzen Sie bitte die Chance und laufen nicht erneut in die falsche Richtung.". Ich könnte schwören, dass sie die Metapher mit dem Laufen aus purer Absicht ausgewählt hatte, ließ es aber nicht näher an mich ran. "Alles klar, ist notiert. Ich werde mein Bestes geben, um Sie von mir zu überzeugen.", antwortete ich schließlich etwas übertrieben. Aber wenn Sie mich andauernd provozierte, musste ich halt auch ein wenig zurück stechen. "Darf ich dann jetzt gehen?", fragte ich schließlich, um mich aus diesem grauenhaften Gespräch zu befreien. Sie nickte mit einem Seufzer und ich schnappte mir direkt meine Tasche und verließ den Raum.

Ich radelte schnell nach Hause und war froh als mich Tom mit guter Laune und seinem typischen Grinsen im Gesicht begrüßte. "Hi Tommy!", begrüßte ich ihn und gab ihm einen Kuss. Ich war die einzige, die ihn so nennen durfte und das auch nur, weil ich es mir lange und hart erkämpft hatte. Aber irgendwo musste er nun mal nachgeben, wenn ich ihn schon nicht Schatz nennen durfte. Er legte seine Arme um meine Taille und zog mich in die Wohnung. Er schloss die Tür, drückte mich sanft gegen die Wand und begann mich etwas intensiver zu küssen. Mir wurde schnell klar worauf das hinaus laufen würde, aber ich hatte nichts dagegen. Im Gegenteil, es ließ mich im Handumdrehen mein Gespräch von gerade vergessen und außerdem konnte ich ihm sein Verlangen auch gar nicht verübeln, da wir schon recht lange nicht mehr miteinander geschlafen hatten. Es nahm also weiter seinen Lauf und schließlich fanden wir uns beide schweratmend im Bett wieder. Ich lächelte zu ihm rüber und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. "Das war schön.", hauchte ich leise zu ihm rüber und er nickte etwas erschöpft aber sichtlich zufrieden. Nachdem wir uns nach einer Weile beide abgeduscht hatten, machte Tom sich an seine Uni-Sachen und ich ging nochmal mit meinen Freunden in die Stadt. Wir schlenderten von einem Café zum anderen, bis wir uns schließlich dazu entschieden ein Eis auf die Hand zu nehmen und uns an den Kanal zu setzen. Wir erzählten von unserem Tag und so erfuhren sie auch von meinem Schicksaal mit Frau Hanses. Dies führte ich allerdings dieses Mal nicht weiter aus. Die Frau sollte mir ja nicht zum zweiten Mal den Tag vermiesen und außerdem wusste ich, dass sich meine Mädels für das was danach mit Tom passiert ist, viel mehr interessierten. Auch wenn es nichts Neues mehr für sie war, dass ich mit 19 Jahren ein Sexleben hatte, hörten die beiden jedes Mal aufs Neue wie aufgeregte Teenager zu. Dabei hatte Sophie selbst ihr erstes Mal bereits mir 15 gehabt und Amelie war mittlerweile auch nicht mehr die Unschuldigste. Sie erzählten mir schließlich auch von ihren Tagen und als wir uns alle auf einen Stand gebracht hatten, quatschen wir noch eine gute Stunde über allen anderen möglichen Kram. Ich erzählte den beiden wieder von meinem anstehenden Wettkampf am Wochenende, doch zu meinem Bedauern hatten die beiden dieses Wochenende keine Zeit um mich anzufeuern. Das konnte ich ihnen natürlich auf keinen Fall verübeln, aber dennoch wäre es gelogen zu sagen, dass es mir nichts ausmachte. Schließlich fing es an zu regnen und ich verabschiedete mich von den beiden und fuhr wieder zurück nach Hause. Als ich ankam war es schon spät am Abend. Wir hatten die Zeit vollkommen vergessen und hätte uns das Wetter nicht nach Hause geschickt, wäre ich wohl noch viel später erst nach Hause gekommen. Ich sah, dass Tom schon im Bett lag, aber noch etwas an seinem Handy war. Ich ging zu ihm und lächelte ihn an. "Hey Tommy! Sorry, dass es so spät geworden ist. Wir haben die Zeit komplett aus den Augen verloren.", sagte ich und gab ihm entschuldigend einen kleinen Kuss. "Alles gut. Ich kenn euch drei doch mittlerweile. Ich hab dir die Reste vom Abendbrot in die Mikrowelle gestellt. Kannst du dir so anmachen, wenn du noch Hunger hast.", sagte mein Freund dann mit einem müden Lächeln in Gesicht. "Alles klar, danke! Ich esse dann noch eben was und dann komm ich zu dir ins Bett.", erklärte ich ihm mein Vorhaben und setzte dieses schließlich auch direkt um. Als ich dann zu ihm unter die Decke schlüpfte, spürte ich nach kurzer Zeit seine Arme um mich. "Gute Nacht.", nuschelte er mir verschlafen entgegen. "Gute Nacht.", entgegnete ich mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen und schließlich schliefen wir beide ein. 

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