Kapitel 15 - Vorbereitungsphase

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In einer schwarzen Nike-Pro und einer langärmeligen hellblauen Laufjacke, betrat ich am Mittwoch um 16 Uhr den Tartan-Platz. Ich spürte schon den ganzen Tag über eine kleine Anspannung in mir, doch schaffte es diese gut zu verdrängen - bis jetzt. Ich entdeckte Frau Hanses und ging zu ihr rüber. Mein Herz klopfte etwas schneller als normal, als ich sie dann begrüßte. Sie drehte sich zu mir um und lächelte mich freundlich an. "Ah, da bist du ja.", sagte sie freudig. Entweder war sie eine extrem gute Schauspielerin und konnte ihre Gefühle einfach sehr gut überspielen, oder sie hatte es geschafft die Geschehnisse zwischen uns komplett zu verdrängen oder zu vergessen und hatte keinerlei Gefühle mehr. Denn so wie sie sich mir gegenüber verhielt, hatte sie sich noch nie verhalten. Sie war nett zu mir, aber auf keiner anzüglichen oder zweideutigen Art und Weise. Sie behandelte mich freundlich, aber professionell, ohne dass es auch nur im Kleinsten so wirkte, als hätten wir vor einigen Wochen noch etwas miteinander gehabt, sodass es mich fast selber daran zweifeln ließ. Nicht mal ihre Blicke konnte ich deuten, die mir sonst immer so eindeutig erschienen. "Du kannst dich gleich gerne schonmal drei Runden locker warm laufen. Ich muss mir noch eben ein paar Notizen machen", sagte sie mir dann. "Alles klar.". Ich legte meine Tasche ab und wechselte schnell von meinen Sneakern in meine Laufschuhe. Dann ging ich ihrer Forderung nach und fing an mich warm zu laufen. Nach den besagten drei Runden kam ich wieder zu Frau Hanses zurück. Diese hielt einen Block in der Hand und sah erst als ich wieder direkt vor ihr stand von diesem rüber. "Okay, also ich hab mir ein bisschen Gedanken über dich gemacht. Also über deine bisherigen Läufe und Zeiten.", sagte sie dann und auch hier wirkte sie, trotz dieser Zweideutigkeit in der Aussage, kein bisschen zweideutig. Es verwirrte mich, doch ich beschloss es einfach zu akzeptieren. Eigentlich war ihr Verhalten gut, also wollte ich nicht weiter drüber nachdenken. "Ich hab das Gefühl, dass du die ersten 400-Meter immer etwas zu schnell los läufst. Du hängst dann zwar immer direkt zu Beginn einmal alle ab, aber dabei verprasst du viel zu viel Energie. Das hab ich auch selber gemerkt, als wir gegeneinander gelaufen sind. Bei unserem zweiten Wettkampf, war ich mir auf den ersten 400 Metern recht sicher, dass ich in der zweiten Runde wieder den Anschluss zu dir kriegen würde, obwohl du zu dem Zeitpunkt bestimmt 100 Meter vor mir liefst. Das war im ersten Wettkampf genauso. Also würde ich da gerne mit dir dran arbeiten. Heute hab ich dafür ein paar längere Intervalle mit Steigerungsläufen vorgesehen. Bevor wir damit starten kommt natürlich noch ein kurzes Lauf-ABC.", erklärte sie mir dann das Vorgehen. Ich hörte ihr aufmerksam zu und war überrascht wie sehr sie sich mit meinen Läufen auseinander gesetzt haben musste. Aber es gefiel mir, denn irgendwie weckte ihre ambitionierte Art auch meine Ambitionen wieder mein Bestes zu geben und mich möglichst stark in den kommenden Wochen zu verbessern. Wir absolvierten das Training also wie angekündigt. Sie war dabei die ganze Zeit sehr professionell und fortschrittsorientiert, sodass auch ich mich einfach auf meine Leistung konzentrieren konnte und für einen Moment komplett vergaß, wer mich da gerade eigentlich trainierte. Zum Schluss dehnte ich mich noch kurz. Frau Hanses gab mir währenddessen noch ein paar Übungen und Tipps mit auf den Weg, die ich in mein Vereinstraining integrieren sollte und dann verabschiedeten wir uns auch schon wieder voneinander. Ich ging mit einem sehr gutem Gefühl nach Hause, denn das Training lief wirklich um einiges besser, als ich es mir vorgestellt hätte. Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns so gut als Trainingsteam ergänzen würden. Aber in sportlicher Hinsicht schienen wir uns sehr ähnlich zu sein, da wir beide sehr ehrgeizig und leistungsorientiert waren.

Auch das Training am folgenden Mittwoch erfolgte reibungslos. Frau Hanses hatte wirklich Ahnung und konnte mir gute Tipps geben, wie ich meine Technik verbessern konnte und dadurch, dass sie mir auch für mein Vereinstraining Übungen aufgeschrieben hatte, konnte ich schon jetzt merken, dass ich etwas besser wurde. Ich war gerade dabei mich zu dehnen, als Frau Hanses sich zu mir setzte und sich meinen Übungen anschloss. "Nur noch ein Training und dann ist es schon fast so weit. Schon aufgeregt?", fragte sie mich dann mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen. Ich schüttelte den Kopf. "Die Aufregung kommt bei mir irgendwie zum Glück immer erst kurz vorm Wettkampf.", antwortete ich ihr wahrheitsgemäß. Sie nickte auf meine Aussage hin. "Das kann ich verstehen.". Für einen Moment dehnten wir uns einfach beide still weiter. "Ach, jetzt hätte ich dir das fast vergessen zu sagen.", kam es schließlich von ihr. "Herr Vierkant hat mir heute erzählt, dass die Wettkampftage von Lisa und Lukas andere sind, als deiner. Wir würden also am Montagmorgen nach Berlin fahren und dann bis Dienstag dort bleiben. Dein Wettkampf findet ja direkt am Montag statt, das weißt du ja, aber der von Lisa und Lukas ist erst am Dienstag.", sagte sie dann. "Herr Vierkant hat schon ein Hotel gebucht. Die Finanzierung übernimmt der Veranstalter, also da brauchst du dir keine Gedanken machen.", fügte sich noch hinzu. Ich sah kurz etwas perplex zu ihr rüber. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass der Wettkampf über mehrere Tage ging und somit war ich den hypothetischen Fall einer Übernachtung gedanklich noch nicht durchgegangen. "Kann ich dann nicht Montagabend einfach wieder mit dem Zug nach Hause fahren?", fragte ich sie, da ich von der Übernachtungssituation eher weniger begeistert war. "Das ist eine Teamveranstaltung. Ihr drei vertretet als Team unsere Schule, also kannst du nicht einfach früher abreisen. Außerdem sind die Hotelzimmer schon gebucht.", entgegnete sie bestimmend und schlug mir somit meinen Vorschlag direkt ab. Ich seufzte und nickte dann. "Na schön. Dann kann ich das wohl nicht ändern.", akzeptierte ich schließlich das unvermeidbare. Dann beendeten wir auch dieses Training.

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