Kapitel 15

39 5 0
                                    

Der Tag war total normal und unspektakulär verlaufen. Obwohl, eigentlich wusste Sissi ja gar nicht so genau was 'normal' war, doch das kam wohl schon sehr nah an Normalität ran. Aly, Moritz und sie hatten zusammen gegessen, der Unterricht war in Ordnung gewesen, aber halt total ereignislos. Ach ja, Moritz würde wohl einen großen blauen Fleck am Arm bekommen. Sein Arm war bedauerlicherweise in die Schwungrichtung ihrer Faust gekommen. Na gut, vielleicht war es nicht ausversehen gewesen, sondern die Rache dafür gewesen, da er Aly gesagt hatte, was zwischen ihr und Damon gelaufen war.

Apropos Damon. Zu dem war sie gerade auf dem Weg und wollte mit ihm besprechen, wann sie in die Bibliothek gehen würden. Klar, sie hatten noch genug Zeit bis das Projekt fällig war, doch das gestern hatte Sissi verwirrt, deswegen wollte sie ihn irgendwie nicht mehr sehen und das Projekt so schnell wie möglich beenden. Doch in ihrem Kopf war auch noch eine andere Stimme, die ihr sagte, dass sie so viel Zeit mit Damon verbringen sollte, wie sie nur konnte und wenn sie sich mit ihm für das Projekt treffen würde, hätten beide Stimmen in ihrem Kopf bekommen was sie wollten, mehr oder weniger.

Jetzt stand sie also vor seiner Tür und wollte klopfen, aber sie hatte da so ein komisches Gefühl im Magen. Sie ignorierte es aber gewissenspflichtig, klopfte schließlich an die Tür und wartete und wartete und - ruckartig öffnete sich die Tür, gefolgt von einem aggressiven: "Was?"

Instinktiv wich sie einen großen Schritt zurück. Damons Gesichtsausdruck wurde etwas weicher. Er hob seine Hand, fuhr sich damit erst über seinen kaum vorhandenen Stoppelbart, kratzte sich dann am Hinterkopf und sagte: "Tut mir leid wenn ich dich erschrocken habe Prinzesschen. Was wolltest du denn?"

Man diese unglaublich intensiv braun leuchtenden Augen brachten sie irgendwann noch um den Verstand. Tja, und schon waren die Sätze, die sie sich auf den Weg hier her zurechtgelegt hatte verschwunden. Sie kramte angestrengt in ihrem Kopf herum, um die Sätze wiederzufinden. Ah, da waren sie ja wieder: "Ähm, also ich wollte dich fragen, wann wir zusammen in die Bibliothek gehen wollen, um AWT zu beenden."

"Wie wäre es, wenn wir gleich dieses Wochenende da hin gehen und gucken was wir so finden können, falls wir dann immer noch nicht genug Stoff haben, können wir uns ja noch was anderes überlegen."

"Hört sich gut an. Samstag oder Sonntag?"

"Am besten gleich morgen. Sonntag willst du doch bestimmt auch zum Lagerfeuer."

"Was für ein Lagerfeuer?"

"Ach stimmt ja. Du bist ja neu. Also, jedes Jahr um diese Zeit machen die 11. und 12. Klassen ein Lagerfeuer um das abgeschlossene Schuljahr und den Anfang des neuen Schuljahres zu feiern. Es soll ganz lustig sein. Die Leute spielen da immer irgendwelche bescheuerten Spiele, irgendwer hat wahrscheinlich Alkohol besorgt, also solltest du mal überlegen, ob du auch kommen willst. Ach und außerdem, am Montag haben dann sämtliche Schüler noch frei."

Sissi fand, dass sich das ganze ganz gut anhörte. Außer das mit dem Alkohol, denn sie konnte überhaupt keinen Alkohol ab und mit keinen meinte sie wirklich überhaupt gar keinen. Sie hatte bis jetzt erst einmal welchen getrunken und zwar nur ein Glas Sekt und einen Wodkaenergie und trotzdem hatte sie am nächsten Tag einen fetten Kater gehabt. Man, das hörte sich total pussymäßig an. Sie könnte ja trotzdem hingehen und gucken wie das da so ist. Alkohol musste sie ja nicht trinken, bzw. sah sie überhaupt keinen Grund, warum sie sich einer Gruppe saufender Personen anschließen musste.

"Gut, ich glaube, ich komm und guck mir das mal an."

"Perfekt, dann muss ich dich ja gar nicht gegen deinen Willen dahin befördern. Bis morgen Nachmittag.", sagte Damon, zwinkerte und schloss einfach die Tür. Anscheinend war das Gespräch für ihn beendet, für sie aber eigentlich nicht, denn was meinte er bitte mit seiner letzten Aussage?

'Naja auch egal.', dachte sie sich und ging zurück in ihr Zimmer. Aly war mal wieder nicht da, bei Moritz konnte sie auch nicht, der war nämlich bei Fr. Linden, da er bei so einem Projekt mitmachte, wieso auch immer.

Da Sissi nicht wusste, was sie jetzt machen sollte, entschied sie sich zu lesen. Das hatte sie schon, seitdem sie hier war nicht mehr und das war nicht normal für sie, also nahm sie sich eins von den Büchern, die sie mit hier her genommen hatte, legte sich auf ihr Bett und fing an zu lesen. Als sie das Buch zur Hälfte gelesen hatte, klopfte es an der Zimmertür.

"Herein.", rief Sissi, doch es öffnete niemand die Tür, stattdessen klopfte es ein zweites Mal. Wieder rief Sissi: "Herein." und wieder passierte nichts, außer dass es ein drittes Mal klopfte. 'Die wollen mich doch alle verarschen.', dachte sie sich wütend, während sie sich auf den Weg zur Tür machte.

Sie riss die Tür auf und wollte den Idioten zur Schnecke machen, der sich so einen billigen Spaß mit ihr erlaubte, doch vor der Tür stand niemand, auch auf dem Flur war niemand, deswegen wollte sie die Tür wieder schließen und weiter lesen, als ihr ein Brief, der auf dem Boden lag, auffiel. Misstrauisch guckte Sissi noch mal nach links und rechts, um sich zu vergewissern, dass wirklich niemand da war. Da keine Menschenseele zu sehen war, nahm sie den Brief mit ihrem Namen drauf und ging zurück ins Zimmer.

Sie setzte sich an den Schreibtisch und betrachtete den Umschlag genauer. Er war einfach weiß, nur ihr Name, der in blutroter Farbe geschrieben war, unterbrach das satte weiß. Außerdem roch der Umschlag komisch, irgendwie rostig und verfault. Widerlich!

Auf einmal kam ihr ein anderer Gedanke. Sie roch gerade nicht ernsthaft an einem dämlichen Briefumschlag oder? Man, irgendetwas in ihrem Gehirn musste sich verknotet haben, eine andere Erklärung für ihr seltsames Verhalten konnte sie nämlich nicht finden. Um sich nicht mehr ganz so blöd zu fühlen, öffnete sie den Umschlag und zog ein ordentlich gefaltetes Blatt heraus und auch dieser roch rostig und faulig.

'Verdammt, ich rieche ja schon wieder am Papier!', stellte Sissi, erstaunt über sich selbst, fest. Naja, so lange niemand sah, wie sie an Papier schnüffelte, war ja alles in Ordnung. Um nicht noch einmal ausversehen an Papier zu schnuppern, faltete sie das Blatt auseinander und begann zu lesen:

Sissi,

schön das du den Brief ließt und ihn nicht einfach in deine doch nicht so geheime Geheimbox gelegt hast. Du siehst in letzter Zeit viel erholter und entspannter aus, liegt wohl daran, dass du endlich Freunde gefunden hast und Tristan und du endlich wieder vereint seit. Du bist so glücklich, deshalb tut es mir fast ein bisschen leid, dass ich das jetzt alles wieder zerstören muss. Aber eben nur fast... Ach ja, ich finde es schön, dass du deine Unendlichkeitskette wieder trägst. Sie passt zu dir, genauso wie zu mir, denn du wirst bis in die Unendlichkeit Angst vor mir haben und genauso lange leiden und ich werde es bis in die Unendlichkeit genießen dich zu quälen, dir Angst zu bereiten und zu sehen wie dein kleines erbärmliches Leben in die Brüche geht. Genieß die Zeit in der du dir noch nicht wünscht zu sterben und noch einen freien Willen hast, doch denke immer daran, deine unbeschwerte Zeit wird enden, oder besser gesagt: sie ist ab diesem Moment vorbei. Bevor ich diesen Brief gleich beende und dich deinem grausamen Schicksal alleine überlasse, möchte ich dir noch sagen, dass du den Vorhang zuziehen solltest, wenn du dich umziehst. Mir gefällt zwar der Anblick deines wunderschönen, schlanken, wohlgeformten Körpers, doch der Gedanke, dass dich andere Männer so sehen könnten, macht mich furchtbar wütend und wenn ich wütend bin, hab ich das Bedürfnis dich zu verletzen, also tu dir selbst einen Gefallen und mach die verdammten Vorhänge zu. Ich kann dich dann ja trotzdem noch betrachten. Tja, ich denke das war es fürs erste.

Ps.: Du wirst weitere Briefe oder Mitteilungen von mir bekommen und wag es ja nicht, sie einfach wegzulegen, denn wenn du das tust, muss ich härtere Geschütze auffahren und die werden dir ganz sicher nicht gefallen.

In Liebe und Hass, dein unendliches Schicksal.

How can you love me anyway?Pausiert.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt