Kapitel 22 (Adys POV)

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Ich kann nicht einmal beschreiben wie wütend ich gerade war. Wie konnte er es wagen? Er hatte mir gesagt, dass er auf mich warten würde. Er hatte es gesagt. Und trotzdem war er jetzt hier. Hatte ich denn keinerlei Privatsphäre mehr? 

Innerlich wollte ich schreien, aber ich riss mich zusammen. Langsam ging ich in Richtung der Damentoilette ohne sicherzugehen, ob Blake mir folgte. Die Krankenpfleger lächelten mir freundlich zu und ich versuchte meine Wut im Inneren zu behalten. Sie sollten nicht sehen, wie es mir gerade ging. 

Ich öffnete die Tür und wartete bis Blake ebenfalls hereinkam. Vor Wut zitternd schloss ich ab und drehte mich schließlich zu ihm um. Man könnte erwarten, dass er sich schlecht fühlen würde, sich vielleicht schämen würde, dass er mein Vertrauen so missbraucht hatte, aber er sah mich einfach ausdruckslos an. Und wieder trug er diese dämliche Sonnenbrille. 

"Was zur Hölle tust du hier?", fragte ich ihn leise und konnte mich nur mit Mühe zusammen reißen ihn nicht anzuschreien. Schließlich wollte ich nicht riskieren, dass die Leute da draußen mich hörten. 

Schweigend sah Blake mich an.

"Hast du oder hast du mir nicht versichert, dass du mir nicht folgen wirst? Also, warum sehe ich dich dann genau vor mir?"

Ich hatte es nicht geschafft, meine Stimme war lauter geworden als ich wollte. Wütend presste ich die Lippen aufeinander und sah ihn wartend an. 

"Ich konnte dich nicht alleine gehen lassen", war das Einzige, was er schließlich sagte. Wollte er mich verarschen? War das sein Scheiß Ernst?

"Und warum nicht?"

Ich hatte meine Arme vor der Brust zusammen geschränkt und sah ihn wartend an.

Langsam kam Blake näher und ich bemühte mich, nicht zurück zu weichen. Er tat das immer. Es war fast so, als wollte er mich mit seinem Körper einschüchtern, also würde ich nicht nachgeben. Ich hatte das bei James zugelassen und es würde nicht noch einmal passieren. Bei dem Vergleich spürte ich ein kurzes Stechen in der Brust. Würde ich jemals aufhören einen Mann mit James zu vergleichen? Bis jetzt war Blake ganz anders gewesen. Doch jetzt hatte er eine Grenze überschritten. Nicht einmal James wusste, wo Dad war. Ich hatte ihn nie hier her mitgebracht und ihm auch nie davon erzählt. Ich wollte kein Mitleid sehen, obwohl ich mittlerweile sicher war, dass es ihn nicht sehr interessiert hatte. 

Blake war immer näher gekommen und jetzt spürte ich, wie seine Brust leicht über meine Arme strich. Ich versuchte die Gänsehaut zu unterdrücken, die sich auf meinen Armen bilden wollte, aber ich konnte es nicht verhindern. 

"Warum nicht? Ach Darling... Wenn ich dir folgen konnte ohne das du es bemerkt hast, dann kann es auch jeder andere. Ich war mit dir im Bus, ich bin dir hier rein gefolgt und du hast nicht einmal geahnt, dass ich dir folge. Verstehst du jetzt kleine Seherin? Denkst du ich habe einfach so gesagt, dass ich dich beschützen will? Denkst du das waren einfach leere Worte?"

Sein Stimme war immer leiser geworden, während er sich vor mir aufgebaut hatte. Jetzt konnte ich seinen Blick trotz der schwarzen Gläser deutlich auf mir spüren. 

"Woher soll ich wissen, ob es nur leere Worte waren? Schließlich hast du mich vorhin angelogen."

Ich konnte den Trotz aus meiner Stimme nicht unterdrücken. Vielleicht hatte er Recht mit seinen Worten, trotzdem hatte er mich angelogen. Das konnte ich nicht einfach so hinnehmen.

"Ich hätte dich nicht anlügen dürfen Darling, da gebe ich dir Recht. Aber hättest du mich mitgenommen? Wärst du hier her gekommen mit dem wissen, dass ich dich begleite?"

Angepisst schwieg ich und sah zur Seite. Nein, ich wäre nicht her gekommen. Ich wollte nicht, dass jemand außer mir meinen Dad sah. Es war nicht so, dass ich mich für ihn schämte. Er war mein Dad und ich liebte ihn. Doch als er krank wurde, als die Demenz angefangen hatte, hatte er mich gebeten, dass ihn niemand am Boden sehen würde. So krank wie er werden würde. Seine alten Freunde wussten nichts von seiner Krankheit und ich hatte seinem Wunsch immer respektiert. Auch wenn es schwer für mich gewesen war. Nur Liam wusste, wo Dad momentan war. Und er besuchte ihn nicht einmal. Blake war der Erste, der meinem Vater so sah, wie er jetzt war. Es war nicht viel von seinem früheren Ich übrig. Es war schwer ihn so zu sehen, als Schatten seiner Selbst. 

Langsam bildeten sich die Tränen in meinen Augen, auch wenn ich alles tat um es zu verhindern. 

"Ach Darling.."

Blake schloss mich in seine Arme und drückte mich eng an seine Brust. Der Geruch von Schnee und Winter hüllte mich vollkommen ein. Es sollte mir keinen Trost spenden, aber es tat es trotzdem. 

"E-Es ist bloß so schwer an manchen Tagen", schluchzte ich leise. Nie hatte ich mit jemandem außer Nancy darüber reden können und sie arbeitete hier. Es war ihr Job sich um meinen Vater zu kümmern.

"Ich kann mir nur vorstellen, wie es für dich ist. Du hast dich ganz alleine um ihn gekümmert, aber jetzt bin ich da."

Er murmelte leise beruhigende Worte in mein Wort und rieb mir immer wieder sanft über den Rücken. Es war schön so gehalten zu werden. Zu wissen, dass man nicht allein war. Aber das war alles nur eine Illusion, denn irgendwann würde er ebenfalls verschwinden. So wie alle anderen vor ihm auch.

Ich wollte mich von ihm lösen, aber er ließ mich nicht.

"Vergiss es Darling, du brauchst das gerade."

Woher wusste er das? 

"Hör mal-"

"Ady? Ist alles in Ordnung?"

Nancys Stimme auf der anderen Seite der Tür sorgte dafür, dass ich mich in Blakes Armen versteifte. Verdammt, sie hatte mich bestimmt gehört. 

Blakes Lippen berührten mein Ohr. "Antworte ihr Darling."

"Ja", sagte ich und schniefte leise. "es ist alles in Ordnung. Ich komme gleich raus."

Ich könnte jetzt sofort die Tür öffnen und sie würde Blake nicht einmal sehen können, aber ich wollte mich jetzt noch nicht von ihm lösen.

"Wie lange bist du normalerweise hier?"

"Ich versuche ein paar Stunden zu bleiben, aber an Tagen wie heute, wenn die Vergangenheit so im Vordergrund ist, ist es schwer."

"Er nennt dich Jenny."

Natürlich war es für ihn seltsam gewesen.

"So hieß meine Mutter", murmelte ich leise an seiner Brust, denn ich wollte nicht, dass Nancy mich hörte. 

"Er erinnert sich also nicht daran, dass du seine Tochter bist?"

"Er weiß, dass ich existiere, aber da ich Mom so ähnlich sehen verwechselt er mich oft mit ihr. Aber ich freue mich einfach, wenn es ihm gut geht."

Nicht so wie gestern. 

"Das muss schwer für dich sein. Du hast viel gearbeitet und solltest dich ausruhen. Denk auch mal an dich." 

Leichter gesagt als getan. Wenn ich mich nicht um kümmerte, wer würde es sonst tun?

"Verabschiede dich in Ruhe von deinem Vater und mach dir einen schönen Tag, dass würde er ebenfalls wollen. Schließ die Tür, ich werde draußen auf dich warten und darauf aufpassen, dass euch nichts passiert."

THE CONTRACT - Du Gehörst MirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt