Kapitel 8 (Adys POV)

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Ein wenig fassungslos sah ich ihn an. Noch nie hatte jemand so mit mir gesprochen, als würde er sich wirklich Sorgen um mich machen. Ich versuchte seine Augen irgendwie durch diese blöde Sonnenbrille zu erkennen, aber alles vor meinem Blickfeld verschwamm langsam. Wie sehr ich das hasst, aber es wunderte mich auch nicht. Ich hatte es nicht gerade langsam angehen lassen die letzten Wochen und das forderte jetzt seinen Tribut. 

Da wir in diesem Flur gerade alleine waren, hörte ich für eine kurze Zeit auf mich gegen ihn zu wehren und lehnte mich an seinen warmen Körper. Er roch unglaublich frisch, wie neu gefallener Schnee. Wie konnte jemand nur so riechen? War das überhaupt möglich? Ich spürte seine harten Muskeln an meiner Taille und meinem Rücken und ich wollte einfach meine Augen schließen. Es genießen so gehalten zu werden. Bisher hatte ich nur James so nah an meinem eigenen Körper gespürt und der hatte sich definitiv nicht so angefühlt wie mein Traummann hier. Dessen Name ich nicht einmal wusste. 

Blinzelnd versuchte ich ihn anzusehen, aber meine Augen wollten immer noch nicht fokussieren. Dabei hätte ich jetzt die perfekte Gelegenheit ihn genauer in Augenschein zu nehmen. 

Wie war es überhaupt möglich, dass er mich halten konnte? Wahrscheinlich lag ich bereits irgendwo bewusstlos und träumte das alles nur. Das wäre eine gute Erklärung. Aber warum fühlte es sich dann so real an? Ich konnte sehen, wie seine Augenbrauen sich zusammenzogen, aber ich wollte einfach nur unbedingt seine Augen sehen. Es musste doch einen Grund geben, warum er diese Brille trug. Sie sollte verschwinden. Na komm Hirn, tu mir den gefallen und lass sie verschwinden. 

„Musst du dich hinlegen Kleines?"

Der Mann zog mich noch näher an seine harte Brust und ich ließ es einfach geschehen. Seufzend lehnte ich mich nun vollkommen an ihn und schloss die Augen. Wenn ich seine Augen schon nicht sehen konnte, konnte ich mich wenigstens ausruhen. Nur ein paar Minuten, dann würde ich weiterarbeiten. Zwei Minuten und dann würde ich zu Mrs. Palmer gehen und mich um sie kümmern. Ich wollte mich nur kurz ausruhen... 

Es waren keine zwei Minuten, nicht einmal eine. 

„Das reicht jetzt Adalyn Wilson."

Joannas Stimme ließ mich die Augen wieder weit aufreißen, doch bevor ich mich von meinem Traum lösen konnte, schlang er auch den anderen Arm um mich. Was wohl ganz gut war, denn die Welt um mich herum drehte sich. Die Armmuskeln um meinen Bauch spannten sich an und waren deutlich unter seinem Hemd zu sehen. Selbst verschwommen. 

Ich drehte meinen Kopf zur Seite und lächelte mühevoll. Da der Mann nicht echt war, konnte Joanna ihn natürlich nicht sehen, also durfte ich mir auch nichts anmerken lassen. Wenn sie ahnen würde, was in meinem Kopf abginge, wäre ich unglaublich schnell ein paar Etagen weiter oben. In der psychiatrischen Abteilung.

„Du schläfst ja schon im Stehen ein. Geh nach Hause, jetzt sofort." 

Sie stemmte ihre Hände an die Hüfte und warf mir einen strengen Blick zu. In ihrer sonst so heiteren Miene war kein Fünkchen Nachgiebigkeit. Genauso würde sie auch unkooperative Patienten ansehen.

„Ja, Adalyn Wilson", murmelte der Mann dunkel in mein Ohr und ich musste ein Schaudern unterdrücken. „Du wirst jetzt nach Hause gehen, mit mir zusammen. Soll deine Kollegin nach der Patientin sehen."

Blinzelnd stand ich da und wusste nicht genau, was ich jetzt tun sollte. Mein Traummann begann mich sanft in die entgegengesetzte Richtung, weg von Joanna, zu schieben. Für sie müsste es aussehen, als würde ich nach hinten stolpern, denn sie runzelte besorgt die Stirn und machte Anstalten auf mich zuzugehen.

„Sag ihr, dass du auf sie hörst. Sag ihr, dass du direkt nach Hause gehen wirst."

Wie konnte ein Mensch nur so eine tiefe, dunkle und verdammt erotische Stimme haben? Aber daran durfte ich jetzt nicht denken, Joanna erwartete eine Antwort von mir.

„Alles gut Joanna, du hast ja Recht. Ich werde jetzt gleich heim gehen und mich ausruhen."

Irgendwie schaffte ich es diese beiden Sätze ohne zu stottern aus meinem Mund zu bekommen. Es war nicht so einfach sich zu konzentrieren, wenn man den heißen Atem eines sexy Typen im Nacken spürte und der eigene Kopf ohnehin nicht klar war. Dennoch schien Joanna mir das abzukaufen, denn sie nickte  und wandte sich dann zögerlich zurück an die Arbeit.

„Schreib mir eine Nachricht, sobald du angekommen bist. Oder soll ich Robert anrufen? Er fährt dich sicher gerne", kam es noch von ihr, aber ich schüttelte den Kopf.

„Nein, schon gut. Ich gebe dir Bescheid, mach die bitte keine Sorgen."

Noch ein letzter Blick von Joanna und wir waren wieder alleine. Ich und meine Wahnvorstellung. Wie konnte ich mir jemanden vorstellen, der so echt wirkte? Noch nie hatte mich ein Geist berührt und ich hätte niemals gedacht, dass mein Hirn zu so einer realistischen Vorstellung fähig wäre. 

Natürlich tagträumte ich und stellte mir Dinge vor, aber doch nicht so. Nicht so real und schon gar nicht bei der Arbeit. 

„Was für ein braves Mädchen", raunte er mir zu und ich wusste immer noch nicht, wie ich mich fühlen sollte. Einerseits wollte ich ihm am liebsten eine reinhauen für seine Unverschämtheit, aber andererseits... Andererseits lösten seine Worte ein verdammt heißes Gefühl in mir aus. Das sollte so nicht sein, es war nicht richtig. Aber warum fühlte es sich dann so richtig an?

„Auf gehts kleine Seherin, hol deine Sachen."

Er könnte normal mit mir sprechen, denn außer mir konnte ihn ohnehin niemand hören, also warum hörte er dann nicht auf mir die Worte zuzuraunen, als wären sie ein Geheimnis zwischen uns. Als wären sie nur für mich bestimmt und niemand sonst sollte sie hören. Mir war klar, dass ich ihn unvorbereitet erwischte, als ich mich diesmal von ihm losriss und ein paar Schritte Abstand zwischen uns brachte. Unbeeindruckt zog er wieder eine Augenbraue hoch. Das schien auch alles an Mimik zu sein, die ich von ihm bekam. 

Ohne ihn weiter zu beachten stolperte ich in den Pausenraum und ließ mich schwer auf das Sofa fallen. Meine Kopfschmerzen brachten mich um und leider würde dagegen nur viel Ruhe und Schlaf helfen. Und Essen. Ich musste meine Kraftreserven dringend wieder aufladen. Leider hatte der Typ recht gehabt, wenn ich so weitermachte, würde ich bald selbst im Krankenhaus landen. Es wäre schließlich nicht das erste Mal. 

Seufzend schloss ich die Augen und lehnte meinen Kopf gegen die Rückenlehne. Wie gut, dass wie ein Sofa hier hatten. Vielleicht sollte ich zuerst ein Nickerchen machen und dann heim fahren. Dann würde es mir sicher besser gehen. 

„Ich nehme meine Worte zurück. Du bist doch kein so braves Mädchen. Hab ich gesagt du sollst dich hinsetzten oder habe ich gesagt du sollst deine Sachen holen?"

Diesmal hatte seine Stimme eine normale Lautstärke, was wohl hieß, dass er endlich Abstand hielt. Sein braves Mädchen konnte er sich sonst wohin stecken. Mit geschlossenen Augen schwieg ich also. 

„Du willst mich also wieder ignorieren?" 

War das nicht offensichtlich genug? Ich konnte spüren, wie er gegen mein Bein stieß, aber ich hielt meine Augen trotzdem geschlossen. Wieder stieß er gegen mein Bein.

„Hör auf mich zu ignorieren."

Genervt atmete ich angestrengt aus.

„Wenn du dich in etwas essbares verwandelst, werde ich dir meine Aufmerksamkeit schenken. Solange du das nichts kannst, lass mich wenigstens ein wenig meine Augen ausruhen. Oder ein kleines Nickerchen machen. Denn jetzt kann ich nicht einmal geradeaus laufen, also lass mich in Ruhe."

Diesmal hatte ich es tatsächlich geschafft ihn zum schweigen zu bringen. Gerne hätte ich meine Augen aufgemacht und ihn angesehen, aber selbst das war viel zu anstrengend. Ich hätte nicht gedacht, dass ich tatsächlich so sehr übertrieben hatte, aber anscheinend war es so. Ich würde einfach ein kleines Nickerchen machen und dann würde es mir besser gehen. 

Mir doch egal, was meine Wahnvorstellung in der Zeit tat, solange er mich einfach in Ruhe schlafen ließ...

THE CONTRACT - Du Gehörst MirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt