Kapitel 23 (Adys POV)

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Leise schloss ich die Tür hinter mir und seufzte tief durch. Eine Stunde hatte ich mit Dad geredet. Er hatte mir von seinen Träumen erzählt, die ihn gerade beschäftigten und das er nicht wusste, was sie bedeuteten. Diese Träume waren nicht neu für mich. Immer wieder träumte er davon wie er Mom verlor und nach solchen Nächten klammerte er sich oft an mir fest. Sein Kopf wollte nicht einsehen, dass seine geliebte Ehefrau nicht mehr da war und ich konnte es nicht übers Herz bringen ihn darauf hinzuweisen, dass ich nicht Mom war. Oft musste ich an solchen Tagen die Tränen zurückdrängen, doch vorhin hatte ich es einfach nicht geschafft. Es war schön gewesen jemand bei mir zu haben der mich hielt. 

Wir hatten uns auch über Liam unterhalten. Dad war noch in der Vergangenheit gefangen und dachte, dass Liam vierzehn Jahre alt war. Das war damals keine leichte Zeit für unsere Familie gewesen. Er war mitten in der Pubertät gewesen und hatte meinen Eltern viel Ärger gemacht. Immer wieder mussten sie zum Direktor kommen, weil Liam sich mit anderen geprügelt hatte. Dad hatte er nie als seinen Vater akzeptiert und sich von ihm nichts sagen lassen. Mom war unglaublich überfordert mit ihm gewesen, denn egal was sie tat, es hatte nicht gewirkt. Irgendwann war Liam dann ruhiger geworden, auch wenn ich nicht wusste, warum. Erst jetzt merkte ich, wie schwer Liams Zurückweisungen für Dad gewesen waren. Immer noch wollte mein Bruder nichts mit ihm zu tun haben. Dad war nicht unser biologischer Vater, aber für mich war er der Einzige, den ich kannte. Liam dagegen erinnerte sich an den anderen. Ob er ihn als Kind vermisst hatte konnte ich nicht sagen, aber er hatte viel Wut in sich gehabt als Kind. 

Gerne würde ich mit ihm über Dad sprechen, dass er ihn vermisste, aber ich wusste, dass es nichts bringen würde. Er war erwachsen und wusste, wo Dad sich aufhielt. Wenn er ihn sehen wollen würde, könnte er es jeder Zeit tun. Die Tatsache, dass es bis jetzt nicht passiert war, sagte alles. Außerdem hatte ich keine Ahnung, wie Dad auf die erwachsene Version von Liam reagieren würde. Vielleicht war es gut so wie es war. 

Blake lehnte mit verschränkten Armen an der Wand gegenüber von mir und ich konnte seinen Blick deutlich auf mir spüren. 

"Alles in Ordnung?", fragte er mich mit leiser, dunkler Stimme und ich nickte leicht. Es war schön ihn hier zu haben, auch wenn ich es nur ungern zugab. Normalerweise ging es mir nach solchen Besuchen nicht besonders gut und an manchen Tagen war es schwer alleine damit klar zu kommen. Dann ging ich arbeiten um mich abzulenken. Das war jetzt keine Option mehr, denn ich dachte nicht, dass Blake das zulassen würde. Außerdem hatte er Recht gehabt, ich brauchte eine Pause.

Während ich zum Eingang ging folgte er mir wie ein Schatten und blieb direkt hinter mir stehen, als Nancy mich aufhielt.

"Hey, na wie geht es dir?" Ihr vorsichtiger Tonfall versetzte mir einen Stich, aber ich zwang mich dazu zu lächeln. 

"Ganz in Ordnung und dir? Wie ist die Arbeit?"

Leise Lachend winkte sie ab und sah zur Seite. "Ach wie immer. Es geht ihm heute besser oder?"

Manchmal war es merkwürdig mit anderen Leuten über meinen Vater zu sprechen, aber sie war nun mal für ihn zuständig.

"Es war schön gewesen mit ihm zu reden, obwohl er immer noch nicht in der Gegenwart ist."

Jetzt war Nancys Blick wieder mittleidig. Sie war meine Freundin, aber ich wollte nicht bemitleidet werden, auch nicht von ihr.

"Ach Ady, es tut mir leid das sagen zu müssen, aber ich denke, dass es jetzt so bleiben wird."

Ich hatte es mir bereits gedacht, aber es zu hören war noch einmal etwas anderes. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals und ich versuchte ihn runterzuschlucken. Warme Hände rieben sanft über meinen Rücken und kamen schließlich auf meinen Schultern zur Ruhe. Mein erster Instinkt war, zusammen zu zucken und wegzugehen, doch dann drang der Geruch von Schnee und Winter in meine Nase und ich entspannte mich wieder. Es war nur Blake.

Ohne es zu wollen lehnte ich mich gegen ihn und nahm den Trost an, den er mir geben wollte. 

"Wahrscheinlich hast du Recht." Selbst ich konnte die Niedergeschlagenheit in meiner Stimme hören. Aufmunternd rieb sie mir über den Arm.

"Du weißt, wenn du etwas brauchst kannst du immer zu mir kommen."

"Ich weiß, danke." Ich zwang meine Lippen zu einem Lächeln und verabschiedete mich von ihr. Sie hatte noch ein paar Stunden vor sich und ich wollte sie nicht von ihrer Arbeit abhalten. Die Patienten waren auf sie angewiesen. 

Blakes Hände verließen meine Schultern und er trat von mir zurück. Kurz vermisste ich seine Wärme, aber seine Hand umschlang meine und ohne darüber nachzudenken ergriff ich sie. Für andere müssten es so aussehen, als würde ich die Fäuste ballen, aber das war mir gerade egal. Ich verdrängte alle Zweifel und Gedanken die sich in meinem Kopf breit machen wollten. Ich wollte es einfach nur genießen, jemanden bei mir zu haben. 

Hand in Hand verließen wir das Altersheim und machten uns auf den Weg zurück zur Bushaltestelle. 

Immer wieder sah Blake über die Schulter und schien die Umgebung genau in Augenschein zu nehmen. Er nahm die Tatsache wohl sehr Ernst, dass er mich beschützen wollte. Vor was oder wem genau konnte ich nicht genau sagen. Dachte er wirklich, dass der Mann, der ein wenig unhöflich bei der Arbeit zu mir gewesen war, mir etwas antun würde? Das konnte ich kaum glauben, schließlich war er nicht der Erste und nicht der Letzte Verwandte oder Patient, der sich nicht im Zaum halten konnte. Aber irgendwie fand ich es süß, dass er auf mich aufpassen wollte. 

James hatte sich nie so verhalten, als wir zusammen waren. 

Mit einem inneren Kopfschütteln verdrängte ich ihn aus meinen Gedanken und stieg mit Blake zusammen in den Bus. Der Fahrer lächelte mich willkommend an. Als ich dieses Lächeln erwiderte spürte ich, wie sich Blakes Hand fester um meine schloss. Kaum saßen wir auf unseren Plätzen beugte er sich zu mir und ich spürte seinen Atem an meinem Ohr.

"Das war sehr gefährlich Darling, denn weißt du... Ich bin ein sehr besitzergreifender Mann. Am liebsten würde ich jedes deiner Lächeln nur für mich behalten."

Ach. Du. Scheiße.

THE CONTRACT - Du Gehörst MirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt