Kapitel 3

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Ich überlegte angestrengt, was ich mit ihm machen sollte. Hier bleiben konnte er unmöglich. Ich wurde in meiner Überlegung unterbrochen, als ich eine fremde, männliche Stimme hinter uns hörte.
"Ist etwas passiert?"
Jasmin und ich wanden den Kopf um und sahen uns einem Priester gegenüber. Quasimodo verkroch sich hinter der Säule, neben der er eben noch gesessen hatte.
"Oh... ähm... ein freund von uns wurde angegriffen und übel zugerichtet.", erklärte Jasmin wie aus der Pistole geschossen, "wir möchten ihn unerkannt von hier weg bringen."
"Oh, da wüsste ich einen weg.", sagte der Priester und winkte uns, ihm zu folgen. Ich wandte mich an Quasimodo und reichte ihm meine Hand.
"Komm mit.", sagte ich.
Quasimodo zögerte zuerst, aber als er merkte, dass ich ihn urverwandt ansah, schien er zu erkennen dass er mir vertrauen konnte. Er ergriff meine Hand und wir führten ihn durch die wenigen Schattigen ecken des Doms zu einer kleinen Seitentür. Vor dieser Tür hing an der Seite eine Art Umhang, den der Priester nahm und Quasimodo überwarf. Dann öffnete der Priester die Tür.
"Ich habe nichts gesehen.", sagte der Priester und zwinkerte mir zu. Offensichtlich hatte er Quasimodo erkannt.
"Und was jetzt? Ich kann ihn doch nicht einfach mit einer Bahn zu mir nach Hause bringen!", sagte ich verzweifelt zu Jasmin.
"Warum nicht?", fragte sie und lachte.
"W-weil...", begann ich zu stottern und blickte verlegen zu Quasimodo.
"Du schaffst das schon, und ich halte dir den Rücken frei.", sagte Jasmin.
Ich seufzte schwer und ließ den Kopf hängen.
"Wo bin ich?", hörte ich Quasimodo fragen.
Ich wandte mich zu Quasimodo um: "Erinnerst du dich nicht, in was für einer Zeit du bist? Im 21. Jahrhundert.", sagte ich.
Quasimodo sah sich staunend um. Er hatte, als er diese Welt betreten hatte, sich nicht so sehr mit der Umgebung auseinander gesetzt. Jetzt aber sah er überall den Boden mit grauem Stein gepflastert und seltsame Transportmittel, kleinere auf dem Leute saßen, die andere Leute transportierten in einem Kutschen ähnlichen Gefährt. Und dann gab es große, glänzende Gefährten auf 4 Rädern die wie von Geisterhand zu fahren schienen. Davon waren ganz viele hier unterwegs. Sie machten großen Lärm und schienen die Luft zu verpesten.
Ist das die Zukunft? So wird es eines Tages auch in Paris zugehen? Quasimodo hatte einmal von Cölln gehört. Das war eine große Stadt, ähnlich wie Paris, aber dass hier eine so mächtige Kathedrale stand war ihm unbekannt gewesen. Vielleicht war die Kathedrale erst nach dem 15. Jahrhundert gebaut worden. Quasimodo folgte den beiden Frauen, denn er wusste sonst nicht, was er tun sollte. Quasimodo war Taub, aber er konnte gewisse Geräusche hier draußen noch ganz leise hören, das bewies ihm, wie laut diese Zeit war. Die beiden Frauen brachten ihn in ein Gebäude, dass nicht so Hoch wie die Kathedrale war,  sich aber schräg gegenüber von ihr zu befand. Als sie das Gebäude mit dem runden Dach betraten, kamen ihnen mehr Menschen entgegen, als bei dem Fest der Narren in Paris auf der Straße war. Er folgte den beiden, sie gingen immer stur gerade aus und das Gebäude schien fast endlos lang, bis sie das andere ende des Gebäudes erreichten und hier eine Treppe hinaufstiegen. Als sie oben ankamen, sah er riesige, lange Metallene Dinger die sich auch wie von selbst fortbewegten.
"Das ist eine Bahn. Ein Transportmittel für uns Menschen. Sie werden mit Blitzen betrieben.", sagte Regina, um ihm das zu erklären, sodass er es verstand. Etwas konnte mit blitzen betrieben werden? Nicht zu fassen.

Ich stieg mit Jasmin und Quasimodo in eine Bahn Richtung meines Zuhauses. Ich lebte in einem der vielen Bezirken von Köln. Ich war die ganze zeit darauf bedacht, das keiner ihn sah, also sein Gesicht, damit wir nicht noch eine Schlägerei oder schlimmeres provozierten. Quasimodo leistete keinen widerstand, als wir einstiegen und er schwieg, bis wir wieder ausstiegen. Quasimodo schien wohl begriffen zu haben, dass er besser kein aufsehen erregt. Wir gingen den ca. 10 Minütigen Fußweg zu meinem Haus. Mir war bewusst, dass ich, sobald ich die Wohnung betrat, ich eine GUTE Erklärung dafür haben musste, einen fremden in die Wohnung mit zu bringen. Denn ich lebte nicht allein hier. Ich lebte mit meiner Mutter hier. Sie ist sehr eigen, was "Besuch" betrifft. Sie wusste zwar, dass Jasmin nach Köln kommt, aber Quasimodo war nicht geplant.
Ich steckte also den Schlüssel ins Schloss und schloss auf. Wir traten ein, erst ließ ich Jasmin ein, die geradeaus zu meiner Mutter lief, die auf ihrem Bett saß und Jasmin schon die Hand entgegenstreckte. Ich entgegen bog mit Quasimodo rechts in mein Zimmer ab. Ich setzte Quasimodo auf meinem Sofa ab und wollte dann einen Blick auf Quasimodos Verletzungen werfen.
"Regina?!", hörte ich meine Mutter rufen.
"Moment!", rief ich zurück.
Doch meine Mutter, so ungeduldig und neugierig wie sie ist, kam an meine Zimmertür und begann in einem erbosten Ton: "Du kannst doch deine Freundin nicht vorschicken und...", sie unterbrach ihren Satz, als sie Quasimodo sah.
"Das ist ein schlechter Scherz, oder?", sagte meine Mutter fassungslos.
"Nein, ist es nicht. Er ist echt und er ist hier. Er ist verletzt, ich brauche einen Verband.", sagte ich.
Es passiert äußerst selten, dass etwas meiner Mutter die Sprache verschlägt. Doch dass Quasimodo in meinem Zimmer sitzt, ließ ihr definitiv keine andere Möglichkeit. Fast schon Mechanisch holte sie einen Verband aus dem Badezimmer und reichte ihn mir. Ich legte eine Kompresse auf Quasimodos Stirn und begann dann seinen Kopf zu verbinden. Dann deutete ich Quasimodo sich hinzulegen. Das Sofa war gerade mal groß genug, um Quasimodo, wenn er auf der Seite lag, platz zu geben. Dann verließ ich mit meiner sprachlosen Mutter das Zimmer. Wir gingen ins Wohnzimmer, wo wir uns an den Tisch setzten
"D-das ganze m-muss ein T-traum sein!", brach es plötzlich aus meiner Mutter heraus.
"Nein, ist es nicht. Ich selber wollte es zuerst nicht glauben, bis ich ihn berührt habe. Da war mir klar, er ist echt und wirklich hier."
"A-aber wie? Und wieso?", fragte meine Mutter.
"Er konnte uns nur erzählen, dass er nach Esmeraldas Tod als er sich zum Sterben neben sie legte plötzlich auf dem Domplatz auftauchte.", erklärte Jasmin.
"Und was jetzt?", fragte meine Mutter.
"Keine Ahnung. Wir finden bestimmt einen Weg, ihn zurück zu bringen. Aber jetzt muss er sich erstmal erholen. Er ist auf dem Domplatz von einer Menschenmasse verprügelt worden.", sagte ich und senkte den Kopf.
"Es wäre besser. Wer weiß was passiert, wenn er hier bleibt. Also wenn ich da z.b. an Catweazle denke...", sagte meine Mutter und lachte.
Ich öffnete die Balkontür und trat hinaus. Ich sah nachdenklich in den Himmel. In mir keimte der Wunsch auf, Quasimodo hier zu behalten. Aber ich schüttelte den Kopf, um diesen Gedanken wieder los zu werden. Er konnte nicht bleiben. Er gehörte hier nicht her. In dem Punkt hatte meine Mutter recht. Wer weiß, was dann passieren wurde. Trotzdem konnte ich mir ein schmunzeln nicht verkneifen, aufgrund der Reaktion meiner Mutter auf die Story. Wäre es war anderes gewesen, wäre sie in die Luft gegangen vor Wut. Aber Quasimodo... meine Mutter hatte mich damals mit seiner Geschichte erst vertraut gemacht und meiner Glöcknerphobie damit den ausschlaggebenden Anstoß gegeben. Sicher würde sich ein Weg finden, Quasimodo zurück zu schicken. Irgendwie...

Der Glöckner und ichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt