6 | Das Verlangen

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»Miss Farrell?«

Ana drehte sich zu Clifton um, doch noch immer konnte sie nicht fassen, was er ihr soeben erzählt hatte; doch noch schlimmer war es, dass sie es Drew direkt zutrauen würde, den Butler umgebracht zu haben.

Für ein Stück Papier.
Für einen einzigen Satz: „Er betrügt dich, Lisa."
Wäre Drew dafür skrupellos genug?
Weswegen sollte er Angst davor haben, dass der Brief in ihre Hände gelangt?

Der Sitz in der Firma war ihm, als Schwiegersohn von Roy, doch sicher. Lisa war zwar seine Tochter, doch sie hatte kein Interesse an der Firma, also was wäre der Grund für Drews Tat?

»Miss Farrell, geht es Ihnen nicht gut? Soll ich Ihnen ein Glas Wasser holen?«, holte sie die Stimme von Clifton Fox erneut aus den Gedanken.

Ana sah ihn an und nickte nur - eher mechanisch; denn viel hatte sie von dem Gesagten nicht mitbekommen. Viel zu sehr beschäftigten sie ihre Gedanken. Als sie jedoch bemerkte, dass Clifton sich von ihr entfernte und Richtung Haus lief, fiel sie auf die Knie und schlug ihre Hände vors Gesicht.

Nie hätte sie gedacht, dass sie mal in so eine prekäre Situation kommen würde.
Nie hätte sie geglaubt, dass diese Familie ein so dunkles Geheimnis hegen würde, dass sie selbst vor einem Mord nicht zurückschrecken würden.

»Ana! Oh Gott, liebes«, rief ihr Vater, als er sie auf dem Boden sah und sie bitterlich weinte.

Er legte beschützend seinen Arm um sie und half ihr dabei, aufzustehen, doch Anas Beine zitterten wie Espenlaub. Sie hatte kaum noch Kraft, denn all die Eindrücke, die Emotionen und Gefühle prasselten in einer Tour auf sie ein.

Krampfhaft hielt sie sich ihre Hände an den Kopf, der so stark pochte, dass ihr schlecht wurde. Sie wusste nicht, wann sie sich zuletzt so mies gefühlt hatte, sofern es ihr überhaupt schon mal so schlecht ging.

Sie drückte ihren Vater zur Seite und beugte sich nach vorne. Ihre Hände stützte sie an ihren Beinen ab, während sie alles herausließ. Es war nicht viel, aber genug, um sich hundeelend zu fühlen.

Ihr Vater strich ihr beruhigend über den Rücken und seufzte hörbar. Selbst er war den Tränen nahe. Seine Tochter so zu sehen, zerbrach ihm förmlich das Herz und am liebsten würde er sie aus allem heraushalten - doch das ging nicht.

»Mister Farrell, wo wollen Sie mit ihr hin?«, wollte Clifton wissen, als er mit einem Glas Wasser aus dem Haus kam und auf die beiden zulief.

»Ich bringe meine Tochter jetzt nach Hause. Die Befragungen sind zu Ende und Sie sehen doch, wie schlecht es ihr geht. Ana muss sich ausruhen«, entgegnete Harmon, wobei er Clifton mit einem finsteren Blick ansah.

»Schon gut. Ich habe Verständnis dafür. Ich werde mich melden, sofern ich mit Ihrer Tochter noch mal reden muss«, erwiderte Clifton, drehte sich dann wieder um und lief erneut ins Haus.

Harmon führte seine Tochter zu ihrem Auto. Da er mit seinem Kollegen hergekommen war, hatte er kein eigenes Auto dabei, weshalb er mit Anas Auto zurückfahren wollte. Er nahm ihr den Schlüssel ab und setzte sie schließlich auf den Beifahrersitz. Er setzte sich hinters Steuer und startete den Motor.

Etwas zu schnell fuhr er von dem Haus weg, doch er wollte dort einfach nur noch verschwinden. Obwohl er bei der Kriminalpolizei arbeitete und beinahe täglich mit Mordfällen konfrontiert wurde, ging ihm dieser Fall besonders nahe - wegen seiner Tochter.

»Du kommst jetzt erst mal mit zu uns und bleibst auch über Nacht«, sprach er ruhig, hatte seinen Blick aber starr auf die Straße gerichtet.

»Nein, Dad. Ich will einfach nur noch nach Hause, in mein Bett. Bitte«, flehte sie ihren Vater an und auch wenn es ihm nicht wirklich passte, konnte er ihr keinen Wunsch abschlagen.

Murder for love - Dark Romance-Thriller - 18+ ✔︎Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt