Mit Louis befreundet zu sein stellt sich als schwerer heraus als gedacht. So zufällig wie ich ihn beim ersten Mal in der Uni getroffen habe, laufe ich ihm nämlich die nächsten Tage nicht über den Weg und anrufen will ich ihn auf keinen Fall. Schließlich möchte ich nicht verzweifelt rüberkommen. Freunde hängen locker ab und telefonieren sich nicht gleich hinterher, wenn sie sich eine Weile lang nicht sehen. Nein, ich muss unverhofft auf Louis treffen.
Obwohl ich meinen Plan in die Tat umsetze und mehrmals pro Tag unauffällig vor den Gebäuden der Philosophischen Fakultät lese oder an einem Mehrweg-Kaffeebecher nippe, taucht kein Louis auf. Es ist wie verhext. Irgendwann bin ich das Warten leid und schlurfe in Richtung Bibliothek (sagt bloß nicht meiner Freundin Annika, dass ich einem Mann hinterher renne, eine selbstbewusste, unabhängige Frau lässt sich niemals so tief sinken!). Wenn ich in der Liebe schon kein Glück habe, dann vielleicht beruflich. Xavier und ich haben uns einen Schlachtplan überlegt, damit mein Französisch schnell besser wird und dazu gehört das Lesen eines Buchs, das ich in und auswendig kenne. Ich habe Harry Potter und der Stein der Weisen so oft gelesen, dass ich das meiste mittlerweile sogar auf Japanisch verstehen würde. Und so magische Vokabeln wie „Zaubertrank" und „Bergtroll" kann man bestimmt in allen Lebenslagen gut gebrauchen.
Tatsächlich ergattere ich das Buch (fragt mich nicht, was Harry Potter in einer Unibibliothek zu suchen hat) und möchte mich gerade in einen gemütlichen Sessel fallen lassen, als ich eine Pinnwand mit Aushängen entdecke.
„Tanz mit den Dance Monsters", steht da zum Beispiel, oder „Schach für Anfänger". Sogar einen Club, der gemeinsam Hunde aus dem Tierheim ausführt und einen für gemeinsames in die Sterne gucken gibt es. Der Zettel, der meinen Blick einfängt, kündigt allerdings das „Radio Internationale" an, das internationale Radio. Neugierig lese ich mir den Text durch.
Wolltet ihr schon immer mal on air gehen, aber wusstet nicht wie? Träumt ihr davon, eure Zuhörer mit cooler Musik, packenden Geschichten und süßen Akzenten aus aller Welt zu begeistern? Dann tretet unserem Radiosender bei! Betrieben von Studenten und Studentinnen aus aller Welt wurde er bereits zum zweiten Mal in Folge zum angesagtesten Sender der Uni gewählt. Wenn du kreativ bist, melde dich bei uns. Wir freuen uns auf dich! Deine Radiocrew
Darunter sind eine E-Mail-Adresse und eine Handynummer aufgelistet. Ich photographiere den Aushang mit meinem Smartphone. Klingt wie die ideale Beschäftigung für mich. Sie lenkt mich nicht nur von Louis ab, sondern hilft mir bestimmt, mein Französisch zu verbessern. Wenn ich im Radio zu hören bin, werde ich vorher wie besessen üben, damit ich mich nicht blamiere. Einen besseren Tritt in den Hintern gibt es nicht. Was für packende Geschichten sie wohl erwarten? Vielleicht interviewen sie Wanderer, die sich im Schneesturm verlaufen haben oder die Weltrekordhalterin im Kuchenbacken? Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, als es herauszufinden.
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„Willkommen in unserem Studio! Ich bin Ajeet, der Chef. Super, dass du bei Radio Internationale mitmachen möchtest!", begrüßt mich ein rundlicher, indischer Student mit einer charmanten Zahnlücke. „Schnapp dir einen Stuhl im Green Room und sag den anderen schon mal Hallo, wir warten nur noch ein paar Minuten bevor wir anfangen. Der Green Room ist das Wartezimmer neben dem Studio."
Ich atme tief durch und betrete den Green Room, der passend zu seinem Namen tatsächlich grün angemalt ist. Im Stuhlkreis sitzen bereits drei Studenteninnen und zwei Studenten, die mich freundlich anlächeln.
„Hi, ich bin Julie!", stelle ich mich vor und geselle mich zu ihnen. „Tut mir leid, mein Französisch ist noch nicht perfekt."
„Ach, meins auch nicht", erklärt mir eine chinesische Studentin und reicht mir die Hand. „Ich bin Li. Das hier sind Mercedes, Tanya, Gurmandeep und Taylor."
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Verliebt in einen Québécois
Lãng mạnBand 1 der "BOYS AROUND THE WORLD" Reihe: Julie freut sich wahnsinnig darauf, ihr Auslandssemester in Kanada zu verbringen. Nur blöd, dass ihre Uni sie statt ins hippe Vancouver ins schläfrige Québec schickt. Dort sprechen die Leute nicht nur Fran...