8 | Welcome to the jungle

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Xavier pfeift anerkennend durch die Zähne, als Soleil und ich uns mit ihm vor dem Gemeinschaftshaus treffen, in dem die Party stattfindet. „Ihr habt euch ja ganz schön herausgeputzt!", lobt er uns. Soleils Wangen röten sich. So wie sie Xavier abcheckt, findet sie ihn heiß. Kein Wunder, denn sein halb offenes, weißes Hemd gibt den Blick auf seinen durchtrainierten Oberkörper frei. Hoffentlich kann sie sich zusammenreißen, bis Louis Xavier und mich zusammen gesehen hat.

„Dann mischen wir die Party mal auf!", fordert Soleil uns auf, während sie Xavier und mich Richtung Eingangstür lotst. „Begrüßen wir das neue Semester, bevor wir in Hausarbeiten ertrinken."

Gesagt, getan. Im Gemeinschaftshaus der Sprachenstudenten schlägt uns ausgelassenes Stimmenwirrwar entgegen. Grüppchen schick zurechtgemachter junger Frauen und Männer stehen im Versammlungsraum am Rand der Tanzfläche und nippen lachend an ihren Cocktails. Der DJ ist noch nicht da, denn noch dudelt langweiliger Allerwelts-Pop aus einem Radio und auch sonst könnte die Party einen ordentlichen Energie-Boost vertragen. Die Deko überzeugt allerdings auf ganzer Linie. Von der Decke über der Bühne hängen Lianen und Blattwerk herab, auf der Tanzfläche liegt überall grünes Konfetti, der Tisch mit den Snacks bietet neben zu Schlangen angeordneten Donuts auch Gummibär-Spinnen und Softdrinks in Regenbogenfarben und an den Wänden hängen Poster mit Motiven aus dem Dschungelbuch. Sogar ein riesiger Plüschgorilla thront in der Ecke.

„Mist, wir hätten eine Stunde später kommen sollen!", murmelt Soleil und lässt die Schultern hängen. Xavier klopft ihr aufmunternd auf den Rücken. „Ist doch nicht schlimm. Warum holen wir uns nicht ein paar Cocktails und unterhalten uns? Partys sind toll, aber so richtig gut lernt man sich nur kennen, wenn man nicht ständig von wummernden Bässen übertönt wird."

Soleils Mine hellt sich auf. Es gibt schließlich Schlimmeres, als die Wartezeit mit einem süßen Typen zu überbrücken. Und Soleil steht wirklich auf Xavier, denn sie hört nicht auf zu kichern, als sie an der Bar einen „Sex on the beach"-Cocktail bestellt, während Xavier und ich uns eine „Bloody Mary" genehmigen.

„Ihr wohnt also gemeinsam im Wohnheim neben dem Sportplatz?", hakt Xavier nach, nachdem wir uns in einer Ecke auf ein Sofa gequetscht haben.

Soleil nickt. „Im gammligsten Wohnheim der ganzen Uni, aber dem mit den besten Leuten. Ist allerdings ein reines Frauenwohnheim."

„Wie schade." Xavier grinst und seine dunklen Augen leuchten auf. „Ich wohne in einer gemischten WG mit Jungs und Mädels. Wir haben uns gefunden, weil wir alle Sportler sind. Irgendjemand trampelt immer um sechs Uhr morgens durchs Haus, weil er oder sie joggen gehen möchte. Wir anderen joggen dann einfach mit."

„Ich mache auch Sport!", versichert Soleil ihm sofort, überkreuzt hinter ihrem Rücken jedoch zwei Finger. Sie lügt wie gedruckt. Mich findet man zwar auch nicht jeden Tag im Fitnessstudio, aber Soleil besitzt nicht mal Laufschuhe. Letztens hat sie sogar betont, was für eine Zeitverschwendung Sport sei, als zwei unserer Mitbewohnerinnen mit einem Volleyball unter dem Arm die Treppe hinuntergekommen sind. Sie gehöre nämlich zu den glücklichen Menschen, die auch so schlank blieben. Naja, wenn sie Xavier beeindrucken will, werde ich sie bestimmt nicht verpfeifen. Und wer kann es ihr verübeln? Xavier ist lustig und interessant und ich kann mich nicht erinnern, wann ich mich zuletzt so locker mit einem Vertreter der XY-Population unterhalten habe. So vergeht die Zeit wie im Flug und eine Stunde später ist das Gemeinschaftshaus zum Bersten gefüllt. Nun klettert auch ein DJ auf die kleine Bühne im Raum und greift nach dem Mikro.

„Herzlich willkommen, liebe Party Animals! Gleich steigt die wildeste Semesteranfangsparty in ganz Québec, dieses Mal unter dem passenden Motto „Welcome to the jungle"! Fühlt euch wie zu Hause und lasst es krachen!"

Die Menge jubelt und der DJ legt die erste Platte auf, die „Let's get this party started" von Pink spielt. Sofort stürmen etliche Partygänger die Tanzfläche, was Soleils Augen aufleuchten lässt. „Kommt ihr?", drängelt sie und zieht mich am Arm.

Ich schüttele den Kopf. „Ich muss Louis suchen! Er müsste eigentlich längst hier sein!"

Xavier nimmt nun meinen anderen Arm. „Schlechte Idee. Wenn du dir einen Typen angeln willst, darfst du ihm nicht verzweifelt hinterherlaufen. Am leichtesten beißen die Männer in Québéc an, wenn sie sehen, dass du auch ohne sie Spaß hast. Nichts ist heißer als eine unabhängige Frau, die mit ihren Freunden die Nacht erobert!"

„Du hast recht. Wenn er mit mir tanzen will, muss er mich suchen!", antworte ich selbstbewusst. Die beiden Cocktails von vorhin verleihen mir dank des Alkohols einen ordentlichen Schub an Selbstbewusstsein.

Mit Soleil und Xavier an meiner Seite schlängle ich mich zur Bühne durch und wir fangen an, uns im Rhythmus der Musik zu bewegen. Xavier kennt einige echt coole Dance Moves, während Soleil und ich mehr hin und her schaukeln als tanzen. Egal. Hauptsache, Spaß haben. Nach ein paar Minuten haben wir uns aufgewärmt und singen mit, wenn „Heart to break" von Kim Petras oder „Flowers" von Miley Cyrus gespielt werden. Plötzlich reicht der DJ Soleil und mir je eine Hand und zieht uns zu sich auf die Bühne, wo wir mit ihm ausgelassen weitertanzen. Soleil und ich fassen uns an den Händen. Das Licht der Discokugel an der Decke streift mein Gesicht und in mir beginnt ein Feuer zu flackern. Wahnsinn. Ich tanze vor einer feiernden Menge auf einer Bühne, und zwar in einem Knalleroutfit, in dem ich mich wunderschön und sexy fühle. Beschwingt drehe ich mich um die eigene Achse und singe gemeinsam mit Soleil aus voller Kehle „I can buy myself flowers". Die Welt um mich herum dreht sich und verschwindet in einem Strudel aus Farben und Formen. Adrenalin rauscht durch meine Adern und mein Herz rast. Noch nie habe ich mich so lebendig gefühlt. Und plötzlich sehe ich ihn.

Unvermittelt halte ich inne, denn Louis steht direkt vor der Bühne und starrt mich mit weit aufgerissenen Augen an. Dann streckt er mir seine Hand entgegen, um mich zu sich herunterzuziehen.

„Überrascht?", frage ich keck und klimpere mit den Wimpern.

Louis nickt stumm und legt seine Arme um mich. Er zieht mich so nahe zu sich heran, dass ich seinen heißen Atem auf meiner Wange spüre.

Zärtlich streiche ich ihm eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht und lehne meine Stirn an die seine. Wir sind uns so nahe, dass ich seinen Herzschlag spüre. Und dann passiert es einfach: Louis Lippen legen sich sanft auf die meinen und erkunden sie, erst sanft, dann stürmisch. Ich erwidere den Kuss und genieße seine weichen und warmen Lippen. Wir umschlingen uns und verschmelzen zu einer Einheit, während ich innerlich glühe. 


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Oh Canada, die Community Ecke

Seid ihr überrascht von Louis Reaktion?

Wie geht es jetzt mit Julie und Louis weiter? Werden sie zu einem Traumpaar oder bleibt der Kuss auf der Party eine Ausnahme?


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Verliebt in einen QuébécoisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt