Die nächsten Tage stopfe ich mir meinen Terminkalender so voll wie möglich, um die Sache mit Louis zu vergessen. Zwischen uns knistert es wie verrückt, aber er muss sich ja beherrschen, weil ich im Februar zurück nach Deutschland fliege. Na toll. Mein Plan, ihn schick zurechtgemacht beim Poutine-Essen zu erobern, ist jedenfalls grandios fehlgeschlagen.
„Kopf hoch, fast hättest du ihn um deinen Finger gewickelt", muntert Soleil mich auf, während sie die Wohnungstür hinter uns abschließt. „Ewig wird auch der brave Louis sich nicht zurückhalten können, er ist schließlich immer noch ein Mann."
Ich seufze. „Louis ist der schlimmste Gentleman, der mir je unter die Augen gekommen ist. Ich wette, die Kanadier in den englischsprachigen Provinzen sind nicht so traditionell drauf. Die ganzen Ice Hockey Spieler und Skaterboys haben doch bestimmt eine Affäre nach der anderen."
Soleil lacht. „Da hast du recht. Man merkt eben doch, dass unsere Vorfahren Franzosen sind. Verschlossen, geheimnisvoll, dramatisch. Dafür hast du einen treuen Partner für Leben, wenn du dir einen Québécois angelst."Soleils Bemerkung erinnert mich an etwas. „Mist, ich muss unbedingt mit meinem Beitrag für das Studentenradio anfangen!" Hektisch krame ich meinen Kalender aus meinem Rucksack hervor und suche nach der Deadline. Verplant wie ich bin, ist die natürlich schon in drei Tagen, nach dem Wochenende. „Was für ein Mist! Du musst mir unbedingt dabei helfen, ein paar Traditionen auszugraben, bei denen Ausländer garantiert ins Fettnäpfchen treten!", bettle ich und Soleil sagt lachend ja. Außerdem schlägt sie vor, gemeinsam mit Xavier auf Fettnäpfchenjagd zu gehen. Er gefällt ihr offenbar, auch wenn er auf Jungs steht.
*
Xavier ist sofort dabei, als wir am Samstag die Ausrüstung am Radiosender abholen. Gurmandeep zeigt uns kurz, wie man das Aufnahmegerät verwendet, dann sausen wir los. Wir wollen so viele interessante Fettnäpfchen wie möglich finden, damit ich sie dann live im Radio präsentieren kann. Das wird eine super Übung für später, wenn ich als Auslandskorrespondentin fürs Fernsehen arbeite. Leute unterhalten konnte ich schon immer, jetzt muss ich nur noch die passenden Hintergrundinfos finden.
„Hast du ein Glück, dass wir dir als waschechte Québécois zur Seite stehen!", verkündet Xavier fröhlich, während wir Richtung Altstadt laufen. „Auch wenn ich in Montréal geboren wurde und damit mehr unter den bösen englischen Einflüssen gelitten habe als die Leute hier. Québec Stadt ist so typisch Québec wie es nur irgendwie geht. Die Einwohner verteidigen ihre Sprache und ihre Kultur mit Zähnen und Klauen."
Ich nicke. „Das muss man wahrscheinlich auch, wenn man als kleine Provinz an die USA grenzt. Wenn die Teenies in Deutschland schon anfangen, Denglisch zu sprechen, wie muss es dann erst hier sein?"
Soleil klopft sich auf die Brust. „Deswegen hat man hier Englisch als Amtssprache abgeschafft", erklärt sie mir und man kann ihr ansehen, wie stolz sie auf ihre kleine widerspenstige Heimatprovinz ist. „In allen anderen Landesteilen Kanadas gibt es zwei offizielle Sprachen, nur hier haben wir uns erfolgreich gegen Englisch gewehrt. Mal abgesehen davon, dass wir unsere eigene Nationalversammlung haben und 1995 die Abstimmung für unsere Unabhängigkeit von Kanada um nur einen halben Prozentpunkt verloren haben."
Soleils Augen glänzen und es ist nicht schwer zu erraten, wofür sie gestimmt hätte, wenn sie damals alt genug gewesen wäre. Xavier dagegen schüttelt den Kopf.
„Damit wären wir baden gegangen", erklärt er und klingt felsenfest überzeugt. „Wie sollen wir uns denn bitteschön als Ministaat gegen die USA behaupten? Was ist mit der Wirtschaft? Heimatliebe schön und gut, aber man muss auch mal realistisch sein."
Ich notiere mir den Streit gedanklich. Mit den Québécois über Nationalstolz reden stellt ohne Zweifel das erste Fettnäpfchen dar. Sagt man das Falsche, ist man bei vielen hier unten durch, denn die Menschen lieben und vergöttern ihre Heimat. Auch wenn Soleil und Xavier sich nicht ganz einig sind, wie weit diese Heimatliebe gehen soll.
DU LIEST GERADE
Verliebt in einen Québécois
Roman d'amourBand 1 der "BOYS AROUND THE WORLD" Reihe: Julie freut sich wahnsinnig darauf, ihr Auslandssemester in Kanada zu verbringen. Nur blöd, dass ihre Uni sie statt ins hippe Vancouver ins schläfrige Québec schickt. Dort sprechen die Leute nicht nur Fran...