26. das Protokoll

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Brunchen war noch nie mein Ding. 11:00 Uhr ist für die erste Mahlzeit des Tages zu spät, aber dennoch zu früh, um deftige Spaghetti Carbonara zu bestellen. Daher entscheide ich mich für tripple Chocolate Bubble Waffles mit Erdbeeren.

»Weißt du, was mich wundert?«, beginnt Anthony. Ich tauche ein großes Stück Waffel in die Schokoladensoße und schüttel den Kopf.

»Diese ganze Chris und Ness Sache... Ich habe gestern von Alice gehört, dass Ness als Ballkönigin antreten will.« Anthony verzieht angewidert das Gesicht. »Angeblich gab es deswegen gestern auf Jetts Party einen Streit zwischen ihr und Chris.«

Die Gerüchte, von denen mir Anthony erzählt, sind wahr. Ich weiß es, weil mich Chris gestern mitten in der Nacht versucht hat, anzurufen. Da er jedoch nicht Alison anrief, sondern Lilly, landete er nur in meiner kleinen App.

Als ich heute früh die hinterlassende Nachricht fand, dachte ich, es wäre etwas passiert. Warum sollte mich Chris sonst um 4:37 Uhr morgens anrufen? Ich hatte nicht mit der dreiminütigen Aufnahme eines betrunkenen Chris gerechnet, in der er dummes Zeug labert.

Ich musste mir die Nachricht öfters anhören, um zu verstehen, was er mir berichtete. Vor allem beschwerte sich Chris über Ness und erzählte, dass sie unbedingt Ballkönigin werden will. Dann gestand er, dass er sich einsam fühlte, aber Angst hat Alison anzurufen, weshalb er mich anrief. Darauf murmelte er nur unverständliches Gebrabbel, was mir ein Lachen beim Anhören entlockte.

Ich weiß bereits von Alison, dass er einen Hang zur Dramatik hat, besonders wenn er betrunken ist. Mich würde es nicht wundern, wenn er heute nicht mehr weiß, dass er mich angerufen hat.

Ich zucke als Reaktion auf Anthonys Aussage mit den Schultern. »Ness ist Head Cheerleaderin und Chris der Quarterback. Wer hat bessere Chancen als sie?«, frage ich unbeeindruckt. Chris hat mich gebeten, Anthony nicht zu viel von ihm und Ness weiter zu erzählen. Er will nicht, dass Ness durch Gerüchte verärgert wird.

»Hast du Tomaten auf den Augen? Jeder kann sehen, dass die zwei sich nicht leiden können«, sagt er erhitzt.

»Tja und dennoch sind sie das Traumpaar der Schule«, versuche ich ihn zu besänftigen.

Anthony vermutet hinter meiner diplomatischen Haltung etwas anderes. »Ach komm schon, Lilly«, beginnt er genervt. »Du musst nicht immer so korrekt sein. Du kannst auch mal schlecht über jemanden reden, besonders wenn es Ness ist.«

Ich lache auf. Irgendwie fühle ich mich geschmeichelt, dass Anthony mit mir lästern will. Anders als er wittere ich jedoch nicht hinter jeder Ungereimtheit eine Verschwörung. Auch wenn er in diesem Fall richtig liegt.

Dennoch versuche ich, Anthony für dieses Gespräch ein bisschen entgegenzukommen.

»Na gut, wenn es dir so viel bedeutet.« Ich lege mein Besteck beiseite und verschränke interessiert die Finger. »Es ist offensichtlich, dass zwischen Ness und Chris etwas faul ist. Was denkst du, könnte es sein?«

Anthonys Miene erhellt sich und das warme Funkeln leuchtet in seine Augen. »Das ist eine gute Frage, Lilly. Ich glaube, Folgendes ist der Fall.« Anthony lehnt sich näher zu mir und senkt die Stimme. »Ness erpresst Chris.«

Überrascht reiße ich meine Augen auf und ich lache in mich hinein. Eines muss man Anthony lassen. Er mag zwar aus Mücken Elefanten machen, aber nichtsdestotrotz hat er ein gutes Gespür für Menschen.

»Mit was sollte sie ihn erpressen, Mister Sherlock?«, frage ich und Anthony steigt mit britischen Akzent ein.

»Das ist die Frage, Doktor Watson. Wo hat Chris Sinclair eine Leiche vergraben?«, sagt er theatralisch und ich zucke mit den Schultern.

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