Zwischen Himmel und Erde

11 2 0
                                    

Es war eine befremdliche Situation.

Sanna war erleichtert gewesen, dass Leda sich ihnen angeschlossen hatte, doch ihre Schwester blieb reserviert und zurückgezogen. Nachdem sie sich von Filcusus verabschiedet hatten, wurden sie von den Ælfen aus dem Wald begleitet.

Eine seltsame Melancholie hatte sie ergriffen, als sie das Ælfenreich verließen. Hier hatte sie sich sicher und wohl gefühlt, wie schon lange nicht mehr. Als hätte eine magische Unbeschwertheit auf ihr gelegen und der Zeit ihrer Rolle beraubt. Dieses Empfinden war nun plötzlich von ihr abgefallen und sie fand sich wieder in einer tristen und ungerechten Welt.

Sanna erinnerte sich an die seltsam verschleierten Augen des Alten und die Berührung ihrer Hände, als er ihr sagte, sie solle auf ihren Instinkt hören. Sie verstand nicht, was der Mensch damit gemeint haben könnte.

Hörten sie nicht immer alle auf ihren Instinkt?

War das nicht die Stimme, die sie stets leitete?

„Ihr seht besorgt aus", sprach Avis leise und da wurde ihr erst bewusst, dass er sie beobachtet hatte.

„Wie ist der Ort, an dem der Magier wohnt?", fragte Sanna und versuchte, ihre Gedanken auf das Kommende zu lenken und das Vergangene ruhen zu lassen.

„Es gibt eine Festung in den Bergen", erklärte Avis. „Ähnlich wie die Ruine Enoria."

„Wie können wir dort hineingelangen?"

„Nun, für Euch und Eure Schwester sollte es ein Leichtes sein", gab Avis zu. „Vielleicht kann ich mich als Anwärter für seine Streitmacht ausgeben, wir werden es sehen, wenn wir dort sind."

„Werdet Ihr den Magier töten?", erklang Ledas schneidende Stimme von hinten.

Avis wandte sich zu ihr um und Sanna sah den Widerwillen in dessen Gesicht.

„Er kann nicht getötet werden", antwortete Sanna sofort.

Überrascht blieb Leda stehen und sagte dann: „Jeder muss sterben."

„Er hat einen Zauber gemacht", versuchte Sanna zu erklären, „Filcusus hat es uns gesagt."

„Wir gehen zu ihm um ... um uns zu unterwerfen?", schloss Leda und sah die beiden an. „Ist das Euer Vorhaben?"

Sanna wandte sich ernst zu ihrer Schwester um, doch dann blieben ihr die Worte im Halse stecken. Sie sah Leda an und wusste sofort, dass auch sie es gehört hatte. Ein Schrei in der Ferne, der die beiden Sangotinnen innehalten ließ. Wie ängstliches Wild starrten sie in den Himmel. Avis' Blick folgte ihren.

„Was?", fragte er sofort, denn er wusste inzwischen, dass die Sinne der beiden Frauen seinen weit voraus waren. „Was hört-"

Ein Schrei erklang, ähnlich dem eines Falken, nur viel dunkler. Dann huschte ein riesiger Schatten über die Landschaft hinweg.

„FLIEH!", brüllte Leda und zerrte an Sannas Arm.

Sanna zögerte jedoch und wandte sich um.

„AVIS", rief sie, doch dieser war damit beschäftigt sein Pferd zu bändigen.

„SANNA LAUF!"

„ABER AV-"

„LAUF!"

Ein Schatten verdunkelte die Sonne, als eine riesige Kreatur brüllend vor ihnen landete. Sanna hatte noch nie einen wahrhaftigen Drachen gesehen, doch sie erkannte sofort, dass es sich hierbei um einen handelte.

Gefährlich fauchend fixierte das Wesen die Sangotinnen und ihnen blieb nichts anderes übrig, als die Gestalt zu wechseln. Es war Zufall, dass sie sich beide in kleine Mauswiesel verwandelten. Aus dem Instinkt heraus flüchteten sie in unterschiedliche Richtungen, was den Drachen für einen kurzen Moment verwirrte. Dann spie er Feuer auf die Stelle, an der die Sangotinnen verschwunden waren. Sanna schlängelte sich zwischen dem Gras hindurch. Ihr kleines Herz pochte schnell und heftig und schließlich erreichte sie einen Baumstamm, hinter dem sie Deckung fand.

Die Flamme MajorsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt