Cards Reshuffled
Kapitel 15
Arthur
4. September 2023
Nahe Genua, Italien
6:33 Uhr
„Hey!", wurde er von jemandem aus etwas gerissen, was man kaum als Schlaf bezeichnen konnte.
Dabei war er so schrecklich müde und wollte am liebsten bloß noch seine Ruhe haben. Völlig egal wo er war, weshalb und überhaupt...
Es kam ihm so vor, als wäre es die schwierigste Aufgabe der Welt, einfach die Augen wieder zu öffnen. Es war bedeutungslos, dass der Boden zu hart war und alles schmerzte. Alles war ihm gleich, so lange er nur einfach hier liegen bleiben konnte.
Doch man ließ ihn nicht. Jemand war hier, sprach ihn an und im ersten Moment war er sich nicht sicher, ob das real war oder wieder alles nur in seinem Kopf stattfand.
Lieber wollte er sich in Gedanken nach Monaco flüchten. Nach Hause. Zu seiner Familie, wo alles in Ordnung war und so grausame Dinge nur in irgendwelchen Filmen stattfanden und nicht in seinem Leben.
Oder nach Norwegen.
Obwohl er die Kälte nicht mochte, aber es war Dennis' Heimat. Er war letzten Sommer mit ihm dort gewesen, hatte seine Eltern kennengelernt und rausgefunden, wie schön Norwegen eigentlich war. Da würde er nur zu gerne wieder mit ihm hin.
Sein ungebetener Gast allerdings schien andere Pläne mit ihm zu haben.
Er ließ nicht locker. Wiederholte sich mit energischer Stimme und obwohl er genau wusste, dass er direkt vor seiner Nase hocken musste, kam es ihm so vor, als wäre er ganz weit von ihm entfernt. Alles drehte sich und er konnte kaum den Kopf anheben, um sich zu vergewissern, dass ihn die vertraute und zugleich verhasste Stimme nicht trügte.
„Hm?", war alles, was er zustande brachte.
Er wollte nicht reden. Er wollte einfach hier liegen und wenigstens in seinen unruhigen Halbschlaf zurückkehren. Aber der andere ließ nicht locker, packte ihn bei der Schulter und rüttelte ihn leicht wach.
„Wach endlich auf. Er will dich jeden Augenblick sehen", wurde ihm mitgeteilt, während er sich in das Hier und Jetzt zurückkämpfte und einen verschwommenen Blick auf den Störer riskierte.
Hatte er es doch gewusst.
„Was zur Hölle willst du denn jetzt hier?", quälte er sich über die Lippen.
Seine Stimme war heißer, rau, angeschlagen von all den Strapazen. Er hörte sich kaum nach sich selbst an, allerdings war das auch nicht wichtig. Er wusste nur, dass er diesem Kerl am liebsten das Gesicht einschlagen würde und das mussten die düstersten Gedanken sein, die ihm jemals in den Sinn gekommen waren.
„Nimm's nicht persönlich, ja?"
War das Matassas beschissener Ernst? Dieser widerliche Wichser!
Er hatte für den Nachwuchs da sein sollen. Er sollte die Fahrer betreuen, ihnen helfen sich einzuleben, ein offenes Ohr haben, wann immer es ihnen schlecht ging oder sie Fragen hatten. Er sollte sie unterstützen, damit sie in ein eigenständiges Leben übergehen konnten, weg von der Heimat und er sollte ihnen helfen, mit dem ganzen Druck umzugehen.
Stattdessen verriet er sie einfach an den großen Big-Boss.
„Wie kannst du uns das antun? Was hast du nur davon, dass du dem hilfst? Ich dachte, du machst das Nachwuchsprogramm aus Überzeugung", warf er ihm also vor, wobei ihm die Stimme fast schon kläglich versagte.
Für einen Moment blieb es ruhig.
Im Grunde war es ihm auch scheißegal, was in seinem Kopf vor sich ging. Was änderte das jetzt noch, wo er in diesen Mist hineingeraten war und es keinen Ausweg für ihn gab? Zumindest sah es aktuell nicht danach aus. Das bedeutete nicht, dass er aufgeben würde, einen Weg zu suchen.
„Tja, wir haben alle unsere Probleme und es gibt für jeden ein Angebot, welches er nicht ausschlagen würde", musste Matassa auch noch irgendwelche dummen Mafia-Sprüche daherreden. Wenn seine Lage nicht so aussichtslos wäre, würde er ja drüber lachen.
„Du hilfst ihm, uns umzubringen?" Er konnte es nicht glauben. Wie konnte ein Mensch seine Ideale nur so verraten und sich einer solchen Tat mitschuldig machen? Er begriff das nicht? Natürlich war dieser alte Sack da draußen eine Legende. Allerdings eine, deren wahres Gesicht wohl niemand erkannt hatte und der nun alles in den Schmutz zog, was seine Familie im letzten Jahrhundert aufgebaut hatte. Aber egal, wie groß dieser ganze dämliche Mythos war... Wie kam man auf die verblödete Idee, einem solchen Typen bei einer so unglaublichen Tat zu helfen?
Das war vermutlich etwas, was er selbst niemals verstehen würde.
„Er will gar nicht dich umbringen. Nur Charles."
Na toll. Wenn das mal nicht beruhigend war. Und auch überhaupt nichts Neues. Das war ihm ja klar, dass es hier um Charles ging. Aber er hing nun einmal mit drin und nun, wo er hier war, war er nicht so naiv zu glauben, dass man es riskieren würde, ihn einfach laufen zu lassen. Nein, er würde sich von diesen falschen Versprechungen nicht beeinflussen lassen.
„Und das glaubst du?", konnte er nur schwach schnauben. Matassa musste doch selbst am besten wissen, mit was für einem Monster er sich hier verbündet hatte.
„Ist nicht wichtig."
Ach nein? Dann wusste er nicht, was dieses Gespräch hier überhaupt sollte und das war genau das, war er ihm schließlich ungehalten vorwarf: „Was willst du von mir?"
„Nichts. Nur ein Rat. Spiel lieber mit", kam es ernsthaft von Matassa und dieses dumme Gerede war nicht zu ertragen. Was sollte er dazu denn großartig sagen? Er war nicht der Typ, einfach mitzuspielen, wenn er so genau wusste, dass ihm das unterm Strich nichts bringen würde. Wenn überhaupt, bestand deren Gnade in einem schnellen Tod.
„Vaffanculo!"
Das platzte einfach so aus ihm heraus, doch selbstverständlich beeindruckte das Matassa nicht im Geringsten.
„Das hilft dir auch nicht."
Nachdem Matassa verschwunden war, konnte er noch einmal die Augen schließen.
An Schlaf war nach wie vor nicht zu denken, aber sie brannten so entsetzlich und er musste ihnen einfach mal eine Pause gönnen, während sein Kopf sich immer noch damit beschäftigte, was Matassa dazu bewogen hatte, hier runter zu kommen und ihn voll zu labern. Hatte der doch ein schlechtes Gewissen?
Er schnaubte.
Selbst wenn, dann war es ihm mittlerweile egal. Matassa kümmerte es ja auch nicht, was er ihnen damit antat und er war hierfür mit verantwortlich. Das konnte er ihm nicht verzeihen oder nur daran denken, sich ihm gegenüber neutral zu verhalten.
Falls es Gründe gab, die Matassa dazu bewogen, wollte er sie gar nicht wissen.
Dieser Mann zerstörte ihre Leben, tat seiner ganzen Familie und seinen Freunden damit Schrecklichen an. Wie sollte er ihn nicht verachten?
Plötzlich waren Stimmen und Geräusche zu hören.
Eigentlich fehlte ihm der Antrieb, aber er wollte schon wissen, was dort los war. Mit kaum vorhandener Kraft zwang er sich, die Augen wieder zu öffnen und sich etwas weiter in Richtung der Tür zu bewegen, die ziemlich kaputt war und ihm durchaus einen winzigen Blick nach draußen gewährte.
„Was soll das hier?", hörte er jemanden sagen und wusste natürlich sofort, dass es der Big-Boss war, wie er ihn vorhin ebenfalls schon in Gedanken genannt hatte.
„Scusa. Aber er kam uns in die Quere", hörte er einen zweiten Mann sagen, dessen Stimme ihm zwar inzwischen auch bekannt war, doch er konnte sich das Gesicht dazu nicht merken.
„Und was denkt ihr Idioten euch, was wir mit dem machen sollen?"
Mit wem? Er wollte unbedingt wissen, um wen es sich handelte, aber es war besser, wenn er sich in seinem winzigen Raum komplett ruhig verhielt.
„Er hat uns gesehen. Er hat spioniert und-", wurde eine Erklärung gestammelt, mit der sich ihr Boss offensichtlich nicht zufriedengeben wollte.
„Was für unfägige Trottel seid ihr bitte? Erst bringt ihr mir den falschen Leclerc und dann noch den hier?" Ja, offensichtlich waren dessen Handlanger nicht sehr clever. Vielleicht sein einziger Vorteil. „Das erfordert dann wohl noch eine Pressemitteilung. Ich lass mir was einfallen, wie wir ihn verschwinden lassen. Erstmal schafft ihr mir Charles her."
Er bemühte sich, einen wertvollen Blick hinauswerfen zu können und im Vorbeigehen konnte er ihn schließlich auch tatsächlich erkennen.
‚Nein... Nicht Carlos...'
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Senza Regole
Fanfiction⊱ Sie wussten wann es passieren sollte und wie es passieren sollte. Sie waren auf alles vorbereitet, hatten einen Monat Zeit, sich Pläne zu machen und alles bis ins aller kleinste Detail zu planen. Es konnte gar nichts mehr passieren und das durfte...