Big Brothers
Kapitel 14
Lorenzo
4. September 2023
Nahe Genua, Italien
6:26 Uhr
„Was ist? Sagst du mir nicht mehr, wie dämlich das alles ist?", wurde er von Charles gefragt, als er sich gegen den Türrahmen lehnte und die Arme vor der Brust verschränkte und ihm beim hektischen Rumwuseln zusah.
Vermutlich wusste Charles auch nicht so genau, was er da eigentlich machte. Seit er seinen Entschluss gefasst hatte, war er rastlos, kontrollierte dauernd, was er bei sich trug und wirkte so untypisch fahrig.
Alles in ihm wollte ihn aufhalten und ja, er würde Charles nur zu gerne wieder vorhalten, wie bescheuert das war und dass er es lassen sollte. Allerdings konnte er sich die Luft dafür im Grunde auch sparen, denn an diesem Punkt waren sie ja bereits gewesen.
„Was bringt das denn? Es ist ja nicht so, dass ich dich nicht verstehe, aber-", setzte er an und da wandte Charles sich auch schon aufgebracht zu ihm um. So kannte er Charles überhaupt nicht. Er verlor nie die Kontrolle über sich selbst, aber das alles hier trieb ihn an seine Grenzen und weit darüber hinaus.
„Was aber?"
„Wir drehen uns im Kreis."
Wenn er Charles daran erinnerte, warum er das bescheuert fand, erklärte er ihm wieder, wie unerträglich es war, was sie mit Arthur machten und dann kam man immer wieder an denselben Ausgangspunkt.
„Das ist mir bewusst", gab Charles zumindest zu und brachte ihn dazu, leise zu seufzen.
„Charles. Keiner von uns kann das ertragen. Du nicht, ich nicht und so wie du Arthur nicht leiden lassen und dabei zusehen willst, kann ich dich doch nicht einfach dahin rennen lassen", unternahm er dennoch einen letzten Versuch, Charles wachzurütteln. Er verstand vollkommen, warum Charles so handelte, nur nüchtern betrachtet brachte es gar nichts.
Wenn Charles das durchzog, dann opferte er sich vollkommen umsonst und sie hatten zu viel verloren, um sich auch nur ansatzweise damit abfinden zu können.
„Was tust du also? Mich niederschlagen? Mich irgendwo einsperren? Das könntest du tun, aber dann opferst du Arthur erstrecht. Der wird nicht lange zögern, wenn ich da nicht aufschlage", verdeutlichte Charles noch einmal, was unweigerlich geschehen würde und all das war ihm auch bewusst.
Hinzunehmen war es trotzdem nicht. Für keinen von ihnen.
Verdammt, er durfte nicht einmal daran denken, dass noch mehr schieflaufen könnte.
„Ja, am liebsten würde ich das tun", offenbarte er also. „Aber egal was ich mache, ich kann euch einfach nicht helfen. Ich kann gar nichts tun, außer zusehen."
Und das setzte ihm wirklich zu. Er war eben der Älteste von ihnen und der Abstand war etwas größer, als zu Charles und Arthur. Er hatte sie aufwachsen sehen, war immer für sie da, hatte oft auf sie aufgepasst.
„Es tut mir leid. Ich wollte nie, dass sowas passiert. Ich wollte Arthur von Anfang an da raushalten, als er mir von diesen Plänen erzählt hat", begründete Charles und schien überhaupt nicht zu sehen, dass es darum alleine gar nicht ging.
„Ich mache mir aber nicht nur Gedanken um Arthur, sondern auch um dich. Ist dir eigentlich klar, dass sich für mich nichts ändert, egal, wen von euch es trifft?", versuchte er also mal deutlich zu machen, wie unerträglich das alles für ihn war.
„Ich hab das Gefühl, ich hab als sein Bruder versagt, weil mir nichts eingefallen ist, um das zu verhindern", meinte Charles und es war kaum zu ertragen, dass er ständig sich selbst in der Verantwortung sah für Dinge, die er gar nicht beeinflussen konnte.
„Wenn du das so siehst, dann hab ich das auch", entgegnete er also.
„Hast du aber nicht", stritt Charles diesen logischen Schluss aber ab. Das war so typisch für ihn. Er wollte von seiner Familie alles fernhalten, wollte nicht, dass es ihnen mies ging und war bereit, dafür alles auf die eigenen Schultern zu laden.
Eine Eigenschaft, die in ihrer Familie tatsächlich sehr verbreitet war.
„Dann hast du es auch nicht", gab er also zurück.
„Lorenzo..."
„Ich weiß ja... Wir drehen uns im Kreis." Soweit waren sie schließlich schon. „Egal was wir uns sagen, es ändert einfach nichts. Uns geht die Zeit aus und ich will dich einfach nicht gehen lassen." Denn er wusste, was dann passierte und alles in ihm wollte das verhindern.
„Das musst du aber. Ich kann aus der Ferne nichts tun, aber ich werde alles dafür tun, dass er zurückkommt", versprach Charles ihm zwar, doch wieder ignorierte er dabei etwas, was ihm persönlich verdammt wichtig war.
„Ich hoffe du meinst, dass ihr beide zurückkommt", erinnerte er Charles also mal daran, dass es nicht nur um Arthur gehen konnte, auch wenn der gerade dringender Hilfe brauchte, als irgendjemand sonst.
Charles schien gerade etwas dazu sagen zu wollen, als sie je unterbrochen wurden.
„Und ich hoffe, dass ihr für das alles eine gute Erklärung habt", wurden sie aus ihrem Gespräch gerissen und auch ohne sich umzudrehen, ohne Charles entsetztes Gesicht zu erblicken, wusste er ganz genau, wer in diesem Moment hinter ihm aufgetaucht war.
„Mama?", brachten sie unisono über die Lippen.
Sie sah fix und fertig aus. Wütend, enttäuschend, verzweifelt.
Alles auf einmal. Sie bisschen sich auf die Lippe und wussten, dass ihre Mutter vollkommen zurecht auch wütend auf sie war. Da hatten sie einiges, was sie ihr besser erklären sollten, egal wie schwer das in diesem Moment auch sein mochte.
„Was? Dachte ihr, ihr könnt mich in Monaco sitzen lassen und mir irgendwann mal erzählen, was hier los ist, wenn es nicht mehr anders geht?"
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Senza Regole
Fanfic⊱ Sie wussten wann es passieren sollte und wie es passieren sollte. Sie waren auf alles vorbereitet, hatten einen Monat Zeit, sich Pläne zu machen und alles bis ins aller kleinste Detail zu planen. Es konnte gar nichts mehr passieren und das durfte...