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May

Unsere Finger knoten sich ineinander und zusammen machen auch wir uns auf den Weg.

»Hast du was, was du schon immer mal in Berlin machen wolltest?«

»Dein Bett nicht mehr verlassen«, kommt es wie aus der Pistole geschossen von ihm. Ich lache auf.

»Interessant, da bin ich doch glatt dabei, holen wir erst dein Schlafzeug, dann können wir direkt aufbrechen.«

»Das steht oben im Studio.«

»Du hast das geplant?«, frage ich grinsend.

»Klar, du dachtest doch nicht, dass ich nicht jede Minute, die wir haben mit dir allein verbringen möchte, Arbeit ist oft genug. Dich habe ich nur selten für mich.« Er gibt mir einen Kuss auf die Stirn, bevor er sich nochmal auf den Weg nach oben macht.

Ich texte in der Zeit Lottie, in der Hoffnung, dass sie zuhause ist.

„Jonas schläft heute bei uns, hast du damit ein Problem, wie sieht die Wohnung aus?"

Nur wenige Sekunden später antwortet sie.

„Soll ich auswärts schlafen? Ich frage direkt mal Paula, sie hat sicher nichts dagegen. Aufgeräumt wie immer. Viel Spaß euch, und verhütet gut. Auf Jonas Junior hast du und er noch keine Lust."

„Danke dir, haha das brauchst du mir nicht sagen." Ich lächle in mich hinein.

»Wem textest du?«,fragt er, als er wieder rauskommt, vollgepackt mit seiner großen Sporttasche. Da die Koffer bereits in den Tourvan gebracht wurden.

»Lottie, sie schläft auswärts, wir haben die Wohnung für uns.«

Er lächelt sanft.

»Wir müssen also nicht leise sein, schön. Wollen wir?«, fragt er. Und wir setzen uns in Bewegung. Ich boxe ihn gegen den Oberarm.

»Ich habe keine Lust von unserem Nachbarn am nächsten morgen angesprochen zu werden, ihr hattet aber heute nacht sichtlich Spaß, man hat es gehört.«

»Wie oft kommt das denn vor, dass du weißt, wie deine Nachbarn reagiert.«

Schockiert schaue ich ihn an und laufe rückwärts vor ihm. Bitte keine Stolpersteine, die ich so nicht sehen kann, flehe ich.

»Na hör mal.«

»Du bist diese Nachbarin.« Er prustet los.

Ich schüttle ungläubig den Kopf.

Neben uns brausen die lauten Autos an uns vorbei. Die Tram Haltestelle ist nur wenige Meter von den Studios entfernt. Ein entspannter Spaziergang zwischen Kreuzberg und Friedrichshain. Bis wir schließlich an der Haltestelle sind und die nächste M10 Richtung Turmstraße nehmen. Knapp 40 Minuten später stehen wir vor meinem Lieblingssushiladen in meinem Kiez und bestellen zwei große Menüs zum Mitnehmen. Die Sonne scheint zwischen den alten Linden hindurch und spendet noch immer etwas Wärme an diesem saftigen Sommerabend.

»Es ist schön hier.«

»Ja, es war unser absolutes Glück hier eine Wohnung zu finden.«

»Das glaube ich dir sofort. Selbst in Hannover wird es immer schwerer eine neue Bleibe zu finden. Ich glaube, ich möchte gar nicht wissen, was ihr an Miete zahlt.«

»Das geht tatsächlich noch, wir konnten den alten Mietvertrag unserer Vermieterin übernehmen und liegen damit weit unter dem Durchschnitt. Meine Eltern könnten sich das sonst auch gar nicht leisten mich außerhalb wohnen zu lassen.«

»31«, ruft eine männliche Stimme und Jonas springt sofort von unserer Holzbank auf, auf der wir uns nach dem bestellen niedergelassen haben.

Er reicht mir seine Hand und zusammen schlendern wir wieder rüber zu dem Restaurant.

»Lasst es euch schmecken, May ich hab dir noch ein paar Inside outs dazu gepackt. Die magst du ja immer so«, meint der Vietnamese, als wir unsere Tüte schnappen.

»Danke Mo das werden wir.« Ja ich kenne ihn schon länger daher auch bei seinem Vornamen.

»Mo?«, fragt Jonas, als wir außer seiner Hörweite sind.

»Hab ich dir noch nicht erzählt das ich dort Stammkundin bin und der Ort ist an dem ich die Durchschnittsmiete ausgebe?« Ich lache.

Wir befinden uns gerade im Bötzowviertel genauer gesagt, im typischen Familien Prenzlberg-Pankow. Viele Familienväter drehen um diese Uhrzeit mit ihren Kiddies auf Laufrädern und ihrem Pudel noch eine Gassirunde. Ich genieße diese Anblicke sichtlich. Vielleicht weil es eine Art Wunschvorstellung von mir ist, wenn ich erstmal mein Studium abgeschlossen, mir einig darüber geworden bin, was ich wirklich machen und wo ich leben möchte, dann kann ich auch irgendwann mal über Kinder nachdenken. Aktuell betrachte ich sie eher als anstrengend, als das es ein Wunsch sein könnte.

»So viel Sushi kann man doch gar nicht essen.«

»Hast du eine Ahnung, was ich kann. Die Portion esse ich sportlich alleine auf.«

»What? Dafür hast du dich aber gut gehalten.« Er kneift mir leicht in die Taille. Ich springe zur Seite und funkel ihn böse an.

»Keine Witze über das Äußere.«

Wir biegen um die Straßenecke und ich krame meinen Hausschlüssel aus meiner Bauchtasche hervor.

»Einziger Nachteil an unserer tollen Wohnung, wir müssen in den 5. Stock und es gibt keinen funktionierenden Fahrstuhl. Das Fitnessstudio kann man sich also sparen, das kriegst du hier umsonst.«

»Aber es gibt eigentlich einen?«

»Ja, aber der funktioniert schon seit 4 Wochen nicht mehr, der Reparateur war schon da, konnte aber nichts ausrichten alleine und seitdem hängt ein Schild, auf dem „defekt" steht davor.«

Ich schließe die große Haustür auf und lasse ihm mit den beiden Sushitüten den Vortritt.

Im Treppenhaus ist es kühl und riecht nach Holz. Durch die großen Fenster bei den Treppenstufen fällt ausreichend Licht.

»Weiter.... Weiter«, sage ich, als Jonas schon zweimal vor einer Tür stehen bleiben wollte. Doch wir müssen noch höher.

Die Holzstufen knarzen unter unseren Schritten, ich liebe den Charme in dem Haus, seit dem Einzug habe ich mich sehr wohl hier gefühlt, unsere Nachbarn sind leise und freundlich, besser kann man es sich nicht vorstellen.

Es ist das erste Mal, dass ich einen Typen mit nach Hause bringe, nicht, dass ich zuvor nicht die Möglichkeit gehabt hätte, aber irgendwie habe ich mich immer gedrückt. Das Lernen fürs Studium stand für mich an oberster Stelle und wenn ich mal aus war, dann wurde ich von Lottie und unseren Kommilitonen gezwungen. Und war jedes Mal froh, wenn ich gegen 3 Uhr morgens tot müde in mein Bett fallen dürfte oft, nach einer Schüssel „Yum yum" Nudeln.

Die alte Holztür schwingt auf und er tritt hinter mir mit der Sushitüte in den Flur ein.

»Hereinspaziert fühl dich wie zuhause aber nicht zu sehr wie Zuhause.« Ich grinse.

»Links ist das Wohnzimmer, ich hole noch was zu trinken«, und schon bin ich in der Küche verschwunden. Tief durchatmen May, sage ich mir und wiederhole es noch mehrmals im Gedanken.

Orange und rot für immer JEREMIAS FanfiktionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt