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"03 Sag mir was ich nicht weiß"

Jonas

Im heißen Sommer vergehen die Tage schneller als im kalten Winter. Und wenn man ein Festivalgelände betritt rennt die Zeit vor dir davon. Selbst ein Gepard hätte da keine Chance, also brauche ich es erst gar nicht zu versuchen, Leichtathletik war nie mein Steckenpferd, schnell rennen, weit springen, bei meiner Körpergröße bin ich da klar im Nachteil, Gott wollte mir keine Größe schenken.

Atemlos sitze ich da, ein schwarzes Handtuch liegt über meinen Schultern, ich wische mir mit der einen Spitze den Schweiß von der Stirn. Nebenbei macht sich das Gedankenkreisen wieder in meinem Kopf auf den Weg- und warum, weil May nicht hier ist, sondern knapp 500m entfernt unter einem weißen Zelt, wo ich sie nur schlecht sehen kann und sie mit ganz anderen Dingen beschäftigt ist, als an mich zu denken. Ich wiederum warte hier auf meine Einsätze, sitze mitten in der Sonne hinter meinem Herzstück und beobachte sie von weitem, wie sie Julia beim Auspacken und gestalten des Merchstandes hilft, so wie sie es ihr versprochen hatte.

Genieße die Stunden, denke ich noch, da ich weiß, dass sie ganz schnell vorbei sein werden und May wieder zurück nach Berlin muss, um ihren Verpflichtungen nachzukommen, und ich sie dann erst wieder in 2 Wochen wiedersehen werde. 14 Tage und Nächte ohne sie, wie soll ich das aushalten, kann ich das überhaupt, die letzte Woche war schon die reinste Katastrophe, man weiß nicht, was der andere macht, ob es ihm gut geht und ob es der Person gleich geht. Also werde ich wieder in meinem monotonen Zimmer liegen ausgestreckt auf dem Bett und an die Decke starren, während ich weiß, dass sie 300km entfernt von mir ist. Jede einzelne Sekunde werde ich hinterfragen, macht das Sinn für uns? Tut uns das gut, was wäre wenn....

Gefühlt sind wir mit dem Bus gerade erst angekommen und dabei gehen wir in knapp 15 Minuten schon auf die Bühne und spielen unsere Show. Seitdem Essen hatten wir alle Hände voll zu tun und nur wenig Zeit, um mal durchzuatmen, eigentlich wären wir gerne zur kurzen Abkühlung in den See gesprungen, aber unser Zeitplan war so eng gestrickt durch die Verspätung der Ankunft, dass wir alles gerade so geschafft haben. »Jungs ihr habt noch 5 Minuten bis Stagetime ist«, kündigt Marie unsere Betreuerin für heute an.

Wir stehen bereits neben der Bühne. Um uns herum strahlen uns die grellen weiß leuchtenden Scheinwerfer an. Es ist ein unangenehm helles Licht, welches in den Augen brennt, wenn man direkt zu ihnen hinaufschaut. Und trotzdem tue ich es und muss darauf mehrmals zwinkern, bis es wieder verschwindet. Der Himmel ist bereits dunkel über uns, die 32 Grad sind gesunken auf 25 Grad, klar es ist immer noch warm, aber nicht mehr übertrieben heiß. May berührt mich an meiner Hüfte und zieht mich in eine Umarmung. Unsere Oberkörper treffen aneinander, Wärme von beiden Seiten. Hat sie mich denken gehört, oder wie macht sie das immer. Auffangen, festhalten und nie mehr loslassen.

Eine Wolke, die alles vor ihr verbarg, die es vor allen verbarg, bis jede liebevolle Vertrautheit verlorenging und mein Geist allein war, fremd in der Dunkelheit und verloren im nichts.

Wir lösen uns voneinander, sie hält etwas grünes in der Hand etwas kleines flauschiges, bis sie ihre Fäuste öffnet und den Blick für mich freilegt. Es ist ein kleines Alien mit zwei Fühlern, gerade so groß, dass es perfekt in die Hand passt.

»Ich dachte, als ich es gesehen habe an dich und musste es einfach mitnehmen.«

Ich weiß gar nicht so genau, was ich sagen soll, mein Kopf ist voll von Gefühlen, die ich nicht in Worte fassen kann.

»Danke, aber ich hoffe doch inständig, dass du mich nicht als Alien siehst.«

»Quatsch, ich dachte nur, vielleicht trägst du gerne ein Alien auf dem Arm und es hält dein Gleichgewicht.«

Sie schaut traurig zu mir hoch.

»Es ist toll danke, das kommt an meinen Schlüsselbund.«

Ich gebe ihr einen feuchten Kuss und wir halten inne.

Alles kreist in meinem Kopf, nur nicht die Musik, früher hätte ich jetzt meine Finger nicht mehr still halten können

May

Der Tag ist fast vorbei und der Schmerz sitzt in meinen Knochen. Ich bin müde, müde vom Nachdenken, müde vom Tag und von dem drum herum. Ich verstehe Julia immer mehr, warum es ihr so geht. Das ist kein Leben, das ist Horror. Kein Wunder, dass man da schnell krank wird.

Wir sind seid über 12 Std auf den Beinen und arbeiten immer noch. JEREMIAS spielt gerade Fin, ein Song der voll unterschätzt wird. Julia und ich sind nachdem die Jungs auf die Bühne gegangen sind zurück zum Merch um Maira und die anderen zu unterstützen. Und zu meiner Überraschung sind gefühlt alle Kartons leer bis auf einige Einzelstücke in den großen Größen sieht es mau aus. Ich habe vorhin das Grüne Augen lügen nicht Shirt von Julia bekommen, ein bissl Werbung machen, ich glaube, das wäre nichtmal nötig gewesen. Die Fans kaufen es auch so, aber ich hatte das sowieso schon ins Auge gefasst, weil es sooooo schön ist. Und es passt von der Augenfarbe sogar so halb. Wir nehmen den Mix aus Blaue Augen und Grüne Augen lügen nicht, wo ich ganz klar zustimmen muss, manchmal vielleicht etwas zu ehrlich und verletzend.

Die Jungs ziehen ihre Show durch, und wir sitzen auf den großen Kisten und schlürfen unsere Mate, während die Menge vor uns tobt. Es ist definitiv ein gelungener Abend ich schaue auf mein Handy es zeigt 23:36 Uhr. Und das habe ich mir schon gedacht, ich gähne. Julia murmelt: »Jedes Ende ein Beginn.«

Das kann sie wohl laut sagen. Eigentlich habe ich heute viel zu wenig für die Uni gemacht, aber man muss nicht immer der erste sein, leben ist gerade wichtiger, es macht mich lebendig und lässt mich nicht mehr als ein Roboter wirken. Und bis zu den Prüfungen sind noch einige Tage. Dann lerne ich halt die Nacht durch und wenn nicht schiebe ich. Wofür hat man einen Nachteilsausgleich. Ich denke an meine Gesundheit. Ich muss lachen und verschlucke mich an der Mate, die mir durch die Nase wieder herausspritzt und ein unangenehmes Brennen hinterlässt.

»Alles gut?«, fragt Julia und klopft mir kräftig auf den Rücken. Ich nicke. Einige Girls vor uns drehen sich zu uns um und starren mich an.

»Woran musstest du gerade denken?«

»Nur an die Uni und die Prüfungen die kurz bevor stehen und das ich heute viel zu wenig gelernt habe. Das ärgert mich etwas.«

»Das lernst du nachher noch im Bus auf der Rücktour, bei diesen kurzen Strecken, schlafen die meisten eh nicht, das tun wir dann zuhause, wenn du möchtest frage ich dich nachher ab.«

»Das wäre großartig, wenn du das machen könntest.«

»Na klar. Sie spielen noch 5 Minuten dann ist Zugabe, wollen wir zurück gehen?«

»Jap.« Ich springe von der Box und zusammen machen wir uns auf den Weg zum Seiteneingang rechts neben der Bühne. Vor der Absperrung steht ein groß gewachsener mann in schwarzer Uniform. Ich weiß nicht mehr, ob es vorhin der gleiche war, aber er beachtet uns nicht einmal als wir ihm die Ausweise entgegenhalten und hindurch schlüpfen. Hinten ist eine Menge los, Menschen die hin und her eilen. Aus weiter Ferne dringt Sommer, es klingt als hätte man das Radio auf die leiseste Stufe gestellt.

Orange und rot für immer JEREMIAS FanfiktionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt