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May

3 Tage nach dem Konzert habe ich erfahren, die eine Prüfung wiederholen zu müssen. Sprich nochmal lernen, doppelt so intensiv, wie beim ersten Mal, um für den Zweittermin fit zu sein, prima, da kommt Freude auf, bei 32 Grad im Schatten in der Bibliothek zu hocken und über Büchern zu brüten.

Pläne, die wir hatten, nochmal voll über den Haufen werfen zu dürfen. Die nächsten beiden Konzerte wird er ohne mich auskommen müssen. Leicht fällt mir diese Entscheidung nicht, weil ich weiß, dass er ganz schnell wieder tief fallen kann und erst recht nicht, nachdem ich ihm von meiner Vergangenheit erzählt habe und auch, dass Jere es vor ihm wusste. Seitdem Moment wollte er mich, wie ein rohes Ei behandeln, hatte ich das Gefühl. Zum Glück konnte ich ihm diese Berührungsängste sehr schnell wieder nehmen. Meine Vergangenheit soll nicht meine Zukunft bestimmen, hat meine Therapeutin damals gesagt und ich habe es eins zu eins an ihn weitergegeben. Und da es ihm ganz wichtig war, das dieser Typ bestraft wird. Ich ihn in dem Punkt aber beruhigen konnte, da es auch so war, wenn auch meiner Ansicht gerade als Minderjährige damals viel zu harmlos mit niedrigen Geldsätzen für drei Monate, obwohl es viele Zeugen gab und die Tatsache gar war, das Gericht hatte keine Kapazitäten und so wurde er nicht angeklagt. Auch wenn es keine Vergewaltigung war, ich fand und finde es immer noch schwach, wie der deutsche Staat mit solchen Sachen umgeht. Eigentlich habe ich immer gedacht man wäre in einem sicheren Land geboren, aber mit den Jahren musste man feststellen, dass es überall auf der Welt Verbrechen gibt.

Und nun sitze ich in der stickigen Bibliothek vor meinem Macbook und wiederhole zum 10. Mal die Ökologie Vorlesung.

Alles ist anstrengend, in meinem Kopf schwirrt alles herum tausend Gedanken, Dinge, die ich machen möchte. Plötzlich bekomme ich einen Anruf von Jonas.

Sag was komm sag was dröhnt es von Paula Hartmann aus meinen Kopfhörern.

Ich nehme den Anruf an.

»Psst leise, ich sitze in der Bibliothek«, meine ich am Hörer.

„Haha ich kann brüllen wie ich will. Na wie gehts dir, kommst du vorwärts?"

»Mehr schlecht als recht, musste gerade an dich denken.«

„Oh sag bloß ich lenke dich ab, obwohl ich gar nicht bei dir bin. Hoffe, du hattest sexy Träume." Ich muss husten und spüre, wie meine Wangen rot werden.

»Jonas, das ist nicht nett.«

„Also hatte ich recht, schön, das freut mich. Zu gerne stelle ich mich dich in deinem Bett unter mir vor, keuchend wie eh und je."

Ich muss losprusten.

»Psscchtt«, sagt jemand drei Sitze neben mir.

»Steck dir Kopfhörer rein«, meine ich etwas genervt an ihn gewandt. Wer hat sich diese Regel einfallen lassen, das man in einer Bib nicht reden darf? Ich nicht.

„Dann will ich dich nicht weiter stören, war schön deine Stimme gehört zu haben. Wann sehen wir uns wieder? Wir sind zum Cro Konzert am Wochenende wieder in Berlin, hast du da schon was vor?"

»Ja lernen, was sonst.«

„Kannst du auch noch was anderes?"

»Aktuell nicht, nein, Jonas mir ist das wichtig, ich darf da nicht nochmal durchfallen.«

„Ich weiß, ist ja gut, verstehe ich. Dann noch viel Tatenfreude weiterhin."

»Danke habe dich lieb.«

„Ich dich auch." Und mit diesem Wort legen wir auf.

Ich würde ja gerne mit ihm den Abend verbringen, gerade auch, weil er schonmal wieder in Berlin ist, aber.. das sind wieder mehrere Stunden, die ich nicht lernen werde und das kann ich mir nicht leisten. Ich brauche meinen Schlaf, gerade in diesen stressigen Momenten im Leben durch die Migräne.«

Andererseits man lebt nur einmal im Leben.

Jonas

May ist immer so fleißig. Sie weiß, was sie will und tut alles in der Macht stehende, um es zu erreichen. Dabei habe ich aktuell das Gefühl, sie übernimmt sich. Das zerrt an ihren Kräften und das wiederum ist nicht gesund und warum? Nur, weil der alte Professor in dem Fach der Meinung ist, Frauen sind nicht so gut wie Männer, wie mich diese Einstellung aufregt.

Die haben ja keine Ahnung.

Eins merke ich mir jedenfalls für die Zukunft, wenn sie nicht auf sich selbst achten kann, dann muss ich es tun. Sonst steht sie bald von einem Burnout und das hilft niemanden, gerade nicht mit ihrer Migräne. Ich hoffe sehr, dass sich die Anfälle reduzieren und sie so leben kann, wie sie es möchte. Es muss schrecklich sein, wenn man das Gefühl hat, der Kopf könnte jeden Moment platzen.

Aber gut, was sage ich, wir machen uns doch alle kaputt, wenn wir nicht auf uns achten. Egal ob im Studium oder bei der Musik. Wenn man nicht aufpasst, fällt man schneller in ein tiefes Loch als man "hier" rufen kann. Die nächsten Tage sind vollgeplant mit den Proberaum aufräumen, und die ersten Sachen für die Tour packen, mit unserem Management die Übernachtungsorte durchgehen, wenn wir mal ein off Day haben, denn dann schlafen wir im Hotel und nicht im Nightliner, ein tolles Gefühl jedes Mal wieder in einem Bett schlafen zu dürfen. Wenn mich jemand fragen würde, ob ich mich auf das alles freue würde meine Antwort vermutlich negativ ausfallen. Auf der Bühne stehen und Musik machen ist toll, aber der Rest. Wer hat gesagt, das Fans drauf sein müssen wie Fans, warum können sie nicht einfach die Musik hören und gut und stehen nicht schon früher vor der Location als ich selbst und ich habe vorher noch was zu tun. 

Orange und rot für immer JEREMIAS FanfiktionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt