Kapitel 12

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Aurelia

Wir hielten keine zwei Sekunden am Straßenrand, da riss ich die Beifahrertür auf und sprang raus. Javier hatte den Motor nicht einmal ausgestellt.

In mir kribbelte alles aus Aufregung. Wir waren wirklich hier, bei meiner Mutter. Dafür konnte ich meinem Ehemann nicht genug danken. Jetzt erstmal begrüßte ich die Frau, die mich auf die Welt brachte.

Sie stand lächelnd mit verschränkten Armen in der offenen Haustür, wartete auf uns. Entweder wartete sie schon länger oder sie hörte das Auto den kleinen Berg hochfahren.

Wie auch immer, wir sahen uns wieder. Das war das Wichtigste.

Bei ihr angekommen, sprang ich ihr förmlich in die Arme. Sie erwiderte meine stürmische Umarmung, ohne zu zögern. Ihr mir allzu bekannter Duft drang in meine Riechnerven.

»Ich habe dich so vermisst«, gestand ich ihr mit einem unterdrückten Schluchzen. In meinen Augen brannten Tränen, die ich Wegblinzelte.

Ich fühlte mich verdammt glücklich, nur war ich eben auch traurig, da ich wusste, morgen sah ich sie für unbestimmte Zeit nicht mehr.

»Ich dich auch, Liebling.« Sie drückte mir einen Kuss auf die Schläfe. Wir lösten uns voneinander. Jetzt war mein Ehemann an der Reihe. Er wurde von Mutter in eine Umarmung gezogen. Schmunzeln beobachtete ich, wie er es über sich ergehen ließ. Mein weniges Tränenwasser verschwand. Nur noch die Freunde wog in mir.

»Natürlich auch schön dich wiederzusehen«, meinte Mamá, nachdem die zwei sich lösten, und legte ihm ihre Hände auf seine stoppelige Wange. Ich konnte sehen, wie Javier seine Stirn ein wenig deswegen in Falten legte.

Meine Mundwinkel zogen sich immer weiter in die Höhe. Alma war nun einmal so. Freundlich. Zuvorkommend. Hilfsbereit. Einfach ein guter Mensch. Mit dieser Geste zeigte sie ihm lediglich, dass sie ihn als Schwiegersohn, vielleicht auch Person an sich, wertschätzte.
Den zukünftigen Boss eines Mafiaclans.

Ich wollte gar nicht daran denken, was ich dann wäre. Irgendeine Position müsste ich doch dann einnehmen, oder nicht?

»Die Freude ist ganz meinerseits, Alma«, gab mein Mann in seinem freundlichsten Ton zurück. Sie ließ von ihm ab. Wenn ich mich nicht täuschte, konnte und hörte ich ihn erleichtert ausatmen. Amüsant. Definitiv amüsant.

»Lasst uns reingehen, ich habe gekocht. Das Essen ist bereits fertig«, meinte Mamá. Ich nickte, ehe ich mich auf den Weg nach drinnen machte. Nach nur zwei Schritten hielt ich schon inne. Ich bemerkte, dass Javier mir nicht folgte. Ich konnte nicht erklären warum, ich spürte es einfach.

Bevor ich mich umdrehen konnte, um nach ihm zu sehen, hörte ich ihn sprechen. »Ich gehe kurz unsere Tasche holen«, erklärte er. Schwere Schritte nach draußen folgten.

Meine Verwunderung darüber, dass wir anscheinend die Nacht hier verbrachten, verblasste, denn jemand trat am anderen Ende des Flures in mein Sichtfeld.

Rafael Mendez. Ein großer, schlanker, braunhaariger und blauäugiger Mann. Mein Jugendschwarm und Nachbar. Ich hatte ihn Jahre lang nicht mehr gesehen. Er hatte sich verändert, sah besser aus.

Ich schluckte stark. Rafael wollte mal etwas von mir. Das erzählte er mir einen Tag, bevor er aufs College ging. An dem Tag küssten wir uns fast. Durch seinen Vater kamen wir nicht dazu.

Die Frage überkam mich, was gewesen wäre, wenn wir nicht unterbrochen worden wären. Wären wir zusammengekommen? Hätte ich an der Universität studiert, wo er hinging. Wären wir womöglich verheiratet?

Mit Javier hätte ich nie Bekanntschaft gemacht. Verdammte scheiße. Mist. Verfluchte Kacke. Javier!

Mein Unglaube veränderte sich urplötzlich in Angst. Um meinen Jugendschwarm. So wie er mich ansah, dachte er, er hätte nun noch eine Chance bei mir. Somit wusste er nicht, dass ich verheiratet war und mein Ehemann sich in der Nähe aufhielt. Dieser konnte sehr besitzergreifend werden. Das bekamen wir heute noch beide zu spüren.
Ich gehörte Javier. Ohne Wenn und Aber.

JAVIER - Das Schicksal hält uns zusammenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt