Kapitel 12.2

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Der Schultag ging leise zu Ende, in meiner Mathestunde saß ich neben Mary und genoss ihre Stille, während sie die vorgegebenen Aufgaben löste. In Geografie unterhielt ich mich leise mit Alex über die Ferien, wobei ich den Großteil ausließ. Aber das machte nichts, denn Alex füllte meine Stille mit seinen Worten. So erfuhr ich, dass er mit seiner Schwester öfters reiten gewesen war. Gegenüber den anderen sagte er immer, dass er sie nur mit seinem Mofa hinbrachte und wieder abholte, aber ich wusste, dass er mindestens genauso gern ritt wie sie.

Auf dem Weg nach Hause stieg langsam wieder das mulmige Gefühl in mir auf, das mich seit Samstag befiel, wenn ich an Amaliel dachte. Er war den ganzen Tag allein im Gartenhaus gewesen, hoffentlich hatte er die Langeweile überlebt.

Mein Kopf malte sich ohne mein Zutun alle möglichen Szenarien aus, wie meine Eltern ihn gefunden hatten, und als ich endlich zuhause angekommen war, zitterten meine Finger.

»Hallo«, rief ich ins stille Haus hinein, nachdem ich aufgeschlossen hatte, den Pizzakarton mit den Resten meines Essens in den klammen Händen.

Als mir niemand antwortete, machte ich mich auf den Weg ins Wohnzimmer, das verlassen vor mir lag. Mit einem Schulterzucken ging ich in mein Zimmer, um meine Schulsachen abzustellen, kam aber direkt wieder heraus. Noch einmal rief ich fragend eine Begrüßung in den leeren Raum, aber niemand regte sich.

Auf der Wendeltreppe schaltete ich mein Handy an und sah eine Nachricht von meiner alten Nummer aufblinken. Ein erleichtertes Seufzen entwich mir.

Guten Mittag, hatte Amaliel um halb zwölf geschrieben, mehr nicht. Hatte er so lange geschlafen?

Delian: Ich glaube, meine Eltern sind nicht da. Kann ich zu dir rüberkommen?

Amaliel antwortete nicht sofort, weswegen ich es mir auf einem Stuhl im Esszimmer gemütlich machte, nachdem ich das Radio angeschaltet hatte. Es liefen Verkehrsnachrichten.

Vielleicht war es keine gute Idee, sofort zu Amaliel zu gehen, vielleicht sollten wir erst einmal vorsichtiger sein. Aber ich musste ihn gerade sehen, musste mich mit eigenen Augen überzeugen, dass er noch da war, dass niemand ihn entdeckt hatte.

Klar, war seine kurze Antwort, die nach mehreren Minuten des nervösen Wartens auf meinem Bildschirm erschien.

Aufregung ballte sich in meinem Magen zu einem Knoten zusammen und ließ mich schwer schlucken. Es fühlte sich wie etwas Verbotenes an, jetzt zu Amaliel zu gehen. Vielleicht war es das auch.

Noch einmal – nur zur Sicherheit – rief ich im leeren Haus nach jemandem, traf aber nur auf schwere Stille. Dann nahm ich mit einem tiefen Atemzug den Pizzakarton und einen Apfel in die Hand und öffnete die Tür nach draußen.

Ich hob gerade meine Faust, um an die Tür des Gartenhauses zu klopfen, als diese schon von Amaliel aufgerissen wurde. Sein Blick erhellte sich, sobald er mich sah, und er trat zur Seite, um mich einzulassen.

»Du hast mir Pizza mitgebracht?« Seine Stimme war rauer als sonst und ich biss die Zähne aufeinander.

»Das ist noch von meiner übrig geblieben. Wenn du willst, kann ich sie dir nochmal warm machen.« Ich stellte den Karton auf der Kommode ab, den Apfel legte ich daneben.

»Nein, nein, kalte Pizza ist am besten.« Neugierig hob er den Deckel an. »Margherita, das ist ja langweilig.«

»Ich kann dir etwas holen, mit dem du sie belegen kannst«, schlug ich schulterzuckend vor.

»Passt, alles gut.« Er nahm den Karton mit sich in seine Schlafecke, wo er sich im Schneidersitz niederließ, ich setzte mich wie gewohnt neben ihn.

Wie zwei Geister im UniversumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt