Kapitel 24.2

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Bei der Treppe angekommen stockte ich, lauschte auf Geräusche von unten. Die leise Musik aus dem Radio, das Geräusch eines Tellers, der auf dem Tisch abgestellt wurde. Amaliel löste sanft seine Finger aus meinen, als ich den ersten Schritt nach unten trat. Ich bekam es kaum mit.

Das war der Moment. Der Moment, den ich von mir aus hätte beschreiten sollen, zu einem Zeitpunkt, an dem ich dazu bereit gewesen wäre. Ich schaute über die Schulter zurück, sah Amaliels warmen Blick auf mir ruhen und wusste, dass ich keinen besseren, keinen perfekten Moment finden würde.

Meine Mutter stand am Esstisch, als ich die letzten Stufen nach unten nahm, die Hände vor dem Körper gefaltet. Sie musste gehört haben, wie wir mein Zimmer verlassen hatten.

Bevor ich etwas sagen konnte, Worte, die ich mir auf dem Weg nach unten versucht hatte bereitzulegen, trat sie die wenigen Schritte, die uns trennten, vor und schloss mich in ihre Arme.

»Ich bin stolz auf dich, egal was ist. Egal, wen du liebst«, flüsterte sie gerade so laut, dass ich es hören konnte.

Mir schossen die Tränen in die Augen und ich drückte sie fester an mich. »Danke.«

Nach einigen Sekunden räusperte ich mich und trat wieder einen Schritt zurück, näher zu Amaliel. Ihr Blick fiel auf seine große Gestalt und sie schenkte ihm ein einladendes Lächeln. »Hi, ich bin Nathalia. Du kannst mich aber gerne Lia nennen.«

Amaliel nickte und warf mir einen hilfesuchenden Blick zu. Ich rückte noch etwas näher zu ihm.

»Das ist Mali«, sagte ich schließlich. Seinen Namen zu verraten war mit dem Risiko verbunden, dass sie ihn schon irgendwo gehört hatte und sich erinnerte. Er war einfach zu besonders, deswegen entschied ich mit für seinen Spitznamen.

»Freut mich, dich kennenzulernen, Mali.« Immer noch lächelte sie und langsam entspannte ich mich. Alles war gut.

»Mich a-auch«, antwortete Amaliel leise. Sein Kiefermuskel zuckte, das einzige Anzeichen dafür, dass sein Stottern ihn ärgerte.

»Ich habe Frühstück hergerichtet. Ich dachte, wir könnten zusammen frühstücken«, meinte meine Mutter und zeigte zum Tisch. Auch sie war aufgeregt, fiel mir plötzlich auf. Auch für sie war diese Situation ungewohnt und sie wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte, einen fremden Jungen im Bett ihres Sohnes gefunden zu haben.

»Gerne.« Wieder war ich der Erste, der sich bewegte. Amaliel setzte sich auf seinen angestammten Platz neben mir, meine Mutter nahm gegenüber von uns Platz.

»Ich habe Tee gemacht.« Sie schaute zu Amaliel und zeigte dann auf eine gläserne Teekanne in der Mitte des Tisches. Darum herum verteilt waren Marmelade, Butter, Käse, einige Brotscheiben und eine Schüssel mit Trauben. »Aber wenn du willst, kann ich dir auch einen Kaffee machen.«

»Nein, alles ... gut.« Wieder ein Stottern, dieses Mal ein unzufriedenes Schnauben. Meine Mutter merkte nichts dazu an und ich war ihr so dankbar dafür.

»Ich dachte, du würdest noch viel länger schlafen. Dann wäre Mali schon längst weg gewesen«, sagte ich leise, etwas kleinlaut. Es fühlte sich immer noch unangenehm an zu wissen, dass meine Mutter uns erwischt hatte. Weil wir unvorsichtig geworden waren. Es war genau das eingetroffen, was wir die ganze Zeit hatten verhindern wollen.

»Das hatte ich auch vor. Aber in letzter Zeit schlafe ich so schlecht und als es dann Morgen war, dachte ich, wir zwei könnten zusammen frühstücken. Jetzt sind wir zu dritt, das ist noch besser.« Sie lachte und griff nach einer Scheibe Brot.

Um etwas zu tun zu haben, nahm ich mir zwei und legte die kleinere auf Amaliels Teller, da er morgens selten etwas aß. Er bedankte sich leise.

»So war das auch nicht geplant.« Ich warf einen schnellen Blick zu Amaliel, der ruhig neben mir saß. Die Situation war ihm unangenehm und ich wünschte, ich könnte ihn daraus befreien. »Ich wollte es dir irgendwann sagen, nur nicht ... so. Aber ... du hast kein Problem damit, oder?« Gegen Ende wurde meine Stimme immer leiser und ich senkte den Blick auf meinen Teller.

Wie zwei Geister im UniversumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt