Kapitel 21

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Amaliel

Ich wurde durch Delian wach, als er sich in meinen Armen bewegte. Müde blinzelte er gegen das Licht des frühen Morgens, unter dem ich schon so oft aufgewacht war.

»Warum ist es so hell?«, murrte Delian und legte sich einen Arm über die Augen.

»Weil die Sonne scheint, Schätzchen.« Ich wusste nicht, woher der neckende Spitzname kam, war aber froh, dass Delian nicht sehen konnte, wie ich rot wurde. »Man gewöhnt sich daran.«

»Du musst es wissen.« Er drehte sich zu mir um, den hellen Bezug der Decke eng um seine Schultern geschlungen. Für einen Moment wusste ich nichts zu erwidern, starrte in seine wunderschönen hellblauen Augen, die im Morgenlicht strahlten. Der braune Fleck, den Delian überhaupt nicht mochte, machte sie noch so besonderer und einzigartiger. Ich könnte sie stundenlang betrachten.

»Ist letzte Nacht wirklich passiert?«, fragte ich mit rauer Stimme. Fast schon ohne mein Zutun hob sich meine linke Hand und strich ihm seine dunklen Locken aus der Stirn.

»Komm darauf an, was du denkst, was passiert ist«, entgegnete er und verzog seine Lippen zu einem Lächeln. Die Lippen, die ich gestern geküsst hatte, wieder und wieder.

Anstelle einer Antwort beugte ich mich vor und küsste ihn sanft auf den Mund. Delians Körper reagierte sofort und drängte sich näher an mich. Ich lächelte in den Kuss hinein und vergrub meine Hand in seinen Haaren.

Es war erschreckend, wie leicht es mir fiel. Sobald das Eis gebrochen war, sobald ich ihn das erste Mal geküsst hatte, war es so einfach gewesen, es immer wieder zu tun.

Mein Mund schwebte wenige Millimeter über Delians, sodass wir uns gerade nicht küssten. Ich wartete auf den Moment, an dem die Situation anfing, sich falsch anzufühlen.

Er kam nicht.

»Was wäre, wenn ich Nein gesagt hätte? Dass das gestern nicht passiert ist.« Delian zog sich so weit zurück, dass er mir in die Augen schauen konnte. Eine seiner Hände hatte sich in das Gewirr meiner Haare geschlichen und zog sanft an einigen Strähnen.

»Dann würdest du lügen«, antwortete ich leichthin und zog ihn in einen erneuten Kuss. Ich konnte nicht mehr genug davon bekommen.

»Leider hast du damit recht«, murmelte er gegen meinen Mund.

Ich küsste ihn abermals, diesmal heftiger, leidenschaftlicher. Delian vergrub seine Hand tiefer in meinen Haaren und zog mich näher an sich. Ich hatte so lange auf diesen Moment gewartet. Seit dem ersten viel zu frühen Kuss hatte ich die Erinnerung daran immer wieder in meinem Kopf wachgerufen und war in den letzten Tagen so oft kurz davor gewesen, dem Drang nachzugeben und Delian zu küssen.

Ich berührte seine Lippe mit meiner Zunge, vorsichtig zunächst, weil wir uns so intensiv noch nicht geküsst hatten, doch als Delian seinen Mund öffnete, nahm ich die Einladung an. Er stieß ein kleines, tiefes Geräusch aus, als unsere Zungen sich berührten, und, fuck, es fühlte sich so gut an.

Zu gut.

Ich wusste nicht, wie es passierte, wer sich zuerst bewegt hatte, doch plötzlich war Delian über mir und mein ganzer Körper versteifte sich. Plötzlich waren da nicht mehr Delians weiche Locken und die Wärme des Sommermorgens, sondern Alkoholgeschmack auf meinen Lippen und Fingernägel, die sich schmerzhaft in die Haut an meinen Hüften gruben. Ich schnappte nach Luft und musste würgen, als die Erinnerung in mir aufstieg, vor der ich mich das letzte halbe Jahr versteckt hatte.

Delian hatte das Verkrampfen meiner Muskeln sofort bemerkt und zog sich von mir zurück, bis wir uns nicht mehr berührten.

Die Erinnerungen verschwanden nicht zusammen mit dem Körperkontakt.

Wie zwei Geister im UniversumWo Geschichten leben. Entdecke jetzt