Amaliel
»Du bist komisch.«
Ich schaute von meinem Kaffee auf und warf Caramida, die gerade das Esszimmer betreten hatte, einen fragenden Blick zu.
»Ich meine, du machst deinen Rollladen nicht mehr runter. Wie kannst du bei dem ganzen Licht so lang schlafen?« Sie ließ sich auf den Stuhl mir gegenüber fallen und klaute mir meine Tasse, um selbst einen Schluck zu trinken.
»Du nennst deinen blauen Wellensittich Green und deinen grünen Blue. Wen nennst du hier komisch?«
»Touché.« Sie verdrehte sie Augen. »Aber ich mache das, weil es Menschen verwirrt und ich es lustig finde. Mit dem Licht störst du nur dich selbst. Hast du plötzlich Angst im Dunkeln?«
»Natürlich nicht«, wehrte ich ab und luchste ihr nebenbei meinen Kaffee wieder ab. Mehr als einen Schluck sollte sie nicht bekommen. »Aber ich hab mich so daran gewöhnt, dass es mich nicht mehr stört.«
Cara schien aus meiner Antwort nicht schlau zu werden – verständlich, schließlich hatte ich meiner Familie noch nichts erzählt. Lange würde ich es nicht mehr aufschieben können, das war mir durchaus bewusst.
»Ich hab bei Delian zwei Monate lang im Gartenhaus geschlafen. Und wenn ich das Fenster irgendwie verdunkelt hätte, hätten seine Eltern bemerkt, dass da jemand wohnt.« Ich grinste schief, schaute ihr aber nicht direkt in ihre Augen. »Es war nicht mal so schwer, sich vor ihnen zu verstecken.«
»Ich kann immer noch nicht glauben, dass du das gemacht hast«, antwortete meine Schwester mit einem Kopfschütteln. »Hast du vor, noch mehr zu erzählen, oder war's das? Ich muss wissen, ob ich mir jetzt einen Kaffee machen muss.«
Ich liebte es, wie sie versuchte, ihre Neugier zu zügeln und mit etwas Amüsantem zu verdecken, damit ich mich nicht gezwungen fühlte, ihr etwas zu erzählen. »Mach dir lieber einen.«
Cara nickte eifrig und begab sich in die Küche, während ich in mein Zimmer ging. Ich hockte mich vor meinen noch immer kaum ausgepackten Rucksack. Das Foto fiel mir fast entgegen, als ich es aus dem Seitenfach holte.
Wenn ich schon anfing zu erzählen, konnte ich auch gleich alles auspacken, oder?
Als Cara sich mit ihrem Kaffee in ihrer geliebten blauen Blümchentasse wieder zu mir an den Küchentisch setzte, waren meine Finger nassgeschwitzt. Das Foto lag vor mir, umgedreht.
»Was ist das?«, fragte meine Schwester und deutete mit einem Finger darauf, ohne die Hand von ihrer Tasse zu lösen.
»Ein Bild«, antwortete ich langsam. »Von Delian und mir. Er hat es vor einem Monat geschossen, Ende Juli.«
Etwas in mir sträubte sich dagegen, ihr das Bild zu zeigen, aber ich musste beenden, was ich angefangen hatte. Also schob ich ihr das Foto über den Tisch zu, damit sie es selbst umdrehte.
Kurz bedachte sie mich noch mit einem misstrauischen Blick, dann siegte die Neugier und sie griff danach.
Die ersten Sekunden passierte nichts. Caras Miene blieb unverändert, während sich eine Schlinge immer fester um meinen Hals legte und mir das Atmen erschwerte.
Ich hatte das noch nie zuvor getan. Es fühlte sich ganz anders an, als bei Delians Outings dabei zu sein. Viel naher, viel unmittelbarer, viel echter. Dieses Mal ging es um mich, ich war nicht nur der Freund, der zufällig dabei war. Ich war die Hauptperson und es machte mir Angst.
Was machte ich, wenn Cara mich abstoßend finden würde?
Dann hob sie den Blick und schaute mir direkt in die Augen. Aus ihrem Gesicht konnte ich weder Abscheu noch Ekel lesen, was ich als guten Zeichen nahm.
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Wie zwei Geister im Universum
Подростковая литератураDelian hat einen Brieffreund. Seit sieben Jahren schreiben er und Amaliel sich unentwegt Briefe, erzählen sich darin ihre tiefsten Geheimnisse und alles, was ihnen auf dem Herzen liegt. Es ist gut so, bis Amaliel eines Tages vorschlägt, Delian besuc...