2 | 🂲 | Ablenkung ist das Gegenmittel zu Kummer

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»Schwänzen?«, fragte Minho verdutzt nach, doch man sah ihm an, dass er nicht allzu abgeneigt war.

»Du schaust grad genauso aus, wie ich mich fühle«, erwiderte Eunyoung leise, nachdem sie sich nochmal umgesehen hatte, dass auch wirklich niemand da war. »Und, ganz ehrlich, ich will gerade vieles sehen, aber nicht, wie irgendwelche hochromantischen Gedichte von verschiedenen Künstler*innen bildlich dargestellt wurden. Und noch weniger will ich Herrn Choi erklären müssen, warum da die reine Liebe dargestellt ist.«

Mehr sagte sie zu dem Thema nicht, sie sah Minho einfach an – mit ihren zugegebenermaßen sehr flehentlich aussehenden Augen – und biss sich auf die Unterlippe. Eunyoung biss sich oft unbewusst auf die Unterlippe, wenn sie angespannt oder aufgeregt war, und Minho wusste das mindestens genauso gut wie sie.

»Wen von ihnen magst du? Yongbok oder Jisung?«, fragte Minho nach, denn er verstand Eunyoungs Gesichtsausdruck sofort – absurd eigentlich, dass er vorher nie bemerkt hatte, mit welchen Herzäuglein sie ihren gemeinsamen Schwarm immer angesehen hatte.

»Jisung. Und ... und du?«

»Auch Jisung.«

Mehr sagte Minho nicht, er sagte es nicht mal wirklich bewegt, und Eunyoung reagierte nicht besonders auf seine Worte.

Sie blieben noch einen Moment lang so stehen und musterten sich gegenseitig, bevor Minho Eunyoungs Hand in seine nahm und sie auf dem kürzesten Weg zu seiner Wohnung führte, die sich in einem unieigenen Wohnheim direkt am Campus befand. Natürlich kannte Eunyoung den Weg längst auswendig, doch es schien sie nicht zu stören, dass Minho sie an der Hand nahm, das war ja auch keine Seltenheit zwischen ihnen. Außerdem war sie sowieso jemand, der gerne mal Körperkontakt suchte, egal ob wegen einer Gemütsregung oder nicht. Aber bei einer Gemütsregung, noch mehr bei einer wie jetzt, ganz besonders.

»Und jetzt?«, fragte Minho, sobald sie in seiner Wohnung waren, sich die Hände gewaschen, Schuhe und Taschen im Eingangsbereich gelassen hatten und nun auf seinem Minisofa saßen.

»Weiß nicht. Heulen?«, schlug Eunyoung vor und stieß zynisch Luft aus. Dabei wirkte sie nicht mal so, als wäre ihr nach Heulen. Schreien vielleicht, aber ohne Tränen. Wahrscheinlich war ihr mehr nach Trost. Vielleicht danach, dieses Gefühl der Verbundenheit wegen ihrer enttäuschten Liebe zu vertiefen, die ironischerweise dieselbe Person betraf. Wer weiß. Vielleicht wollte sie auch einfach gar nichts tun und die Welt ignorieren.

»Heulen, klar«, grummelte Minho, »als ob wir das nicht genauso gut alleine könnten.«

Stille. Natürlich wusste Eunyoung, dass Heulen eine bessere Einzeltätigkeit war, aber sie wollte wahrscheinlich irgendeinen schlechten Witz in diesem schlechten Witz von Situation reißen.

»Und was schlägst du dann vor?«, erkundigte sie sich und blickte Minho in die Augen. Ohne, dass der Ausdruck in ihnen irgendwie besonders wäre, wenn, dann war er besonders aufmerksam. Unvoreingenommen. Hoffnungsvoll, dass Minho irgendwas besseres einfallen könnte.

Denn, nein, sie wollte sicherlich auch nicht weinen. Sie würde es bestimmt tun, sobald sie alleine in ihrer Wohnung war, doch das wäre dann eher so ein Gefühl, das einen einfach böse überkam, nicht sowas wie: »Ach, komm, Tränenvergießen ist doch was Tolles!« Jetzt, wo sie schon zu zweit waren, wollte sie einfach ...

»Ablenkung«, meinte Minho und er musste in Eunyoungs Augen, die irgendwie aufleuchteten, sehen, dass er ihr damit aus der Seele sprach.

»Ablenkung?«, fragte Eunyoung nach und setzte sich plötzlich total aufgeweckt aufrechter hin und lehnte sich automatisch ein Stückchen nach vorne, näher zu Minho.

»Ja, keine Ahnung«, erwiderte Minho und ließ den Blick zur Decke abschweifen. »Nicht nur Ablenkung davon, dass er unsere Gefühle nicht erwidert«, versuchte er, seine Gedanken auszudrücken, und druckste danach ein wenig herum. »Ich ... Wir mögen denselben Typen und wussten es nicht. Wir verbringen ständig Zeit miteinander und wussten es nicht. Ganz ehrlich, ich hätte es dir nie angesehen. Und ... Scheiße, ich weiß nicht, ob ich froh sein soll, dass er Yongbok hat. Denn ich hätte es echt nicht gut verkraftet, wenn du Jisung bekommen hättest. Bitte nimm mir das nicht übel, denn  – ich hätte es auch nicht gut verkraftet, wenn ich der Grund gewesen wäre, warum du ein gebrochenes Herz hast.«

I WANT HIM 2 ||  jilix +[huh?]-minsungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt