7 | 🂲 | Künstlerische Paare

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»Frau Huh«, sprach Herr Kim Eunyoung in ihrem heutigen Praxisseminar an und erschreckte sie ein wenig, weshalb sie leicht zusammenzuckte – zum Glück in einem Moment, in dem ihr Pinsel weit genug von der Leinwand weg war. »Sie orientieren sich viel an Kay Sage, vermute ich?«, fragte ihr Dozent, während er ihr Gemälde genau begutachtete.

»Ja, genau ...!«, erwiderte sie begeistert. »Ich habe die Maler und Malerinnen der surrealistischen Gruppe am Anfang unseres Seminars in einem allgemeinen Überblick angesehen. Ich mag zum Beispiel auch Dorothea Tanning, aber ich male so häufig Menschen und Pflanzen, deswegen wollte ich etwas mit unbelebten Objekten ausprobieren ...«, erzählte Eunyoung von sich aus weiter, denn sie konnte davon ausgehen, dass Herr Kim ihr zuhörte. Er war nicht einmal vier Jahre älter als sie, doch im Rahmen seiner Promotion unterrichtete er bereits eine Handvoll Seminare und er nahm sich viel mehr Zeit für seine Studierenden, als er müsste.

»Das ist toll, Frau Huh! Ich begrüße es immer, wenn unsere Studierenden sich in ihren Seminaren neuen Herausforderungen stellen, statt bei ihren altbewährten Techniken und Motiven zu bleiben. Wirklich, toll!«, lobte Herr Kim sie, ließ seinen Blick nochmal über ihre Leinwand wandern und ging dann zu dem Studenten weiter, der neben Eunyoung malte.

Er hieß Hyunjin, war ein Jahr jünger als Eunyoung und hatte irgendwann im Laufe des Semesters angefangen, sich immer den Platz neben ihr zu krallen. Sie hatten noch nie länger miteinander gesprochen, doch er bekam mehr von ihr mit, als sie bemerkte. Auch jetzt achtete sie wenig auf ihn und auf das, was Herr Kim zu seinem Gemälde zu sagen hatte, sondern malte versunken in ihre wirklichkeitsfremde, tote Landschaft weiter, ließ die Figuren immer lebensechter und doch so fad wirken. Wie Kay Sage, die Künstlerin, die Eunyoung seit Anfang des Semesters so begeisterte.

»Es ist schon irgendwie lustig, dass du dir Kay Sage als Hauptinspiration ausgesucht hast«, sprach Hyunjin Eunyoung an, während sie am Ende des Seminars ihre gesäuberten Malutensilien einsortierten. »Ich orientiere mich an Yves Tanguy.« Eunyoung hob verdutzt den Blick und sah erst zu Hyunjin, der sie aufmerksam anlächelte, dann auf sein Bild. Tatsächlich ... Wenn man Tanguys Kunst kannte, erkannte man auch die typischen Züge, die Hyunjin für sich nutzbar gemacht hatte.

»Du hast recht«, erwiderte Eunyoung schief grinsend und blickte zurück zu Hyunjin, »so ein Zufall, dass wir nebeneinandersitzen und uns ein Ehepaar ausgesucht haben.« Nun gut, es war sicherlich ein Zufall, dass Eunyoung so von Kay Sage und Hyunjin ausgerechnet von deren Ehemann Tanguy fasziniert war – doch die Sitzordnung, die empfand nur Eunyoung als Zufall. »Du setzt es echt gut um, das Tanguyeske«, meinte sie begeistert und sah ein weiteres Mal weg von Hyunjin.

»Dankeschön!«, freute er sich ganz offensichtlich über das Kompliment und strahlte übers ganze Gesicht. »Du aber auch. Du fängst die Seele von Sages Gemälden so unglaublich gut ein«, gab er das Kompliment zurück und streckte sich ein wenig zu ihr hinüber, um das Gemälde besser begutachten zu können.

»Es ist schon verrückt, wie ähnlich sich Tanguy und Sage in manchen Bereichen sind – wie fotografisch scharf ihre Umrisse zum Beispiel sind – und wie sehr sie sich woanders wieder unterscheiden. Wie in der Härte der Kanten oder der Menge und Strahlkraft der Farben ...«, plapperte Hyunjin vor sich hin, doch Eunyoung langweilte der Redeschwall nicht. Im Gegenteil, ihre Augen lagen stets auf Hyunjin und sie nickte begeistert, während er erzählte.

Ob ihr dabei auffiel, wie seine Wangen zartrosa wurden, als er ihren aufmerksamen Blick bemerkte? Wer weiß, wer weiß ... Eunyoung dachte sich meist nichts dabei, wenn sie jemanden rot werden sah, und dass es an ihr liegen könnte, darauf käme sie erst recht nicht.

Minho war neulich auch mal rot geworden, als sie ihn mit Komplimenten zu seinen Muskeln überhäuft hatte – und eventuell ein wenig auf Tuchfühlung gegangen war –, und Eunyoung hatte einfach unbeirrt weitergemacht. Sie konnte es sowieso nie glauben, wenn ihr Freunde sagten, wie sie irgendwen verzaubert haben sollte, und selbst würde sie nie in ihren wildesten Träumen dran denken. Bei ihrem letzten Freund war sie auch bis zur letzten Sekunde mehr als verwirrt gewesen, dass er wirklich was an ihr gefunden hatte.

I WANT HIM 2 ||  jilix +[huh?]-minsungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt