Kapitel 13

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!! Triggerwarnung !!

Lotta

Zusammengekauert sitze ich auf der Liege auf meinem Balkon und schaue auf das wilde Treiben der Stadt unter mir. Berlin scheint auch niemals zu schlafen. Ich glaube ich muss mir etwas eingestehen, was ich nie, nie, niemals für möglich gehalten hätte. Nie in meinem Leben hätte ich gedacht, dass ich für einen Mann wieder Gefühle entwickeln könnte. Seit guten zwei Stunden tigert mir Wincent Satz durch den Kopf und in Kombination zu meinem kleinen Drama, das er Damenbesuch hatte, spinnt sich mein Kopf die Dinge eins und eins zusammen. Mittlerweile ist es schon kurz nach 00:00 Uhr, aber mein Köper ist leider noch zu wach, um zu schlafen. Doch plötzlich reißt mich die aufgehende Balkontür des Nebenzimmers aus meinen Gedanken. Eine Sekunde später sehe ich den allzu bekannten braunen Wuschelkopf, der sich ans Geländer stellt und runterschaut. Kurz schaue ich ihn an, bis ich mich doch bemerkbar mache. ,,Auch schlaflos?" Erschrocken fährt er zu mir herum. ,,Oh hey", sagt er leise. Erwartungsvoll schaue ich ihn an. ,,Ja, leider. Gedanken kreisen mal wieder", seufzt er. ,,So geht es mir auch", lächle ich leicht und vergrabe meine Finger im Ärmel meines Pullovers. Einen Moment schaut er mich schweigend an, bis er in seinem Zimmer verschwindet. Doch keine fünf Minuten später, klopft es an meiner Zimmertür. Verwirrt gehe ich hin und öffne sie. Davor steht ein grinsender Wincent und hält eine Weinflasche hoch. ,,Lust auf ein Gläschen Wein?" ,,Komm rein", kichere ich und öffne ihm die Tür. ,,Wo hast du denn die Flasche her?", schmunzle ich und folge ihm nach draußen. ,,Das ist mein Wein. Die Flaschen habe ich dabei, um sie zu verschenken", lacht er und setzt sich neben mich.

,,Ach so, warte ich hole Gläser", lächle ich und hole die zwei Gläser, die auf dem Tisch stehen. ,,Oh, der schmeckt aber gut", sage ich, als ich einen Schluck geraubten habe. ,,Wie gehts die gerade und sei bitte ehrlich?", fragt er leise und stellt sein Glas auf den kleinen Tisch. ,,Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Irgendwie wühlt mich die Vergangenheit aktuell sehr auf." ,,Mathilda?", fragt er vorsichtig. ,,Ja, ich habe seit ein paar Tagen wieder diese Bilder im Kopf und bekomme sie einfach nicht aus meinem Kopf", seufze ich und fahre mir durchs Gesicht. ,,Wenn du nicht darüber reden willst, will ich dich nicht dazu drängen", erwidert er sanft. ,,Nein, wenn du mir zuhören magst", lächle ich leicht. ,,Sagte doch, ich bin ein guter Zuhörer", schmunzelt Wincent und knufft mir in die Seite. Warum ist er so? Warum macht er es mir so schwer, ihn nicht zu mögen?! ,,Hast du eine Vermutung, warum es aktuell so schlimm ist?" ,,Keine Ahnung. Vielleicht hat es mit den Kommentaren auf Instagram zu tun", mutmaße ich und zucke mit den Schultern. ,,Welche Kommentare?", fragt Wincent verwirrt und schaut mich zusammengezogenen Augenbrauen an. ,,Seit dem Post, dass ich bei dir arbeite, kommen immer mal wieder dumme Kommentare. Das erinnert mich wahrscheinlich insgeheim an die Hatewelle, die ich damals nach meiner Social-Media-Pause bekommen habe." ,,Wie? Du hast Hate bekommen, weil du dich nach dem Tod deiner Tochter zurückgezogen hast?" ,,Nicht direkt. Mir wurden unter anderen Dinge vorgeworfen, die einfach unter der Gürtellinie gingen. Sie haben mir unteranderem Vorgeworfen, dass ich Schuld an ihrem Tod war oder bin. Ich wäre zu oft mit ihr unterwegs gewesen, hätte sie ja nicht gestillt, hatte sie alleine schlafen lassen und am allermeisten wurde mir vorgeworfen, dass ich sie ja nach dem Spaziergang alleine draußen stehen lassen habe", erzähle ich und muss am Ende hin schluchzen. ,,Ist das denen ihr fucking Ernst?", erwidert er wütend und ballt seine Hände zu Fäusten. ,,Doch, weißt du, ich würde alles tun, um sie hier zu haben", schluchze ich und vergrabe mein Gesicht in meinen Händen.

,,Ich weiß", flüstert er und streichelt über meinen Rücken. ,,Ich hätte ihr doch nie was antun können", wimmere ich und schaue ihn aus verweinten Augen an. ,,Shh, komm her", spricht er sanft und zieht mich an seine Brust. Dort weine ich mich stumm aus und bekomme plötzlich den Drang ihm von meiner schlimmsten Zeit zu erzählen.
,,Es war kurz nach 9:00 Uhr. Tilli war total unruhig und wollte nicht einmal in der Trage zur Ruhe kommen. Aber sie war nicht unruhig in dem Sinne, das sie geweint hat. Sie lag einfach nur da und hat gelacht und gespielt", erzähle ich und schaue zu Wincent hoch, der mich anlächelt. ,,Aber da sie um diese Uhrzeit immer ihren ersten Mittagsschlaf gemacht hat, wurde sie irgendwann müde und kam nicht in den Schlaf. Also habe ich den Kinderwagen fertig gemacht, ihr den Schlafanzug angezogen und mit ihr losgelaufen. Sie hat noch eine Weile einfach nur da gelegen und die Welt beobachtet. Kurz bevor ich den Heimweg antreten wollte und es aufgeben wollte, ist sie eingeschlafen. Zu Hause angekommen habe ich sie auf die Terrasse gestellt und ihr die Spieluhr angemacht. Ich habe ihr noch einen Kuss auf die Stirn gegeben und bin reingegangen. Da habe ich sie zum letzten Mal lebend gesehen", hauche ich.

Ist so viel schöner, besser, leichter mit dirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt