Kapitel 20

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Carlotta

Dröhnender Schmerz durchflutet mich. ,,Hey Lotta, was ist los?", fragt Wincent besorgt. Ich möchte ihm antworten. Ihm sagen das alles gut ist, aber das ist es nicht. Meine Brust fühlt sich an wie zugeschnürt. Ich werde immer panischer und das wird auch durch meine Atmung deutlich. Ich schnappe immer wieder hektisch nach Luft. So schnell das mir schwindelig wird. ,,Lotta", spricht Wincent und greift nach meiner Hand. ,,Ganz ruhig. Es ist alles gut." Nein, nichts ist gut. Überhaupt nichts ist gut. Es wird mir hier gerade zu eng. Also reiße ich die Autotür auf und lasse mich auf den Boden sinken. Trotzdem fühlt es sich an, als würde eine schwere Decke auf meiner Brust liegen. Im Hintergrund höre ich wie Wincent die Autotür schließt und sich vor mich setzt. Er redet ganz langsam und ruhig auf mich ein. Mein Herz rast so schnell, dass ich Angst habe, das es mir jeden Moment aus der Brust springen. Wincent greift nach meiner Hand und spricht: ,,Dir passiert nichts Lotta. Du bist nicht alleine. Du bist in Sicherheit. Ich bin bei dir. Versuche zu atmen." Ich drücke seine Hand fester und versuche zu atmen, auf seine Aufforderung einzugehen und versuche die Bilder aus meinem Kopf zu bekommen. Wincent. Ich versuche mich auf ihn zu konzentrieren. Auf seine Stimme, auf seinen Geruch, auf seine Anwesenheit. ,,Wince", flüstere ich, ohne seine Hand loszulassen. ,,Ich bin hier", sagt er und streicht mir die Tränen von der Wange. ,,Was ist los?" ,,Sie", schluchze ich und deute mit zittrigen Händen hinter ihn. Als er über seine Schulter blickt, scheint er zu verstehen. ,,Das ist Amara, Manus Frau", flüstert er und schaut mich besorgt an. ,,Wie alt", hauche ich und habe Angst vor der Antwort. ,,Sie wurde letzten Monat ein halbes Jahr." Ich versuche den Blick nicht auf die Frau zu richten. ,,Es ist schwer oder?", fragt er leise und schaut mich mit einem traurigen Blick an. Nickend fange ich wieder an zu schluchzen.

,,Shh, komm her", flüstert er und zieht mich an seine Brust. ,,Ich wusste nicht das sie heute kommt. Eigentlich weiß ich das immer." Sachte nimmt er mein Gesicht in seine Hände. ,,Schaffst du es?" ,,Ich weiß nicht, normal meide ich es", wimmere ich. ,,Soll ich mit Manu und ihr reden?" ,,Du kannst sie doch nicht einfach wegschicken. Wenn nicht, soll Mats heute filmen und ich gehe", flüstere ich. ,,Das kommt überhaupt nicht in Frage. In deinem Zustand bleibst du bei mir." ,,Ich komme mir vor, wie die schwächste Nervensäge", hauche ich und wische mir die Tränen von der Wange. ,,Bist du nicht. Denk das bitte nicht. Ich verstehe das total. Mir würde es auch nicht anders gehen." Wincent lässt mich noch einen Moment zur Ruhe kommen, bis wir nach hinten gehen. Als wir nach hinten gehen, sehen natürlich alle das ich geweint habe. Sofort kommt Mats auf mich zu und zieht mich in seine Arme. ,,Lia oder?", flüstert er und schaut mich besorgt an. ,,Manu?", frage ich. ,,Ja." Nickend senke ich den Blick.

Als ich mich neben Mats setze, stellt mir Manu seine Frau vor. Aber meine Vorstellung fällt nur knapp aus. ,,Ich wusste gar nicht das du kommst", sagt Wincent und lächelt Amara an. ,,Das war spontan. Die Kleine war heute sehr brav und da habe ich Manu gefragt, ob ich nicht bisschen vorbeikommen soll", lächelt sie. ,,Hoffentlich ist das kein Problem?", ergänzt sie noch schnell. ,,Nein", erwidert Wincent. ,,Geh doch mal zu Onkel Winnie", grinst Manu und setzt das kleine Mädchen auf seinen Schoß. Und ich kann einfach nicht wegschauen. Wincent geht total herzlich mit der kleinen Maus um und bringt sie sogar zum Lachen. Dieser Anblick schmerzt einfach nur unglaublich. Als Lia anfängt zu lachen, durchfährt mich ein Gefühl der Ohnmacht. Schluchzend stehe ich auf und suche das Weite. ,,Lotta?", höre ich Amelie verwirrt fragen. Doch ich ignoriere es und lasse mich hinter den Bussen auf den Boden sinken. Keine Minute später, zieht mich Mats in seine Arme. ,,Shhh, ich weiß", flüstert er. ,,Es tut so weh", wimmere ich und kralle mich in sein Shirt. Aber plötzlich setzt sich jemand neben mich und streichelt über meinen Rücken. Wincent. ,,Sie stellen Fragen", seufzt er und schaut mich besorgt an. ,,Das kann ich mir vorstellen", murmle ich und löse mich von meinem besten Freund. ,,Warum kommt das jetzt alles hoch? Die letzten zwei Jahre war es doch auch nicht so krass", schluchze ich.

,,Vielleicht weil du es die letzten Jahren einfach nur versucht hast zu verdrängen Carlotta. Du hast bei uns anderen, so wenig über Tilli gesprochen. Erst seit ein paar Wochen/Monaten, merke ich, dass du diese Mauer abbaust. Und das ist auch wichtig", spricht Mats sanft auf mich ein. ,,Ich glaube, du hast recht", flüstere ich und schaue zu ihm hoch. ,,Wir sind immer für dich da Lotta", erwidert er und schaut rüber zu Wincent. ,,Er hat recht und wenn du das Bedürfnis hat, es rauszulassen, sind wir da", lächelt Wincent und drückt meine Hand. ,,Ich glaube, ich spreche das Thema im Team an. Ich möchte mich nicht immer rechtfertigen müssen", flüstere ich und blicke auf meine Hände. ,,Wenn du das möchtest, aber fühl dich bitte nicht dazu gezwungen", antwortet Wincent. ,,Nein, so fühle ich nicht." ,,Okay, dann trommle ich mal die Truppe zusammen", spricht er und steht auf. Zu dritt gehen wir zurück und Wincent ruft alle erstmal zusammen. Natürlich spüre ich die verwirrten Blicke der anderen auf mir. Wincent und Mats stehen schützend neben mir. ,,Ich wollte euch noch was erzählen. Ihr habt vielleicht gemerkt, dass es mich vorhin sehr belastet hat, Amara mit Lia zu sehen", fange ich an und schon gehst los. ,,Ich habe vor drei Jahren eine Tochter auf die Welt gemacht", erzähle ich und schon fange ich an zu schluchzen. ,,Leider habe ich sie 6 Monate später am plötzlichen Kindstod verloren. Seitdem belastet es mich das Thema sehr und vor allem Kinder", schniefe ich und blicke in die Gesichter der anderen. Jeder schaut mich geschockt an und manche haben sogar Tränen in den Augen.

Nach diesem Moment werde ich von allen in die Arme gezogen und sie viel Liebe und Verständnis habe ich schon lange nicht mehr gespürt. Über den Tag verteilt, schaffe ich es sogar mit Amara über die Kleine zu reden. Als die Jungs beim Soundcheck sind, sitze ich sogar bei ihr und der kleinen Maus auf der Spielecke. ,,Ich habe einen riesigen Respekt vor dir", sagt Amara und lächelt mich an. ,,Danke, aber die Welt dreht sich leider weiter", flüstere ich und nehme der Kleinen die Rassel ab, die sie mir hinstreckt. ,,Was sehe ich denn da?", ruft plötzlich Wincent und kommt auf uns zu. Lächelnd winke ich ihm zu. ,,Hast du einen Moment?", fragt er und hält mir die Hand zum Aufstehen hin. ,,Was ist denn los?", lächle ich und folge ihm. ,,Ich möchte dir unsere Reisebegleitung vorstellen", schmunzelt. ,,Ah, ist Marc hier?" ,,Ja genau." Als wir um die Ecke biegen, kommt schon ein junger Mann auf uns zu. ,,Hey, ich bin Marc und du musst Wincents Auserwählte sein", grinst er und reicht mir seine Hand. ,,Marc", zischt Wincent und funkelt ihn an. ,,Die bin ich wohl. Lotta", lache ich und schüttle seine Hand.

,,Und du fährst auch mit?", frage ich Marc und setze mich ihm gegenüber. ,,Nicht direkt. Ich komme nach, wenn ihr in Monaco ankommt." ,,Ach so", lächle ich und nehme Wincent die Wasserflasche ab. ,,Hast du eigentlich deinen Anzug dabei?", fragt Marc. Nun ist Wincent derjenige, der ihn geschockt anschaut. ,,Scheiße." ,,Moment, du fährst zu den internationalen Filmfestspielen und vergisst deinen Anzug", lache ich. Peinlich berührt wendet er seinen Blick ab. ,,So ist unser lieber Wincent", grinst Marc. ,,Oh man", grinse ich und schüttle den Kopf. ,,Dann müssen wir wohl shoppen gehen. Du hast ja wohl auch kein passendes Outfit dabei", zwinkert er. ,,Ich wusste bis gestern ja auch noch nicht, dass ich dahin gehe", zwinkere ich zurück. ,,Okay, Punkt für Lotta", seufzt er und trinkt von der Flasche. ,,Ich mag dich jetzt schon", lacht Marc und hält mir die Hand zum einschlagen hin. ,,Och nö", seufzt Wincent und verdrängt sein Gesicht in seinen Händen.

Auch das Konzert war wieder richtig schön und später geht alles recht zügig zu. ,,Fährst du eigentlich nach Hause?", fragt Mats, als wir unsere Equipment einpacken. ,,Ehm nein", sage ich und kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. ,,Lass mich raten, du verbringst die Woche mit Wincent", seufzt er und schultert seinen Rucksack. ,,Ja." ,,Okay, dann wünsche ich euch mal viel Spaß", lächelt er leicht. ,,Danke, wir sehen uns", sage ich und umarme ihn nochmal. Wir verabschieden uns auch noch von den anderen und von Marc. ,,Wir sehen uns Mittwoch", ruft Marc und steigt in sein Auto. ,,Auf gehts", grinst Wincent und startet den Motor. Bevor wir auf die Autobahn fahren, halten wir nochmal an der Tankstelle und decken uns auch nochmal mit Proviant ein. ,,Weißt du, ich freue mich gerade so sehr, dass du mich gefragt hast", lächle ich, als wir wieder zum Auto laufen. ,,Ich hatte echt Angst dich zu fragen", schmunzelt er und schließt das Auto auf. ,,Ich war auch ein bisschen unsicher, aber letztendlich bin ich ja hier", kichere ich hier. ,,Und das freut mich auch."

,,Soll ich auch ein Stückchen fahren?", frage ich ihn, als wir unsere Sachen ins Auto packen. ,,Wenn du willst. Dann können wir uns zwischendurch auch beide bisschen ausruhen." ,,Gut, dann Schlüssel her", zwinkere ich und halte ihm eine Hand hin. ,,Pass bloß auf mein Baby auf", lacht er und gibt ihn mir. ,,Ich bin dein Baby doch schon gefahren", grinse ich und steige ein. Während ich den Sitz einstelle, gibt Wincent unser Ziel ein. ,,Sechs Stunden", seufze ich und starte den Motor. ,,Kannst ja zwischendurch schlafen", lacht mein Beifahrer und trinkt einen Schluck von seinem Kaffee. Wir reden noch ein bisschen, bis Wincent doch einschläft. Leise mache ich mir das Radio an und fahre uns weiter in Richtung Süden. Ohne das wir schon wissen, was uns dieser Urlaub bringen wird...

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