Kapitel 16 - Der Schmetterlingseffekt (Part 2)

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[Trigger Warnung: Thematisierung von Suizid und Straftaten]


Den Anfang vom Ende hatte Solo es vorhin genannt, fast so, als verspürte er Bedauern mit den Beteiligten. Mya trank einen weiteren Schluck des Kaffees, um die langsam aufkommende Müdigkeit aus ihrem Kopf zu schwemmen, denn sie ahnte, dass der wirklich schwierige Part erst noch folgen würde. Nicht schwer im Sinne von, zu kompliziert, um es zu verstehen. Eher schwer im Sinne von, es könnte ihr Dinge verraten, die sie lieber nicht wissen wollte und Anklage gegen jemanden erheben, den sie als alles außer einem Verbrecher betrachten wollte, obwohl sie natürlich faktisch wusste, dass Jake genau das war. Wenn sie Solo doch nur auf ihn ansprechen könnte...
Viele Dinge hätten nicht passieren müssen. Ihre Gesamtsituation hatte sich aus einer Nachricht eines Unbekannten, einem einfachen "Hallo", ergeben, der als aller erster Dominostein gefallen war. Nicht wenige der Entscheidungen, die Mya zuletzt getroffen hatte, würde sie heute, wo sie das Ergebnis kannte, anders treffen, um sich und viele Leute, die ihr wichtig waren, zu schützen. Aber so war das Leben nun mal. Man entschied sich für eine Option, manchmal mit einem Hintergedanken, manchmal aus einem Bauchgefühl heraus, manchmal völlig blindlings, und stellte dann eben auch manchmal fest, dass man einen Fehler begangen hatte, der sich nicht mehr rückgängig machen ließ. Das betraf nicht nur sie, sondern war ihr seit Beginn ihres Kontakts zu ihren Freundes aus Duskwood immer wieder begegnet. Es war einfach, über die Fehltritte eines anderen den Kopf zu schütteln und sich zu fragen, welcher Teufel sie nur geritten hatte, als sie getan hatten, was sie eben getan hatten, aber dann fand man sich selbst in einer solchen Situation wieder und stellte fest, dass es oft nur einen kurzen Moment der Schwäche verlangte, ein einziges Mal, in dem das Herz den Kopf überstimmte, um eine Lawine auszulösen, die niemand mehr aufhalten konnte.
Wäre Hannah damals nicht ohne Führerschein gefahren, wären Jennifer Hanson und Amy Bell Lewis nicht tot.
Hätte Richy die Polizei damals sofort verständigt, hätte Mya niemals von dem kleinen Örtchen Duskwood erfahren und ihre neuen Freunde kennengelernt. Und sich auch nie strafbar machen müssen.
Hätte Mya damals auf Richys Forderung reagiert, würde sie jetzt nicht um kurz vor Mitternacht mit einem Unbekannten über einen Kriminalfall chatten, um herauszubekommen, wer sie stalkte und vor allem, wofür.
Und hätte AR0SE nicht... Naja, was eigentlich? Hätten sie dem Whistleblower die Informationen nicht abgekauft, wäre Peter Kelly dann heute noch am Leben? Wäre er erfolgreich gewesen? Und wäre das überhaupt fair?
Hätte, hätte, hätte.
So viele Angelegenheiten, die man besser hätte lösen können, um Szenarien zu erschaffen, in denen weniger Schaden entstanden wäre. Aber all das waren nur Wünsche. Nichts davon ließ sich ungeschehen machen, und schlussendlich führten all diese verstreuten Punkte ins Hier und Jetzt zurück. Eine Realität, der sich Mya am liebsten entzogen hätte, gäbe es eine Möglichkeit dafür, die nicht irreversibel war, und die sich womöglich in den nächsten Minuten stetig verschlimmern würde. Satz um Satz, den Solo von sich gab. Er hatte vielleicht gar keine Ahnung, welche Tragkraft seine Worte für sie hatten. Dass er die Macht hatte, nicht nur sie zu zerstören, sondern auch Jake. Mit einem tiefen Atemzug bereitete sie sich auf jeden möglichen Ausgang dieser Geschichte vor.

 Mit einem tiefen Atemzug bereitete sie sich auf jeden möglichen Ausgang dieser Geschichte vor

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Duskwood - Jäger und GejagteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt