K a p i t e l | 9

29 7 0
                                    

🌼 DAVINA 🌼

Nate bestand darauf, mich nach Hause zu fahren. Da meine Schwester und ich uns ein Auto teilen und sie heute Nachtschicht hat, kommt es mir ganz gelegen. Nate fährt einen Bentley und es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich in so einem kostspieligen Wagen sitze. Ich fühle mich etwas unwohl, da mir klar wird, wie unterschiedlich unsere Welten sind. Natürlich ist es nur ein Auto, aber wie luxuriös ist sein Leben wohl? Wie sieht sein Zuhause aus? Hat er dort Angestellte, die ihm alles hinterhertragen? Geht er auf exklusive Events? Wie ich erfahren habe, gibt es mehrere Zeitungsartikel über ihn. Nathaniel Jackson, den berüchtigten Frauenhelden.

"Du wohnst nicht weit vom Krankenhaus entfernt", stellt Nate fest und bricht somit das Eis.

"Ja. Mein Vater hat in der Verwaltung für deinen gearbeitet, er war so etwas wie seine rechte Hand, kann man sagen. Und meine Mutter war Krankenschwester, deshalb sind wir in die Nähe des Krankenhauses gezogen. Als Kinder waren wir oft dort, unglaublich, dass wir uns nie getroffen haben."

"Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich nicht hier gelebt habe, sondern bei meiner Mom in Manhattan", antwortet er. "Du redest in der Vergangenheitsform von deinen Eltern, warum?" Er sieht kurz vom Lenkrad zu mir und richtet seinen Blick zurück auf die Straße. Ich empfinde eine innere Unbehaglichkeit und atme langsam aus, um mich geistig auf das anstehende Gespräch vorzubereiten.

"Mein Vater starb infolge eines Autounfalls", sage ich. Meine Gedanken begeben sich in eine Welt voller Erinnerungen, die ich nur zu gerne aus meinem Kopf verbannen würde. "Der Fahrer, der den Unfall verursachte, wurde nie gefunden. Obwohl es mehr als zehn Jahre her ist, ist Mom seitdem nicht mehr dieselbe. Bei ihr wurde eine Agoraphobie diagnostiziert. Das ist eine Angststörung. Sie hat schrittweise begonnen, erst fing sie an, bestimmte Orte zu vermeiden, wie das Krankenhaus, Dad ist nämlich dort gestorben. Im Laufe der Zeit konnte sie das Haus nicht mehr verlassen. Allerdings geht es ihr jetzt etwas besser, die Medikamente helfen ihr, alltägliche Dinge wie einkaufen gehen zu überstehen."

Nate sieht bedauernd zu mir und legt seine Hand auf die meine.

"Das tut mir leid. Ich möchte nicht einmal wissen, wie schlimm diese Zeit für deine Schwester und dich gewesen sein muss. Erst verliert ihr euren Vater und, dann auch ein Stück eurer Mutter. Es freut mich, dass eure Mutter sich besser fühlt. Ich hoffe, sie kriegt irgendwann ihr Leben wieder zurück", sagt er und setzt seine Hand wieder ans Lenkrad. Mir fehlt sofort die Wärme, die er ausgelöst hat.

"Danke schön, das hoffe ich auch."

Nate biegt in unsere Einfahrt und bringt den Wagen zum Stehen. Wir beobachten uns in der Stille, und es kommt mir vor, als hätte ich heute eine völlig neue Seite von ihm kennengelernt. Ich bin nicht in der Lage zu bestimmen, wie viele Fassetten er hat, aber er hat einen Ruf, dem er nur alle Ehre erweist.

"Aus welchem Grund hast du mich heute überhaupt gesucht?" Nate sieht mich ein wenig überrascht an, anscheinend hat er mit solch einer Frage nicht gerechnet.

"Ich wollte dir sagen, dass mit dem Patienten alles gut verlaufen ist", antwortet er schließlich und ich hebe die Augenbrauen.

"Das ist aber aufmerksam von dir."

Er lächelt charmant. "Nur für dich Liebes, es ist schwer deine Aufmerksamkeit zu umwerben." Meine Wangen glühen ungewollt und ich lächle in mich hinein.

"Ich denke, es wird Zeit, sich zu verabschieden."

"Einen schönen Abend, Davina. Und danke, für dein Vertrauen."

"Danke, dass du zugehört hast, gute Nacht."

Als ich das Auto verlasse, wartet Nate darauf, dass ich das Haus erreiche, bis er schließlich losfährt.

Zu Hause angekommen, höre ich den Fernseher leise laufen. Ich gehe ins Wohnzimmer und lächle warm, als ich Mom schlafend auf der Couch erkenne. Ich decke sie zu und gebe ihr einen Kuss auf die Stirn.

"Bist du schon zu Hause?", raunt Mom verschlafen. "Ja, schlaf ruhig weiter." Sie murmelt irgendetwas Unverständliches und ich schalte den Fernseher bewusst nicht aus. Ich weiß, dass sie sich wohler fühlt, wenn er eingeschaltet ist, um zu wissen, dass sie noch immer zu Hause ist.

Nachdem ich mich Bett fertig gemacht habe, kann ich nicht anders, als den Laptop zu öffnen und Nate zu googeln. Ich fühle mich, als ob ich etwas Verbotenes tue. Fotos von ihm blitzen auf und mein Herz macht einen Satz. Ich sehe Bilder von ihm, auf denen verschiedene Frauen in Bars zu sehen sind. Schwer zu glauben, dass ich gerade mit ihm gesprochen habe. Es werden mir Bilder von ihm aus dem Krankenhaus, Fotos von der Jubiläumsfeier und Fotos seiner Eltern Arm in Arm angezeigt. Sagte er nicht, seine Eltern seien getrennt? Ich nehme mir vor, ihn zu einem passenden Zeitpunkt zu fragen, während ich meine Augen schließe und sanft in einen erholsamen Schlaf gleite.

The Wedge between UsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt