(Kapitel 24)

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Jürgen konnte die ganze Woche an nichts anderes denken als an seine ersten Tage in der Hitlerjugend. Beim Abendessen sprach er von kaum was anderem mehr und auch die Lage zu Hause hat an Spannung verloren. In der Schule erzählte er seinen Freunden von seinem Erfolg und seinem wöchentlichen Taschengeld von 20 Reichsmark. Samstag 10 und Sonntag 10. Das Geld war ihm jedoch völlig egal. Er wollte einfach nur Teil einer brüderlichen Gemeinschaft sein, in der jeder für den anderen sterben würde. Ein Teil von etwas sein, das mittlerweile in vielen Teilen von Deutschland Anerkennung fand. Auf dem Weg zum vereinbarten Treffpunkt sprang Jürgen fröhlich auf den leeren Straßen umher. Nebenbei sang er, ohne auch nur ein bisschen auf seine Umgebung zu achten. Und so kam es, dass plötzlich jemand aus einem der Fenster schrie, dass Jürgen seine Backen halten sollte. Danach summte er nur noch leise vor sich hin. So erlebte Jürgen den Weg, bis er direkt vor dem besagten Treffpunkt stand.

Es ist 8:30 Uhr und Jürgen ist mehr als eine halbe Stunde zu früh am Sportplatz. Er will unbedingt schon am ersten Tag einen guten Eindruck hinterlassen. Doch schon nach wenigen Minuten fängt Jürgen an zu frieren. „Warum ist denn so verdammt kalt?", murmelt er. Die Tür zum komplett verdreckten und schlechten Rasenplatz wird von einem eisernen Schloss zugehalten. „Komm doch her." Jürgen zuckt zusammen. Dann dreht er sich um. Vor ihm steht ein Junge mit hellbraunen Haaren. Er scheint in einem ähnlichen Alter wie Jürgen zu sein und ist etwas kleiner als er. Seine Gesichtszüge sind sehr markant, und seine Haut war noch sehr gebräunt vom vergangenen Sommer. Doch das, was Jürgen direkt ins Auge fällt, ist die Uniform, welche der Junge trägt. Er trägt die Uniform der Hitlerjugend. Mit ihrem braunen Stoff und ihrer schwarzen Krawatte scheint sie zu glänzen in der noch sehr matten Sonne. Die Binden mit den Hakenkreuzen an den Armen geben Jürgen das Gefühl des Respekts und Zusammenhalts. Auch die zahlreichen Taschen an der Uniform fallen Jürgen auf. Er selber hatte noch nie zuvor diese Uniform gesehen. Sie wurde ihm immer nur von seinen Freunden beschrieben. Jürgen mustert den Jungen von oben nach unten, bis er schließlich an der schwarzen, robusten Lederhose angekommen ist, welche von einem ebenfalls schwarzen Gürtel an der Taille des Jungen festgehalten wird. Langsam geht Jürgen auf den Jungen zu. Etwa drei bis vier Schritte vor ihm bleibt Jürgen stehen. Doch der Junge ist der, der das Gespräch beginnt: „Bist du der Neue?" Jürgen bewundert noch immer die Uniform, bis er sich endlich fängt: „Ja, mein Name ist Jürgen Ohlsen." Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten: „Schön dich kennenzulernen. Uns wurde schon viel von dir erzählt. Du sollst unglaublich gut singen können. Ich bin übrigens Martin." Anschließend reicht Martin Jürgen freundschaftlich die Hand. Jürgen entweicht ein Lächeln und greift direkt zu. 

Jürgen Ohlsen - Mythen über Mythen aber keine AntwortenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt