(Kapitel 34)

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„Es war stressig, aber am Ende, als ich den ersten Clip gesehen hatte, war ich richtig begeistert." Jürgen war gerade von seinem ersten Tag beim Filmdrehen zurückgekommen. Fröhlich hatte er den Drehort verlassen und auf dem Weg hatte er gepfiffen. Er hatte jeden gegrüßt, der an ihm vorbeigelaufen war und er streichelte sogar die verschmutze Katze, die er sonst so verabscheute. Seine Eltern lassen sich von seiner Freude allerdings nicht so anstecken. Beinahe beiläufig sagt sein Vater: „Schön freut mich." Seine Mutter ein bisschen enthusiastischer: „Immerhin ist das Geld pünktlich da." Das Geld hatte Herr Steinhoff Jürgen nach dem Dreh direkt in die Hand gedrückt. Er war sehr zufrieden und hat Jürgen sogar noch zwei Reichsmark mehr gegeben, wovon dieser sich direkt ein belegtes Brötchen gekauft hatte. Das restliche Geld hatte er an dem Ort platziert, an dem er schon das Geld für die Uniform damals aufgehoben hatte. „Kommt schon, zieht doch nicht so eine Miene. Es scheint doch alles gut zu laufen", versucht Jürgen seine Eltern ein bisschen aufzumuntern. „Wenn du willst, helfe ich dir am Dienstag, einen neuen Schuppen zu bauen", sagt er an seinen Vater gewandt. Zumindest für kurze Zeit hellt sich die Miene von seinen Eltern auf. Dann beginnt sein Vater zu sprechen: „Danke, Jürgen, das ändert unsere Meinung aber nicht." Wir ..." Weiter kommt er nicht, denn Jürgen unterbricht ihn: „Papa, ihr seid doch auf mich zugekommen damit. Außerdem hat das Ganze bis jetzt nur Gutes an sich. Auch die NSDAP gewinnt immer mehr an Macht." Seine Mutter ergreift das Wort: „Ich denke, Jürgen hat Recht." Das ändert zwar nicht, dass mich der Aufstieg der Partei zutiefst beunruhigt, aber darauf haben wir sowieso keinen Einfluss. Fakt ist, dass Jürgen innerhalb kurzer Zeit neue Freunde gefunden hat und sogar einen Job, welcher unser Einkommen fast schon verdoppelt." Dankend lächelt Jürgen ihr zu. Sein Vater zwingt sich ebenfalls, ein Lächeln von sich zu geben, doch dann geht er zu Jürgen. Er streckt seine Arme aus und nimmt ihn in den Arm. Dann fängt er erneut an zu reden: „Ihr habt ja Recht." Dann ist es still im Raum. Jürgen spürt die Wärme, die durch den Körper seines Vaters auch auf seinen übergeht. Noch immer die HJ-Uniform tragend, entgleitet er nach 30 Sekunden der Umarmung seines Vaters wieder. Wenn er noch länger in der Umarmung geblieben wäre, hätte er durch die Kombination mit der Uniform schnell angefangen zu schwitzen. Mit dem schönen Gedanken, seine Eltern vollauf überzeugt zu haben, verlässt er mit einem Nicken den Raum und verschwindet in sein Zimmer.

Jürgen Ohlsen - Mythen über Mythen aber keine AntwortenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt