Kapitel 2

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Außer Steven und Jannik warten auch unsere Ärztin Marlies und zwei Krankenschwestern auf uns. Sie nehmen Sammy den Fremden ab woraufhin der mir kurz mit seinem großen Wolfkopf zunickt bevor er mit Luke zurück im Wald verschwindet.
Eine der Schwestern winkt mich in den sogenannten 'Wandel-Raum' der quasi ein begehbarer Kleiderschrank ist in dem sich ankommende Wölfe zurück in Menschen verwandeln und anziehen können. Da hier eine größere Auswahl an Kleidung herrscht als am Baum im Wald, finde ich sogar passende Jeans und ein grünes T-Shirt.

In meiner menschlichen Form folge ich ihr zu den anderen in ein Einbettzimmer am Ende des Ganges. Der Fremde liegt inzwischen in ein Krankenhaus-Leibchen gekleidet in einem Krankenhausbett. In dieser sauberen Umgebung und an diverse Instrumente angeschlossen sieht er noch schmutziger und verletzlich aus.
"Wissen wir schon etwas?" Ich wende mich fragend an Marlies die mich über ihre Brille hinweg ansieht. "Naja er ist ja gerade erst hier rein gekommen. Ich habe Blut abnehmen lassen, dass wir gerade einmal durch testen. Janine hier säubert gerade die Wunden und verbindet sie. Und ihr seid sicher, dass er ein Werwolf ist? Diese Kratzer dürften eigentlich gar nicht mehr sichtbar sein. Selbst die tieferen müssten schon deutlich besser aussehen."
"Ja, ich bin mir sicher, dass er ein Werwolf ist obwohl ich gestehen muss, dass man es kaum riechen kann. Vorhin stand der Wind wohl einmal ganz gut, da konnte Aelia es deutlich wahrnehmen." Marlies zieht die linke, perfekt gezupfte Augenbraue hoch, sagt aber nichts sondern blickt mit ihren grünen Augen nachdenklich zu dem Werwolf vor ihr.

Man sieht ihr die 52 Jahre, wie allen Werwölfen, nicht an. Ihre kastanienbraunen Locken sind in einem hohen Pferdeschwanz gebunden, ihre vollen, zartrosa Lippen leicht gekräuselt während sie scheinbar nachdenkt.
Ein junger Mann kommt zur Tür herein und reicht ihr ein Klemmbrett bevor er wieder verschwindet. "Die Testergebnisse sind da. Du hast recht, er hat Werwolfblut. Außerdem sehe ich, dass er positiv auf Wolfswurz getestet wurde. Allerdings in so geringer Menge, dass das die Wundheilung eigentlich nicht so stark beeinflussen dürfte. Ich gebe ihm trotzdem mal das Antidot und vorsichtshalber ein Breitbandantibiotikum. Außerdem ist er ziemlich dehydriert aber das können wir schnell ändern.
"Kannst du sagen wann er aufwachen wird oder was mit ihm passiert ist?" "Aufgrund seiner ungewöhnlich langsamen Heilungsfähigkeit kann ich dir da leider keine Antwort darauf geben Soraya. Hätten wir es mit einem normalen Werwolf zu tun müsste er in zwei bis drei Stunden aufwachen und die Wunden sollten geheilt sein. Wäre er ein Mensch könnte das ein paar Tage dauern, ich weiß hier wirklich nicht wovon ich ausgehen soll. Ich lasse gleich noch ein CT von Kopf und Bauch machen um innere Verletzungen auszuschließen. Wenn er eine größere Kopfverletzungen erlitten hat kann das das Aufwachen verzögern. Heute Abend weis ich mehr, dann werde ich dem Alpha Bericht erstatten."

"Alles klar, danke dir Marlies. Ich werde nach dem Abendessen nochmal nach ihm sehen." Die Ärztin sieht mich mit einer Mischung aus Skepsis und Überraschung an, nickt mir aber bestätigend mit dem Kopf zu.
Ich weis selbst, dass es nicht gerade üblich ist, dass ich mich persönlich um den Fremden kümmere. Aber aus irgendeinem Grund will ich wissen dass es ihm wieder besser geht.
Ich drehe mich um und verlasse den Raum und die Klinik in Richtung Haupthaus in dem ich mit meiner Familie wohne.

Nachdem ich geduscht und mir wieder eigene Klamotten angezogen habe, diesmal meine blaue, eng anliegende Lieblingsjeans mit dem schwarzen oversize Pulli über einem schwarzen Sporttop, setze ich mich an den Schreibtisch in meinem kleinen Arbeitszimmer.
Das Haupthaus war früher einmal Dreh- und Angelpunkt des Rudels. Hier lebten der Beta im ersten Stock und der Alpha im zweiten Stock mit ihren Familien. Im Erdgeschoss gab es ein Gästezimmer das von Alphas anderer Rudel genutzt wurde, wenn sie zu Besuch oder zu Verhandlungen kamen. Außerdem befindet sich auch heute noch im Erdgeschoss eine große Küche sowie ein Esszimmer, dass jedoch zugunsten eines zweiten Besprechungszimmers etwas verkleinert wurde.
Früher, als das Rudel noch kleiner war wurden hier oft Feiern oder gemeinsame Abendessen ausgerichtet. Seit mein Großvater und auch mein Vater vorallem durch kluge Verhandlungen die Rudelgröße verdoppelt haben, finden solche Events im extra dafür gebauten Gemeinschaftshaus statt.

Als mein Vater das Rudel übernahm beschlossen er und sein Beta Gerald einige umbaumaßnahmen. Gerald zog mit seiner Familie auf ein kleineres Anwesen und mein Vater baute den ersten und zweiten Stock komplett um.
Alte Schlafräume wurden zu größeren mit angrenzendem Bad zusammen gelegt und drei wurden auf dem ersten Stock zu Büroräumen umgebaut. Eines für den Alpha, eines für den Beta und eines für die Luna. Das letzte Schlafzimmer wurde zum Gästezimmer mit kleinem Bad.
Im zweiten Stock befinden sich unsere Wohnräume wobei Samuels und mein Zimmer je ein kleines Arbeitszimmer angeschlossen haben in dem er momentan hauptsächlich lernt und ich grüble. Denn ich habe noch keinen richtigen Platz gefunden.

Ich werde weder Alpha noch Luna, mein Vater erwartet von mir nur, dass ich mich paare. Egal ob mit Schicksalbsband oder ohne, Hauptsache er ist ein großer Alpha. Seufzend lege ich meinen Kopf in die Hände bis meine Mutter uns zum Abendessen ins Esszimmer ruft.

Die Gefährtin des BetaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt