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Hyvn

Müde öffnete ich endlich meine Augen, die fast schon miteinander verklebt waren. Die ganze Nacht konnte ich kein Auge zudrücken, obwohl ich so müde war.

Ich hatte einen Albtraum – naja, es war kein Albtraum, sondern eher eine Erinnerung, die mich jedes Mal verfolgt, wenn ich meine Augen schließe. Wann hört das endlich auf, gott? Es hängt in meinem Kopf wie eine Haarsträhne, die ich herausreiße, aber immer wieder nachwächst. Die Wurzel ist so tief, dass ich sie nicht vollständig entfernen kann, und das ist die Hölle.

Ich stand auf und ging ins Badezimmer, um meine Zähne zu putzen. Ohne in den Spiegel zu schauen, putzte ich mir die Zähne. Statt in den Spiegel zu blicken, schaute ich lieber in das Waschbecken. Ich kann meine Zähne nicht putzen, wenn mich meine Augen die ganze Zeit so anstarren. Sie sehen genauso aus wie die meines Erzeugers, und das ertrage ich nicht. Ich hasse meine Augen. Ich hasse ihn. Ich hasse mich. Diese haselnussbraunen Augen, die mich jedes Mal anschauen, wenn ich in den Spiegel schaue. Die Ähnlichkeit ertrage ich nicht, sie bricht mich immer wieder aufs Neue. Jedes Mal, wenn ich in den Spiegel schaue, sehe ich, wie er vor meinen Augen verschwindet, genauso wie er es getan hat. Ich bin es leid, das die ganze Zeit zu ertragen, ich möchte meine Augen einfach herausreißen. Warum muss ich unbedingt seine Augen haben und nicht die meiner Mutter? Und warum muss ich für sein Handeln leiden? Ich habe doch nichts getan, ich schwöre! Warum glaubt mir meine Mutter nicht? War es wirklich meine Schuld?

Ich verdrängte den Gedanken an alles, putzte mir die Zähne zu Ende und wollte gerade in mein Zimmer gehen, als ich bemerkte, wie etwas aus mir floss. Verdammt! Ernsthaft jetzt? Ausgerechnet am ersten Tag in der Oberstufe bekomme ich meine Tage! Was will dieses verdammte Universum von mir? Immer kommen meine Tage zu unpassenden Momenten, irgendwas hat mein Körper gegen mich.

Genervt beugte ich mich unter das Waschbecken, wo sich ein Schrank befindet, und öffnete ihn, um Always-Binden herauszuholen. Als ich an mir herunterschaute, sah ich Blut auf meiner Shorts. Genervt seufzte ich und ging schnell in mein Zimmer, um mir neue Unterwäsche und eine schwarze Hose zu holen, die ich anzog, nachdem ich die Binde in der neuen Unterwäsche befestigt hatte.

Nachdem ich das alles erledigt hatte und wieder in mein Zimmer ging, suchte ich mir einen roten Bodysuit heraus und zog ihn auch an. Das Outfit passt, finde ich zumindest.

Als ich es angezogen habe, setzte ich mich auf meinen Hocker vor meinen Schminktisch und musste mir nun leider in die Augen schauen. Gerade hatte ich alle Gedanken verdrängt, und jetzt kommt schon alles wieder hoch.

Widerwillig hob ich den Blick und schaute in meine haselnussbraunen Augen. Sie sehen so leer aus. Seit wann sind sie denn so leer? Sie waren doch nicht immer so.
Ungläubig berührte ich meine Wange und führte dann meine Hand zu meinen Augen, die nun viel dunkler und leerer erschienen als je zuvor. Früher strahlten sie voller Licht und Glanz, doch nun sehe ich nur noch Dunkelheit in ihnen - genauso wie die Dunkelheit, die mich in meinen Gedanken und Träumen heimsucht. Das Licht in meinen Augen wurde mir schon vor langer Zeit genommen und durch Dunkelheit ersetzt. Seitdem ist der Glanz, den ich einst in meinen Augen hatte, nie zurückgekehrt. Wird er jemals wieder zurückkommen? Wenn ja, wie lange muss ich noch warten? Ich bin es leid, ständig zu warten, unendlich leid.

Dunkle Augenringe zeichnen sich unter meinen Augen ab, gerade an meinem ersten Schultag. Ich muss sie irgendwie verdecken, denn ich will nicht aussehen wie eine leblose Leiche. Ich griff nach einem Concealer und tupfte ihn leicht auf meine Augenringe, bevor ich ihn verblendete. Nachdem ich meine Wimpernzange benutzte, um meine Wimpern zu biegen, trug ich Mascara auf. Ich verwende kaum Make-up, da ich mich nicht wirklich schminken kann, und mein kleiner Bruder hasst es, wenn ich es tue, weil er sagt, dass ich von Natur aus schön bin. Ich liebe meine Brüder sehr, ohne sie wäre ich wahrscheinlich nicht mehr auf dieser Welt.

Intended for each otherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt