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Hyvn

Ich bereite mich gerade vor, da ich heute mit meiner Mutter und Can zu Aras muss. Ich habe gekämpft, um nicht dorthin gehen zu müssen, aber wie das Leben es wollte, muss ich es tun. Da ich ein Mädchen bin, darf ich nicht alleine zu Hause bleiben, wie meine Mutter sagt. Seit gestern habe ich Aras nicht mehr gesehen und ehrlich gesagt möchte ich das auch nicht. Er hat eigentlich nichts falsch gemacht, aber dennoch möchte ich mich distanzieren. Ich kann nicht das Risiko eingehen, dass aus unserer Freundschaft plötzlich eine Beziehung wird. Ein Leben mit ihm wäre wahrscheinlich die reinste Hölle aufgrund seines Verhaltens. Ich möchte einfach nichts davon, es gibt nichts zum Nachdenken oder ähnliches. Niemand sagt, dass er es auch wollen würde. Er will keine Beziehung und ich will keine Beziehung, damit ist es abgeschlossen.

Ich muss noch mit Erion sprechen, ich kann ihm später einfach schreiben und ihm alles erklären. Ich werde ihm erklären, warum es zwischen uns nicht funktioniert. Hoffentlich wird es dann nicht komisch zwischen uns. Es ist wirklich seltsam, wie schnell wir uns verstanden haben. Es ist genauso wie bei Mohammed. Irgendwie fällt es mir jetzt leichter, Freundschaften zu schließen. Vor allem mit Jungs. Irgendwie scheinen die Mädchen an dieser Schule nicht so darauf bedacht zu sein, Freundschaften zu schließen. Ich habe auch nicht wirklich Lust darauf, denn man weiß nie, ob sie wie Leyla sein könnten.

Meine Mutter ruft mich von unten, weshalb ich hinuntergehe. Sie nimmt kurz ihre Tasche und dann verlassen wir bereits das Haus, um zum Auto zu gehen. Ich steige auf der Beifahrerseite ein, während er hinten einsteigt und meine Mutter am Fahrersitz Platz nimmt. Die Fahrt verläuft ruhig und nach ein paar Minuten sind wir schon da. Die Minuten sind wie Sekunden vergangen, was nicht ideal ist, wenn man die Person, die dort wohnt, nicht sehen will. Da er nicht weit entfernt wohnt, könnte es passieren, dass ich ihm beim Rausgehen treffen werde. Wir steigen alle aus und eine Gänsehaut überkommt mich, als der Wind vorbeihuscht. Ich tue einfach so, als wäre das von gestern nie passiert. Wir nähern uns dem Haus und klingeln. Nach ein paar Sekunden öffnet Aras' Mutter die Tür, gefolgt von seinem Vater und Aras selbst, die hinter ihr stehen. Sie begrüßt meine Mutter mit Küsschen auf die Wange, und als sie mich ansieht, lächle ich ihr zu. Sie zieht mich in eine herzliche Umarmung. Langsam und unsicher schlinge ich meine Arme um sie, schaue über ihre Schulter und blicke in grüne Augen. Schnell wende ich meinen Blick ab und entziehe mich langsam der Umarmung. Sie flüstert mir nur "Tu bibî bûka min" zu, wodurch meine Wangen noch röter werden. Hat sie gerade wirklich gesagt, dass ich ihre Schwiegertochter werde? Benebelt schaue ich sie an, woraufhin sie kurz lacht und mir dann in die Wangen kneift. »Schäm dich nicht«, sagt sie, entfernt sich von mir und widmet sich Can. Ich werde definitiv nicht ihre Schwiegertochter sein. Als ich mich etwas zurückziehe, kommt auch schon Aras Vater und umarmt mich. Mein Blut gefriert in meinen Adern und ich bin unfähig, es zu erwidern. Meine Hände beginnen zu zittern, da ich nicht weiß, was ich tun soll. Es ist schon so lange her, dass ich von einem Mann umarmt wurde, und jetzt fühle ich so viel Wärme. Diese Umarmung hat etwas verändert, aber ich kann nicht genau sagen, was es ist. Seit Ibrahim bin ich nicht mehr in der Lage, Männer normal zu umarmen. Was dieser Mann in meinem Leben bewirkt hat, ist so schrecklich.

Er entfernte sich von mir, lächelte mich an, was ich nur halb erwidern konnte, da ich immer noch in meinen Gedanken wegen der Umarmung war. Wir begeben uns ins Wohnzimmer, nachdem sich jeder begrüßt hat. Natürlich musste ich auch Aras begrüßen, was wir nur mit einem Händedruck gemacht haben, der mir durch den ganzen Körper ging bei der Berührung. Im Wohnzimmer angekommen, setzen wir uns auf die Sofas. Ich sitze natürlich neben meiner Mutter und Can, sodass ich in der Mitte bin. Aras sitzt neben seiner Mutter, die mir gegenüber sitzt, und sein Vater rechts neben ihr. »Wo ist Nalin?«, fragt der Vater und schaut Aras an. Er zuckt nur mit den Schultern und schaut dann gedankenverloren auf den Boden. »Sie schläft noch«, antwortet die Mutter und legt ihre Hand auf die Hand ihres Vaters, die auf seinem Schoß liegt. Mein Herz zieht sich zusammen und ich fange an, an meinen Fingernägeln zu knabbern, aber dann erinnere ich mich an das Haargummi, das ich am Handgelenk trage. Schnell wandert meine linke Hand zu meinem rechten Handgelenk und zieht ununterbrochen am Haargummi, um die Kontrolle zu behalten. Warum hatte ich nicht Eltern, die sich lieben? Ich schaue auf den Boden, um nicht in Gesichter zu schauen, und halte mein Handgelenk fest, weil es zu viel wird. Mit Kraft drücke ich darauf, um den Druck auf meinem Hals zu lindern. Nicht vor allen, bitte. Ich will nicht als eingeschränkt angesehen werden. Wäre ich nie nach Deutschland gekommen, wären meine Eltern noch richtige Eltern und mein Erzeuger wäre nie so geworden. Alles ist wegen des Krieges passiert. Ich presse meine Augen zusammen, da Bilder vor meinen Augen auftauchen. Schreie überall.

Intended for each otherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt