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Aras

Ich begleite Hyvn zu ihrem Schließfach, da sie noch ein Buch daraus holen wollte, bevor wir in unseren Deutschunterricht gehen. Das macht sie ziemlich oft, bestimmt nur, weil sie sich ablenken will, wenn der Unterricht für sie zu langweilig wird. Aber sonst ist sie ziemlich konzentriert und dafür beneide ich sie sogar etwas. Roja wäre eigentlich bei uns, aber sie ist heute nicht zur Schule gekommen, da sie krank ist. Eine Person weniger, was für mich besser ist, da ich es nicht ausstehen kann, wenn viele Menschen um mich herum sind. Außerdem kann ich dann neben Hyvn sitzen, sodass ich einen guten Blick auf Enes habe, der ja vor ihnen sitzt. »Beweg deinen Arsch, Aras«, zieht sie mich an meinem Arm mit sich mit, da ich ihrer Meinung nach zu langsam laufe, was sie schon ungefähr sechs Mal erwähnt hat. Ich laufe jedoch nur langsam, weil ich verdammt nochmal darauf achten muss, dass niemand gegen sie rennt oder sie anrempelt. Genervt schnalze ich mit der Zunge und entferne meinen Arm. »Sehe ich aus wie ein Hund?«, frage ich etwas zu grob. Verdammt, ich kann einfach nicht sanft sprechen. Egal, wie sehr ich versuche, besser zu ihr zu sein, es hat immer nur eine kurze dauer. Aber meine Art zu reden ist Hyvn schon vertraut, also stört es sie nicht mehr so sehr, wenn ich manchmal grob zu ihr bin. »Ja, schon, aber dir fehlt die Leine«, sagt sie völlig neutral und macht mit ihrer Hand eine Geste, als hätte sie eine Leine in der Hand, die sie hin und her schwingt, um zu zeigen, dass sie die Kontrolle hat. Mein Kiefer verkrampft sich, weil ich es nicht gewohnt bin, immer an meine Grenzen gebracht zu werden. Verdammt, ich hätte nie gedacht, dass ich mich von einem Mädchen beleidigen lassen würde. Vor allem nicht von so einem kleinen. Dass ich überhaupt in einer Beziehung sein würde, hätte ich nie gedacht.

»Vielleicht sollte ich das nächste Mal mit dir Analsex haben dadurch würdest du bestimmt nicht mehr so frech reden«, überlege ich und ziehe es wirklich in Betracht. Schon allein bei dem Gedanken, schießt das Blut in meinen Schwanz. Aber sie würde bestimmt niemals Analsex wollen. Neben mir keucht sie empört und schlägt mir auf die Schulter, was anscheinend wehtun sollte, aber wie der Schlag eines kleinen Kindes erscheint. »Hör auf so eklig zu sein. Du ähnelst ja den Männern in meinen Büchern mit deinen dreckigen Worten«, seufzt sie gereizt. Sofort spannen sich meine Fäuste an bei der Erwähnung anderer Männer. Warum zur Hölle liest sie über andere Männer, wenn sie mich hat? Als wir ankommen, nimmt sie ihr Buch aus dem Spind und dreht sich zu mir um. Ich stelle mich vor sie und lege meine Hände rechts und links von ihrem Kopf an den Spind, was sie dazu bringt, die Augenbrauen zu heben. Ihr Gesicht bleibt neutral, aber dann scheint etwas wie Schock darüber zu huschen, dem ich jedoch keine Beachtung schenke. »Warum liest du über andere Männer, huh? Liest du etwa, wie sie andere verführen, und träumst davon, genauso verführt zu werden?«, raune ich ihr kalt zu, während das Blut in meinen Adern pulsiert. Es ärgert mich, dass der Gedanke in mir hochkommt, den Spind, vor dem sie steht, zu demolieren, da ich sonst niemanden angreifen kann. Ich könnte sie so hart nehmen, dass selbst meine Eltern es in meinem Haus hören würden, obwohl die Wände dick sind. Dann müsste sie nicht mehr über andere Männer lesen.

Ihr Atem stockt und ich halte kurz für einen Moment inne, bevor ich sie genauer analysiere. Sie schaut nicht zu mir auf, sondern starr auf meine Brust, als hätte sie Angst, mir in die Augen zu sehen. Ich hebe ihr Kinn an, aber ihre Augen folgen nicht, sondern bleiben ängstlich auf meiner Brust fixiert. Ihr Buch, das sie umklammert hält, ist völlig zerknittert, so sehr hat sich ihr Körper angespannt. Während ich sie weiter betrachte, spüre ich, wie mein Herz anfängt schneller zu schlagen, da sie wie erstarrt wirkt und ich nicht weiß, wie ich damit umgehen soll. Was soll ich in einer solchen Situation tun? Ihr Brustkorb hebt und senkt sich schnell. Erst jetzt nehme ich die Umgebung um uns herum wahr und bemerke, dass sie an das Ereignis mit Marcel erinnert wird. Sofort nehme ich meine Hände vom Spind weg und lege sie sanft auf ihre Wangen. Ich möchte nicht verletzlich wirken, aber verdammt, sie so zu sehen, zerreißt etwas in mir. Ich werde wirklich weich. Ich ärgere mich, dass ich Marcel nicht weiter verprügeln konnte für das, was er getan hat, da ich aufgehalten wurde. Hätte ich Zeit gehabt, hätte er gebrochene Knochen. Langsam streiche ich mit meinen Daumen über ihre Wange. »Heyv«, der Spitzname entgleitet mir, als ob er für mich geschaffen wäre, auf meiner Zunge und augenblicklich hebt sie ihren Blick und erwacht aus der Starre. Ihr Atem geht schnell, sie schüttelt erst den Kopf und legt dann ihre Wange auf meine Brust, als ob sie sich erst aus der Trance wecken wollte. Mein Ausatmen ist so verdammt erleichtert, aber es klingt nicht danach, da ich es unterdrücke. Meine Hand lasse ich zu ihrem Hinterkopf wandern und drücke sie gegen mein schnell schlagendes Herz. Ich fürchte, dass sie es hören könnte, da sie verdammt nah dran ist, und genau das bringt mich auch dazu, sie wieder zu entfernen, obwohl ich weiß, dass sie es länger so haben wollte

Intended for each otherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt