Teil 2 (Dominick) (Ein ganz normaler Arbeitstag...)

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Vorher:

Nach dem ersten Patienten heute Morgen, der tatsächlich viel weniger Zeit eingenommen hatte als ich ursprünglich angenommen hatte, saß ich im gemütlichen Pausenraum und unterhielt mich mit Bianca, die gerade von der Anmeldetheke gekommen war. 

Ich verstand mich gut mit ihr. Nicht auf eine romantische Weise oder so, aber als Kollegin schätzte ich sie. 

„Der Termin eben ist richtig flott vergangen. Ich bin froh, dass die Behandlung so gut verlaufen ist, und der Patient wirkte ebenfalls zufrieden", teilte ich meinen Gedanken mit und trank einen Schluck von meinem warmen Fencheltee. Ich liebte Tee einfach. 

Bianca lächelte und zog ihren Zopf zusammen. „Besser zu kurz", sie machte gestische Gänsefüßchen, „als zu lang, nicht wahr? Ansonsten hat man Sorge, dass der nächste Patient warten muss, und das ist wiederum stressig für alle Beteiligten." „Genau, deswegen sollte man lieber etwas zu viel als zu wenig Zeit einplanen", bestätigte ich. 

„Aber bei dir fühlen sich sowieso alle Patienten wohl und gut aufgehoben, also ist es kein Wunder, dass auch von diesem die Erwartungen erfüllt wurden." Solches Feedback hörte ich oft, und trotzdem machte es mich jedes Mal glücklich, zu wissen, dass ich jemandem die Schmerzen oder die Angst genommen hatte. Oder im besten Falle beides. 

Ehrlich gesagt war ich keine Person, die gut mit Komplimenten umgehen konnte, darum lächelte ich verlegen zurück. „Danke, Bianca." „Nur die Wahrheit." Sie zwinkerte mir zu und sah dann auf die runde Wanduhr. 

Ich folgte ihrem Blick. Es war gerade einmal viertel vor neun. „Bei der nächsten Patientin werde ich dir wahrscheinlich assistieren", meinte Bianca. „Das wird vermutlich... herausfordernd werden." „Oh, okay. Warum denkst du das denn?", wollte ich aufmerksam wissen und trank noch einen Schluck Tee. 

Die meisten Patienten, die in unsere Praxis kamen, waren Angstpatienten, mit denen wir eigentlich prima zurechtkamen. Natürlich gab es immer mal wieder schwierige Fälle, aber auch diese Menschen kehrten am Ende des Tages mehr oder minder erleichtert nach Hause zurück. 

„Na ja, die Mutter der Frau hat angerufen und erzählt, dass ihre Tochter unter starken Schmerzen leidet und sich konsequent weigert, diese beim Zahnarzt abklären zu lassen." Ich konnte diese Reaktion nachvollziehen. „Das ist natürlich doof, in so einer Situation zu stecken. Denn nach einer Weile rückt man in eine Art ‚Spirale', weil man zwar die belastenden Schmerzen loswerden möchte, sich aber keiner Untersuchung, geschweige denn, Behandlung, unterziehen will." 

„Stimmt. Aber ich bin mir sicher, wir werden ihr helfen können", blieb Bianca positiv. Ich nickte ihr zustimmend zu. „Hat ihre Mutter noch etwas erzählt? Und, was ist eigentlich der Name der Frau?", erkundigte ich mich. 

„Hm, sonst gibt es, so, wie ich das verstanden habe, keine weiteren wichtigen Informationen. Eigentlich hat die Mutter nur ziemlich verzweifelt geklungen", seufzte Bianca. „Ach ja, und der Name ist Stark." 

Ich verschluckte mich an meinem Tee, als das Wort „Stark" fiel, und stellte den Becher auf den Tisch neben mir, um die Flüssigkeit nicht aus Versehen auf den Boden zu schütten. 

Dominick, beruhige dich. Stark ist ein häufiger Nachname. Das ist ganz sicher nicht Ella. 

„Alles gut?", fragte Bianca, während sie besorgt ihre Augenbrauen nach oben zog. „Ja, mir geht's super. Sorry", hustete ich mehr, als dass ich sprach. „Okay, das wird vielleicht keine leichte Sitzung werden, aber bis jetzt konnten wir für alles eine gute Lösung finden, und nun werden wir das bestimmt auch", sagte ich optimistisch, als ich mich von diesem ‚Anfall' erholt hatte. Ich bemühte mich darum, meine Stimme energisch klingen zu lassen, um von meiner kurzen Überraschung eben abzulenken. 

Bianca warf mir einen kurzen, skeptischen Blick zu, dann lächelte sie mich jedoch wieder an und erhob sich. „Ich gehe kurz nach vorn zu der Theke, um Frau Stark und ihre Mutter in Empfang zu nehmen. Sie müssten in ungefähr zehn Minuten in der Praxis ankommen. Ich habe das Behandlungszimmer bereits vorbereitet", informierte sie mich. 

„Gut, ich komme gleich sofort dazu", erwiderte ich und griff nach meinem Teebecher, um den Tee zu Ende zu trinken. Bianca nickte und verschwand aus dem Raum. 

Ich seufzte und hing meinen Gedanken etwas nach. Eigentlich musste ich mittlerweile nur noch selten an meine Ex-Freundin denken. Seitdem wir uns nämlich getrennt hatten – oder besser gesagt, sie mit mir Schluss gemacht hatte – versuchte ich, jegliche Gedanken an Ella zu unterdrücken. 

Anfangs war es mir schwergefallen, weil unsere Beziehung ganz besonders gewesen war. Schließlich war sie meine allererste Freundin gewesen, mein Anker, als ich auf ihre Schule gewechselt hatte. Wir hatten so viel Schönes zusammen erlebt... 

Ein melancholisches Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus, als ich an den Grund der Trennung dachte, der mich ironischerweise dazu motiviert hatte, Zahnarzt zu werden. Es waren nicht, beziehungsweise nicht nur, meine Eltern gewesen, die denselben Beruf ausübten, sondern es war der Gedanke daran gewesen, wie oft es Ella schlecht ergangen war wegen ihrer Dentalphobie. 

Ich hatte sie sooo oft angefleht, zum Zahnarzt zu gehen, sei es zu meinen Eltern, den Kollegen meiner Eltern oder sonst wem. Zunächst hatte Ella es nur abgelehnt, aber irgendwann hatte sie Schmerzen bekommen und endlich zugestimmt, einen Zahnarztbesuch wahrzunehmen. Ich hatte mich wahnsinnig gefreut, ihr dadurch zeigen zu können, dass Zahnarztbesuche nicht schlimm waren, und hatte sie natürlich begleiten wollen. 

Allerdings war ich, warum auch immer, am Tag X krank geworden. Es war zwar „nur" eine normale Erkältung gewesen, doch trotzdem war es mir nicht gut gegangen. Mehrmals hatte ich probiert, Ella anzuschreiben oder anzurufen, um ihr mitzuteilen, dass ich nicht da sein würde, um sie zu unterstützen, allerdings hatte sie weder die Nachrichten gelesen noch die Anrufe entgegengenommen. 

Trotz meines elenden Zustands hatte ich zu ihr gehen wollen, aber meine Eltern hatten es verboten, damit ich nicht noch kränker wurde oder jemanden ansteckte. 

Nun ja, als ich wieder gesund geworden war, hatte Ella mich nach einem Treffen gefragt, und... unsere Beziehung beendet. 

Ich spürte einen schmerzhaften Stich im Herzen, als ich an diesen Moment zurückdachte, und schüttelte den Kopf. Ella war Vergangenheit und ich musste mich jetzt auf die nächste Patientin konzentrieren, die meine Hilfe benötigte. Denn Ella hatte ich damals nicht helfen können.

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Kapitel 2 🥳 Eigentlich hatte ich nicht geplant, aus Dominicks Sicht zu schreiben, aber dann dachte ich, es wäre nicht schlecht. Deswegen ist dieses Kapitel gerade erst entstanden, haha. Wie findet ihr ihn so? LG, Sagittaria.  

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