Teil 11 (Stella) (Der Aufbau eines Regenschirms)

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„Danke, Bianca." Dominick nahm dieses komische Teil entgegen, welches anscheinend das Spanngummi war. Ehrlich gesagt wusste ich nicht, was es war, weil es bei meinen damaligen Behandlungen nicht verwendet worden war und ich auch sonst nicht davon gehört hatte; dementsprechend war ich sowohl neugierig als auch misstrauisch, was das Hilfsmittel, so wie Dominick es nannte, anging. 

Bianca trat an seine rechte Seite und legte einige Materialien auf das eben noch leere Tablett; dann ging sie um den Untersuchungsstuhl herum und setzte sich auf den Rollhocker links von mir. 

Meine Augen wurden groß und ich schluckte, als ich die Instrumente näher betrachtete. Moment mal... waren das etwa Zangen?! Wenn ja, sahen die aber merkwürdig aus. Im Grunde genommen gar nicht so, wie normale Zangen eigentlich aufgebaut waren. 

Doch trotzdem flammte Angst in mir auf, ehe ich sie zäumen konnte. Stand es etwa so schlimm um meine Zähne, dass sie raus mussten? Aber wofür dann der ominöse Regenschirm

Ich war vollkommen verwirrt und meine Gedanken fuhren Karussell. Auch mein Atem verschnellerte sich. 

Bevor ich jedoch in eine Panikattacke verfallen konnte, brachte Dominick mich mit seiner Stimme dazu, mich wieder auf ihn zu fokussieren. „Ella? Ist etwas nicht okay?" Mein erstarrter Blick lag immer noch auf den gruseligen Metallinstrumenten. 

Dominick schien zu verstehen, da er das Tray von mir wegschob. „Du musst dir wegen dieser Zangen keine Sorgen machen, sie sind nicht für Zähne gedacht; ich erkläre dir gleich, wofür genau sie da sind", gab Dominick die Entwarnung und mir fiel ein Stein vom Herzen. Puh.

„Kann ich einmal deine Hand loslassen?" Dominick sah mich fragend an und ich nickte. Aufgrund seiner Fürsorglichkeit schlich sich eine leichte Röte auf mein Gesicht, und ich verfluchte meinen Körper dafür, dass er mich so leicht verriet. Allerdings schien Dominick nicht auf meine verfärbten Wangen zu achten oder sie zu ignorieren, wofür ich ihm dankbar war. 

Wenigstens er verhielt sich gefasst und wirkte einigermaßen emotional stabil. Obwohl es in Dominicks Innerem natürlich auch ganz anders aussehen konnte. Doch dann schaffte er, es zu verbergen – und das ganz schön gut. 

Ich war so sehr in Gedanken versunken, dass ich erst jetzt merkte, dass unsere Hände gelöst waren. Dominick hielt ein grünes Tuch in der linken Hand und griff sich von dem Tray, welches nun ein wenig entfernt von uns schwebte, etwas aus Plastik, was wie ein Viereck errichtet war. Bloß eine Seite schien zu fehlen. 

„Schau mal, das ist der Gummiteil des Spanngummis, und das hier ist ein Rahmen, mit dem man das Tuch aufspannen kam. Jetzt wäre die Wortherkunft schon einmal geklärt." Dominick grinste etwas, und auch meine Mundwinkel hoben sich ein wenig. 

Ich war froh, dass er mich mit Humor ablenkte, und Verständnis für meinen seelischen Zustand zeigte. Auch wenn ich meine Wertschätzung gerade nicht ausdrücken konnte, hatte ich das Gefühl, dass Dominick sie trotzdem spürte. 

„Möchtest du einmal versuchen, diesen Rahmen im Gummituch zu platzieren?", überraschte er mich. Ich zog reflexartig beide Augenbrauen hoch. „Ich? Aber, wie soll ich das machen?" 

Automatisch kehrten meine Selbstzweifel zurück. Wollte Dominick mich blamieren und mich anschließend auslachen? Doch nein, das passte nicht zu ihm... 

„Soll ich es dir zeigen, damit du weißt, wie das geht?", wollte Dominick wissen. Ich nickte und sah zu, wie er das Gummi geschickt mit dem unvollkommenen Viereck, an dessen Seiten sich kleine Zacken befanden, aufspannte. Hm, eigentlich wirkte es auch nicht wirklich schwer, dachte ich. 

„Willst du auch mal?", fragte Dominick, nachdem er den Rahmen wieder heruntergenommen hatte. „Sicher? Vielleicht zerstöre ich es aus Versehen", kam es aus mir, ehe ich die Worte zurückhalten konnte. Dominick lachte und ich errötete noch mehr. „Das wäre kein Problem; dieses Exemplar werden wir sowieso nicht mehr benutzen." „Produktverschwendung." 

Mann, warum konnte ich nicht einfach meine Klappe halten? 

Dominicks Lächeln wurde weicher. „Und Tell-Show-Do." Ich verdrehte die Augen. „Dann probiere ich es halt. Aber ich kann nicht garantieren, dass ich das gut hinkriege." „Kein Problem", erwiderte Dominick und drückte mir die beiden Gegenstände in die rechte Hand. 

Ich legte Elefanten-Ella zur Seite in meinen Schoß, um beide Hände freizuhaben. Meine nervigen Gedanken und die Angst über das Kommende wanderten etwas in den Hintergrund. Konzentriert versuchte ich, das elastische Gummi hoffentlich auf die richtige Weise aufzuspannen. Dominick betrachtete mich dabei, was bei mir ein bisschen Lampenfieber hervorrief. 

Schließlich war ich mit meinem Werk einigermaßen zufrieden und blickte hoch. Dominick nickte anerkennend. „Das sieht doch super aus! Allerdings fehlt noch etwas." Verunsichert schaute ich ihn an. Hatte ich etwas falsch gemacht? Ich hatte doch gewusst, dass ich das nicht konnte. 

„Darf ich einmal?", kam es von Dominick. Ich legte das Gummiding auf seine Handfläche. Meine Fingerspitzen berührten kurz seine warme Haut und ich zuckte etwas zurück. Dominick sagte jedoch nichts dazu, sondern bedankte sich lächelnd. 

Wurde er nicht irgendwann müde vom ganzen Mundwinkel-nach-oben-Halten? 

„Eigentlich ist die Reihenfolge ein wenig anders, aber das dient ja nur der Darstellung." Ich sah, dass Dominick etwas Weiteres von dem Tablett nahm. Es war eine dieser seltsamen Zangen. Bei genauerem Hinschauen wurde mir klar, dass es tatsächlich keine für Zähne war. Gott, ich fühlte mich so dumm. Wie konnte es sein, dass mich so etwas Irrationales in Panik versetzt hatte? War ich wirklich so... erbärmlich? 

Allerdings hätte Bianca es auch nicht unbedingt vor meiner Nase platzieren müssen. 

Ohne zu überlegen, drehte ich meinen Kopf in ihre Richtung und schaute Bianca mit einer Mischung aus Trotz und Missmut entgegen. 

Fast sofort lächelte Bianca mich zerknirscht an. Scheinbar war ihr gerade derselbe Gedanke wie mir gekommen. 

Da lenkte Dominick meine Aufmerksamkeit erneut auf sich. „Damit das Spanngummi seinen Zweck auch korrekt erfüllt, nämlich die Abschirmung des Mundes, muss man es ja irgendwo befestigen können. Und wie genau das geht, zeige ich dir jetzt." 

Dominicks Stimme hörte sich ganz ruhig an, was mir ein bisschen Sicherheit gab. Als wäre ich hypnotisiert, sah ich genau zu, wie er die Zange, die eher einem Stanzgerät ähnelte, etwas öffnete. Ich hörte ein Klicken und kurz darauf entfernte Dominick das Instrument wieder. In dem Gummi befand sich nun ein kleines Loch.

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Wollt ihr mal was aus Biancas Sicht lesen?  

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