Teil 13 (Stella) (Überredungskünste)

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„Aber ich will jetzt nach Hause", entkam es mir in weinerlichem Tonfall. Ich hatte gedacht, dass vielleicht ein paar Füllungen nötig waren, was im Grunde genommen eh schon schlimm genug für mich war, aber gleich DREI Wurzelbehandlungen?! Tat das nicht mega weh? 

Ich wollte mich wahrhaftig in mein altes Kinderzimmerbett verkriechen und in mein Kissen heulen, bis mir die Tränen ausgingen. Oder einfach sterben.

„Ella, bitte schau' mir richtig in die Augen." Dominick hörte sich auffordernd, aber noch immer unendlich sanft an. 

Ich schluckte und wischte mir mehr schlecht als recht über meine gereizten Augen. 

Dann sah ich ganz vorsichtig hoch in zwei blaugraue Augen, die mich mitfühlend musterten. „Umarmung?", fragte Dominick leise und ich nickte, weil ich meinen Stimmbändern gerade nicht traute. 

Dominick zog mich in seine Arme und ich spürte die von seinem Körper ausgehende, wundervolle Wärme. Er sagte kein Wort und hielt mich einfach fest, so wie bei der Diagnose, während ich mich an ihn schmiegte. Warum roch er nur so gut? 

In mir festigte sich sukzessiv der Wunsch, die Praxis wieder zu verlassen. Nie im Leben würde ich eine Wurzelbehandlung über mich ergehen lassen. Ich war doch nicht wahnsinnig. Man hörte schließlich nahezu überall, wie viele Beschwerden dieser Eingriff nachträglich verursachte und bla bla bla. 

Aber ich war mir sicher, dass Dominick mich nicht gehen lassen würde, bis die Prozedur vollbracht war. 

Bei diesem Gedanken spannte sich alles in mir an und ich versuchte reflexartig, Dominick von mir wegzuschieben. 

Ich dachte nicht wirklich, dass er es zulassen würde, aber tatsächlich löste Dominick sich von mir, als er meine Anstalten erkannte. 

Seine Hände ruhten jedoch weiterhin auf meinen Schultern. „Ich kann mir vorstellen, dass du nach dem, was ich eben gesagt habe, nicht mehr hier sein willst, habe ich Recht?" 

Ertappt guckte ich auf meine Finger, die auf der kleinen Plüschtierelefantin ruhten. Die Röte stieg mir ins Gesicht, doch ich entgegnete ehrlich: „Na ja, eigentlich... gab es eh keinen Augenblick, in dem ich hier sein wollte." 

Oh Mann. Vielleicht hätte ich mich mit der Direktheit doch etwas zurückhalten sollen. Was, wenn Dominick nun wirklich verärgert von dieser Bemerkung war und nicht mehr so behutsam mit mir umgehen würde? 

Eigentlich hatte ich das ja auch nicht verdient. Zuerst hatte ich ihn verlassen, obwohl er nicht einmal schuld gewesen war an meiner traumatischen Zahnarztbehandlung. Und jetzt stellte ich mich hier so an und sträubte mich gegen alles. 

Mit schlechtem Gewissen blickte ich wieder in Dominicks Gesicht und studierte seine Mimik. 

Also, entweder die Botschaft hatte ihn kalt gelassen, oder er verbarg seine wahre Reaktion. 

„Das ist genauso verständlich", meinte Dominick schließlich und drückte kurz meine Schultern. „Lass uns dafür sorgen, dass du, so schnell wie möglich, hier rauskannst, hm?" Abermals schüttelte ich den Kopf. Die pochenden Schmerzen erinnerten mich daran, warum ich mich hier befand, aber wenn ich ehrlich war, wollte ich lieber mit dieser Unannehmlichkeit weiterleben, als mich einer wahrscheinlich schmerzhafteren Erfahrung unterziehen. 

„Kannst du mir sagen, was du gerade denkst oder fühlst, Ella?", bat Dominick. 

„Ich will das nicht", antwortete ich tonlos. 

„Okay. Und warum möchtest du es unbedingt vermeiden, obwohl ich noch nicht erklärt habe, wie genau wir weiter vorgehen werden? Das ist eine ernstgemeinte Frage und kein Vorwurf. Hast du vielleicht irgendwann mal gehört, dass andere Leute negativ über eine Wurzelkanalbehandlung gesprochen haben?", hörte ich Dominick nachhaken. 

„Sag das nicht." 

„Was genau?" Dominick sah mich aufmerksam an. 

„Das Wort. Das ist schlimm genug", gab ich beschämt zu. 

„Ach so. Ja, ich finde auch, dass es sich nicht so schön anhört. Ich wollte es nur einmal genannt haben, damit du Bescheid weißt. Ist Wurzeltherapie besser?" „Mhm", nuschelte ich, immer noch kein wenig erpicht auf die Behandlung. 

„Okay, super." Ein abwartender Ausdruck breitete sich auf Dominicks Gesicht aus und mir wurde klar, dass ich auf seine Frage reagieren sollte. 

„Ja", nuschelte ich. 

Mehrere Bekannte meiner Eltern hatten, wenn sie früher zu Besuch bei uns gewesen waren, erzählt, wie furchtbar Wurzelbehandlungen – oder Wurzeltherapien – doch waren. 

Und ich wollte nicht auch eine bekommen. Egal, wie lieb Dominick sich verhielt. 

Schon wieder sammelten sich in meinen Augen Tränen und ich seufzte. Der sanfte Griff um meine Schultern verfestigte sich und ich bemerkte, dass Dominick verständnisvoll nickte. „Weißt du noch, was genau gesagt wurde?" 

Ich überlegte und sagte dann mit zittriger Stimme: „Hm, dass... dass das... halt weh tut. Und... d-die ganzen Empfindlichkeiten und Verzichte auf... also, auf Essen und so, danach..." Ich verhaspelte mich mehrmals, aber Dominick ließ mich ausreden. „Verstehe. Es ist sicherlich belastend, so etwas mitzukriegen", erwiderte er und ich nickte mit zusammengepressten Lippen. 

„Doch ich kann dir mit gutem Gewissen versichern, dass, wenn eine Wurzeltherapie vernünftig und schonend durchgeführt wird, die jeweiligen Zähne ein Leben lang erhalten bleiben können. Dass sich anfangs alles etwas ungewohnt und empfindlich anfühlt, und man beim Essen und Trinken vorerst vorsichtig sein sollte, um keine Komplikationen zu verursachen, ist leider normal. Aber nach einer Weile sollte sich dann alles eingependelt haben, sodass man wieder ein Stück mehr Lebensqualität erlangt. Und was die Schmerzen in der Therapie an sich angeht: Durch die Lokalanästhesie merkt man wirklich nur ganz, ganz wenig, das verspreche ich dir. Zudem ist man durch die Lachgasedierung sowieso schon ziemlich entspannt und nimmt das Ganze gelassener." 

Dominick sprach ganz geduldig und lächelte mich nach seiner kleinen Rede ermutigend an. 

In meinem Kopf ratterte es. Schon wieder schaffte er es, die Situation weniger beängstigend erscheinen zu lassen. Trotzdem war ich weiterhin misstrauisch und spürte Trotz in mir aufsteigen. „Muss die Behandlung unbedingt sein?", fragte ich genervt. „Gibt es gar keine... Alternativen?" 

Nun seufzte Dominick. „Ich fürchte, die Wurzeltherapie ist die einzige Option, die wir haben. Das Allerletzte, was wir in Erwägung ziehen sollten, und was ich eher vermeiden möchte, wäre eine Extraktion. Allerdings sind die drei betroffenen Zähne in einem vergleichsweise guten Zustand, da wäre eine Wurzeltherapie auf lange Sicht das Beste, das wir tun könnten." 

Ich schaute Dominick alarmiert an. Wenn das Einzige, was mir übrigblieb, das Ziehen meiner Zähne war, wollte ich das noch weniger als die Wurzelbehandlung!

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Können wir kurz darüber reden, dass Wattpad 'Dominick' (und 'Wattpad' selbst ebenfalls 😅) als Rechtschreibfehler sieht?              

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