Teil 9 (Stella) (Entscheidungsfrage)

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Ich verlagerte das Gewicht meines rechten Beines auf das linke und versuchte, meine unterschwellige Angst zu ignorieren. Als Dominick mir offenbart hatte, welches Problem meine lästigen Schmerzen erzeugte, war mir nur noch klarer geworden, wie sehr ich gegen eine Behandlung war. Auch wenn ich noch nicht genau wusste, was er vorhatte, aber... bestimmt würde es unangenehm werden. Zwar zweifelte ich nicht an Dominicks Fähigkeiten als Mediziner, doch mein Trotz blieb.

Kurz schloss ich die Augen und realisierte ein weiteres Mal unsere Situation. Es war ja schon komisch, dass wir uns nun in solchen Positionen befanden: Zahnarzt und Patientin.

Wie konnte es überhaupt sein, dass Mum diese Zahnarztpraxis besuchte? Das bedeutete doch dann, dass sie Dominick kannte. Hatte sie mich etwa absichtlich hierhin gebracht, um uns zu... verkuppeln? Eigentlich war das gar nicht ihre Art...

Aber da kam mir in den Sinn, dass dies eine Gemeinschaftspraxis war. War es möglich, dass meine Mutter gar nicht zu Dominicks Patienten gehörte, sondern zu dem anderen Arzt?

Ich öffnete meine Lider und verdrängte die rasenden Gedanken; etwas misstrauisch beobachtete ich Dominick, wie er hinter den - in diesem Raum dunkelblauen - Behandlungsstuhl ging. Er bedeutete mir mit einem auffordernden Nicken, ihm zu folgen, und langsam trat ich zu ihm heran.

Sogleich fiel mir ein Gerät auf, welches etwas monströs ausschaute. Dominick lächelte leicht, als er meinen skeptischen Blick bemerkte, und fing an, zu sprechen: „Mir ist bewusst, dass das hier ein bisschen kompliziert aussieht, aber wenn es für dich in Ordnung ist, würde ich dir einfach alles erklären. Wenn du etwas nicht verstehst, unterbrich mich einfach, okay?" Ich nickte minimal, und gab Dominick somit das Zeichen, weiterzureden.

„Im Inneren dieses tollen Geräts befinden sich Gasflaschen, die medizinischen Sauerstoff und das Lachgas enthalten. Praktischerweise kann man das Verhältnis von Sauerstoff zu Lachgas genau einstellen und nach Bedarf ändern." Nun griff Dominick nach zwei dünnen Schläuchen mit einem kleinen... Ding in der Mitte. Dadurch atmete man doch das Lachgas ein, oder? Ich war mir nicht mehr ganz sicher.

Jedoch bestätigte Dominick meinen Verdacht. „Durch diese Nasenmaske wird das Gemisch aus Lachgas und Sauerstoff in den Körper geleitet; am Anfang nur Sauerstoff, danach wird nach und nach Lachgas hinzugegeben. Nach Abschluss der Therapie wird das Lachgas wieder abgedreht, bis reiner Sauerstoff vorhanden ist." Während er das sagte, schaute Dominick mich genau an, als wolle er sichergehen, dass ich alles verstand.

Ich rang ich mir ein schmales Lächeln ab. „Und was ist, ähm, das?", fragte ich etwas dümmlich, und zeigte auf eine Art Beutel, der an der Seite des Geräts befestigt war. Dominick legte die Nasenmaske weg und antwortete: „Das hier ist ein Atembeutel, der dafür sorgt, dass die Atmung gleichmäßig erfolgt. Beim Einatmen zieht sich der Beutel zusammen und gibt das Gasgemisch frei; und beim Ausatmen dehnt er sich wieder aus und füllt sich mit frischem Gasgemisch."

Puh, das hört sich kompliziert an, dachte ich. „Dieses System wirkt jetzt wahrscheinlich etwas komplex, aber ich kann dir versprechen, dass es absolut durchdacht ist und einwandfrei funktioniert", beruhigte Dominick mich, als hätte er meine Gedanken gelesen. „Ich glaub' dir ja", murmelte ich. Seine Mundwinkel hoben sich. „Das ist doch schon mal gut. Gibt es etwas, was du nicht ganz verstanden hast, oder ist so weit alles klar?" „Hm, eigentlich hab' ich alles verstanden", sagte ich nach kurzem Zögern.

Im Grunde genommen musste ich schließlich nicht alles ganz genau wissen. Ich war mir noch nicht mal sicher, ob ich das mit dem Lachgas überhaupt durchziehen wollte. Doch die Idee hörte sich verlockend an. Keine Schmerzen, und dagegen Entspanntheit? Klang ja fast zu schön, um wahr zu sein. Doch war das tatsächlich so? Zahnärzte waren immerhin dafür bekannt, einem Lügen aufzutischen...

„Woran denkst du, Ella?", erkundigte Dominick sich in dem Moment. Ich hob den Kopf, den ich scheinbar gesenkt hatte, und seufzte. Das ehrliche Interesse in seinen Augen veranlasste mich zu einer ebenso ehrlichen Antwort. „Ich bin mir... nicht so sicher, ob das wirklich was für mich ist." Mir entging nicht der kurze überraschte Blick von Dominick, ehe er sich wieder fasste und einfühlsam nachhakte: „Es ist selbstverständlich deine Entscheidung, ob wir die Therapie mit oder ohne Sedierung durchführen, allerdings würde ich gern wissen, warum du denkst, dass diese Methode nichts für dich sei."

Erneut seufzte ich. Ohne zu überlegen, gab ich zu: „Was, wenn der Effekt... also, von der Entspannung und so... nicht kommt?" Meine Hände suchten nach etwas zum Nesteln, und wieder war ich froh, dass Dominick mir das Kuscheltier gegeben hatte. So konnte ich meine Nerven ein wenig beruhigen.

„Tatsächlich kommt man relativ schnell in eine Art Schwebezustand, in dem das Unwohlsein stark gemindert ist", meinte Dominick. „Außerdem würden wir die ganze Zeit schauen, wie es dir geht. Und wenn du noch Zeit bräuchtest, um dich an das neue Gefühl zu gewinnen, würdest du die auch bekommen. Vorausgesetzt, wir verwenden das Lachgas überhaupt. Wenn nicht, würden wir natürlich trotzdem die ganze Zeit auf dein Wohlbefinden achten."

Abwägend schaute ich Dominick an. Irgendwie war es rührend, dass er sich so um mich sorgte, und sich Zeit für meine Fragen nahm.

Stella, hör auf zu schwärmen. Vergiss nicht, was dir noch blüht.

Ich schüttelte den Kopf, um die innere Stimme fortzuschicken. Bevor Dominick dachte, dass sich diese Geste auf seine Antwort bezog, gab ich knapp zurück: „Okay..."

Er kam etwas näher zu mir. „Heißt das, wir probieren die Methode?", fragte Dominick mit einer Stimme, die mir versicherte, dass er mich nicht verurteilen würde, wenn ich mich gegen die Sedierung entschied.

Ich rief im Kopf noch einmal alles auf, was Dominick mir über das Lachgas erzählt hatte. Die Vorteile waren, dass ich locker und schmerzunempfindlich wurde. Die Nachteile, dass mir übel oder schwindelig werden könnte; jedoch hatte Dominick betont, dass dies normalerweise nicht passierte. Und selbst wenn, etwas Übel und Schwindel waren tausendmal besser als Angst und Schmerz.

Eigentlich solltest du dich glücklich schätzen, dass Dominick dir das alles anbietet und dich gesundheitlich gesehen nichts daran hindert. Jetzt hör auf, dir den Kopf zu zerbrechen, und nimm das Angebot endlich an!

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Ich möchte an dieser Stelle erneut betonen, dass auch dieses Kapitel NICHT zu 100% medizinisch korrekt ist (ich erwarte auch keine Korrigierungen von irgendwem, auch wenn diese sicherlich nicht böse gemeint sind). Zwar habe ich diesen Disclaimer schon oft gesetzt, aber ich wollte nur noch mal daran erinnern. Schließlich ist das hier bloß eine Hobby-Story und kein ärztliches Handbuch oder etwas Derartiges 😂. Und mein Schwerpunkt liegt auch eher in der Empathie und dem Mitgefühl eines Arztes dem Patienten gegenüber. Ich hoffe, ihr habt dafür Verständnis. LG Sagittaria

P.S. Das Kapitel ist ganz flott entstanden, es kann also etwas trocken zu lesen sein. Dennoch hatte ich Lust, es hochzuladen. 0=

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