Kapitel 8: Eine rote Zipfelmütze

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Bevor es losgeht möchte ich noch sagen bzw. schreiben, dass ich jetzt nicht mehr in einem Kapitel nur eine Sicht beschreiben werde. Da ich langsam mit dem Kindesalter fertig werden will, fasse ich hier zwei Personen in einem Kapitel zusammen. Aber genug gequatscht jetzt geht's los!

Mann im Mond POV:

Nero sieht wirklich komplett fertig aus. Klaus stellt genau die Frage, die mir eben noch auf der Zunge gelegen ist: "Oh Gott was haben sie denn mit dir gemacht!" Nero schüttelt den Kopf und sagt mit beunruhigend zitternder Stimme: "Will nicht drüber reden." Sandro eilt  zu ihm und humpelt mit ihm zum Bett, wo mein großer Bruder sich seufzend hinsetzt. Mir wird bewusst, dass ich jetzt wahrscheinlich so fertig aussehen würde, hätte ich nicht die Blume gefunden, deren Blütenblatt ich noch immer in der Tasche habe. Klaus setzt sich auch zu Nero. "Können wir etwas...", setzt er an, wird dann aber von Paul unterbrochen. "Und? Musst du eine Sondertherapie machen?" Nero streicht sich seine schweißnassen Haare aus dem Gesicht. "Nein, Gott sei Dank nicht." Das tut irgendwie echt weh! Ich habe schon die Hoffnung gehabt nicht der einzige Sonderling in einer Gruppe von Sonderlingen zu sein. Aber scheinbar bin ich es doch. Klaus grinst ihn an: "Da hattest du echt Glück." Ich habe keine Lust diesem Gespräch noch weiter zuzuhören, das ist ein wenig frustrierend, also sage ich: "Wir sollten uns langsam bettfertig machen."

Nachdem wir uns alle umgezogen haben beschäftigt sich wieder jeder. Doch ich achte nicht auf sie. Ich schaue aus dem Fenster auf den Wald und das Dörfchen am Fuße des Hügels. Die ganze Welt ist in ein silbrig blaues Licht gehüllt. Ich lasse meine Augen nach oben wandern zu den Sternen. Sie blinken und strahlen. So nah und doch so fern! Doch Sterne werden von einem in der Schönheit übertroffen! Dem Mond! Der silbrige Glanz, die schmale, elegant geschwungene Sichel, oder die prächtige volle Form faszinieren mich jede Nacht wieder. Im Nachthimmel könnte ich mich immer verlieren. Ich seufze und murmle: "Ich wünschte ich könnte dem Mond näher sein." Im Augenwinkel bemerke ich eine Bewegung. Wer das war weiß ich nicht. Dann kommt eine Nonne und fordert uns auf schlafen zu gehen. Sehnsüchtig werfe ich noch einen letzten Blick aus dem Fenster. Bis ich mich ins Bett lege. Heute ist eigentlich Nero dran am Rand zu schlafen, doch weil er so fertig ist, hat Sandro sich freiwillig gemeldet, damit er nicht rausfällt. Nero protestiert: "Du tust ja so als wär das eine Regelmäßigkeit, dass ich aus dem Bett falle! Das ist nur ein einziges Mal passiert und da war ich grad mal vier oder fünf!" "Keine Widerrede! Ich schlaf am Rand." "Wozu haben wir überhaupt die Am-Rand-schlafen-Ordnung, wenn wir uns eh überhaupt nicht dran halten?", brummt mein großer Bruder. Gott! Wieso regen die sich immer über so Kleinigkeiten auf? Als alle ins Bett geschlüpft sind und das Licht ausgemacht wurde, kehrt endlich Ruhe ein. Doch ich kann nicht schlafen. Ich genieße einfach nur die Stille und schaue weiter aus dem Fenster. Plötzlich spüre ich, dass sich jemand neben mir die ganze Zeit hin- und her wälzt. Klaus. Ich stupse ihn an und er dreht sich zu mir. Er hat Tränen in den Augen. "Was ist denn los?", frage ich besorgt. "I...i...ich... Halt mich bitte nicht für ein Weichei, aber ich habe Angst, dass, naja, ER wieder auftaucht." "Dann machen wir das gleiche wie letztes Mal. Ich hab versprochen immer an deiner Seite zu sein, wenn etwas passiert." "Ja aber...nicht nur der komische Kerl macht mir Angst. Man kann nie wissen wer sich sonst so in der Dunkelheit versteckt..." Er hat Furcht im dunkeln? Das kann ich gar nicht nachvollziehen! Die Dunkelheit heißt Ruhe, Ruhe heißt Zeit für sich und Zeit für mich haben ist so eine Seltenheit! Außerdem liebe ich die nächtliche Welt.  Aber ich versuche trotzdem mich in seine Situation hineinzuversetzen. Eine Stärke von mir. "Kann ich dir helfen? Vielleicht ein Licht anmachen?" Er schüttelt heftig den Kopf. "Ich will nicht, dass das jemand erfährt!" Okay, langsam wird es kompliziert. "Aber wenn wir jetzt das Licht wieder anmachen fällt es niemanden auf und wenn wir es wieder löschen bevor irgendwer aufsteht, bemerkt das keiner." "Aber ich bin ein Langschläfer!" "Ich kann das machen." "Ehrlich? Du bist der Beste!", freut Klaus sich und umarmt mich. Diese Nähe ist ungewohnt und lässt mich erst zusammenzucken, doch dann lasse ich es zu. Mit meinen Kräften mache ich die Kerze auf unserem Nachttisch an, trotzdem bleibt das Ziehen in meiner Brust aus. Das Blütenblatt wirkt immernoch! Klaus kuschelt sich an mich und schläft fast sofort ein. Auch ich nicke ein. 

Am nächsten Morgen wache ich früher auf als die anderen und lösche die beinahe komplett runtergebrannte Kerze. Ich habe noch nie ein Versprechen gebrochen und werde es niemals tun!


Osterhase POV:

Ich wache auf und strecke mich erstmal. Schlafen tut so gut, aber jetzt ist genug. Ich setze mich auf und schaue nach meinen Brüdern. Alle schlafen noch bis auf Kai, der gedankenverloren aus dem Fenster schaut. Klaus Kopf liegt seelenruhig auf seinem Bauch und er umarmt ihn. Seit wann macht er das?! Das sticht ein bisschen in meinem Herz. Normalerweise kuscheln wir zwei doch! Bin ich nicht mehr sein Lieblingsbruder?! Ich schlucke meine Eifersucht hinunter, das letzte was ich jetzt brauchen kann, ist die anderen mit einer Druckwelle aufzuwecken. Wobei es wahrscheinlich auch ein bisschen witzig wäre. Vor allem weil Sandro am Rand liegt. Hmm. Nah, besser nicht. Ich wünsche Kai einen guten Morgen. Dann wecke ich Nero und Klaus sanft auf und schubse Sandro aus dem Bett. Während dem Fall macht er ein komisches Geräusch, was mich laut loslachen lässt. Aber auch Nero und Klaus. Selbst Kai muss leicht grinsen und der interessiert sich normalerweise überhaupt nicht für Neckereien. Verwirrt rappelt er sich auf und blickt in unsere lachenden Gesichter. Als er mich anschaut sagt er mit bedrohlicher Stimme: "Du..." Ich halte mir vor Lachen den Bauch. Er sieht so sauer aus, dass ich einfach nur noch lachen muss. Doch als eine Magiekugel in seiner Hand erscheint, vergeht mir das lachen. Ich hasse es das zuzugeben, aber er ist definitiv stärker als ich. Bevor er mich angreifen kann, kommt eine Nonne um uns ans Gebet zu erinnern. Als sie wieder geht streckt er mir die Zunge raus. Nero verdreht die Augen und fragt: "Könnt ihr nicht einmal einen Morgen verbringen ohne euch zu bekriegen?" "Er hat mich aus dem Bett geschmissen!" "Als Rache für die Blumenerde!", meine ich schulterzuckend und hüpfe aus dem Bett, um mich anzuziehen. Sandro schaut mich finster an. Meine Härchen auf meinem Arm stellen sich auf. Doch ich versuche meine (Gott das ist so peinlich...) Angst zu überspielen. "Wow, Sandro! Dein Blick macht dem von Nero echt Konkurrenz." Sandro möchte gerade wieder auf seine Magie zurückgreifen, doch Nero funkt dazwischen. "Leute, wenn wir uns nicht beeilen, dann verpassen wir das Gebet und ich hab keinen Bock auf Strafarbeiten! Die Nonnen können mich gerade eh nicht gut leiden!" Dann kehrt etwas Ruhe ein und wir gehen zum Gebet. Uff...

Wir sind gerade auf den Weg zum Unterricht, da Schwester Viktoria krank geworden ist, haben wir Schwester Theresa. Besser kann der Tag nicht werden, oder? In Rechnen machen wir Textbeispiele . Ich bin zwar immernoch zu blöd zum Addieren, oder war's subtrahieren? Egal! Zu blöd zum Rechnen, doch die Beispiele sind einfach interessanter. In Schreiben müssen wir eigene Geschichten zu witzigen Schlüsselwörtern schreiben. So lange haben wir im Unterricht noch nie gelacht. Jetzt haben wir lesen. Doch anstatt irgendwelchen faden Sachbüchern, lesen wir heute Gedichte. Bin mir nicht sicher ob das besser ist... Jeder von uns muss ein Gedicht lesen.  Klaus ist der erste. In seinem Gedicht geht es um einen Zwerg mit einer roten Zipfelmütze, der versucht einen Igel zu reiten. Moment, wenn die Gedichte alle so lustig sind, könnte das doch sehr interessant werden. Nachdem Klaus fertig gelesen hat muss ich lachen und frage: "Wer hat denn diesen sinnlosen Quatsch geschrieben?" Schwester Theresa lächelt: "Mein Bruder, er hat früher viele Gedichte geschrieben, aber sonderlich ernst waren diese nie." Klaus blickt auf das Blatt und meint: "Die Zeichnung ist aber toll! (Seine Stimme nahm einen sarkastischen Ton an.) Vor allem die Mütze von dem Zwerg würde ich genauso tragen." Moment...was hat er gerade gesagt? Eine Idee in meinem Kopf nimmt langsam Gestalt an. Aber erst muss ich mein Gedicht lesen.

Als der Unterricht vorbei ist bleibe ich noch etwas länger. Klaus hat es nicht einmal gemerkt! Er hängt schon den ganzen Tag mit Kai ab. Der will doch eigentlich eh nur seine Ruhe haben. Naja, in diesem Fall ist das aber sehr gut! Ich gehe zu Schwester Theresa und frage: "Darf ich das Gedicht, das Klaus vorgelesen hat nochmal sehen?" "Klar, aber wieso?" "Ich will mir die Zeichnung anschauen." Sie nickt und legt das Gedicht auf das Lehrerpult. Auf der Zeichnung ist der Zwerg zu sehen, der vom Igel runterfällt. Doch eigentlich interessiert mich nur die Mütze des kleinen Männchens. Es ist eine rote Zipfelmütze mit einem weißen Bommel und weißem Rand. Das ist es! Ich lege den Kopf schief und frage: "Schwester Theresa können Sie mir beibringen zu stricken?"

Zu fünft im Waisenhaus - Die Vergangenheit der WächterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt