Kapitel 11: Einfache Alchemie?

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Zahnfee POV:

Nach einem weiteren Vormittag in der Bibliothek freue ich mich schon auf das Mittagessen. Generell mag ich essen nicht so gerne, weil ich das Gefühl hasse, Belag auf den Zähnen zu haben. Doch wenn man sich stundenlang durch verschiedene alte, verstaubte Sachbücher wälzt, um die Wirkung von Kräutern herauszufinden, wird man einfach hungrig. Versteht mich nicht falsch, ich liebe es zu lesen und mehr über die Wirkung von Zaubertrankzutaten herauszufinden, aber wenn man das ganz alleine macht, ist es echt anstrengend. Wieso mache ich das dann? Weil Sandro und ich ein Mittel gegen Klaus Schlafprobleme suchen. Aber mein nettes, sandliebendes Brüderchen lässt mich den Papierkram alleine erledigen und ist nur bei den praktischen Versuchen dabei. Ich bin sehr froh, dass nie jemand in die Bib. kommt. So muss ich nicht immer meine Unterlagen wegräumen. Viele Bücher und Pergamentrollen liegen quer über alle Tische verteilt. Dazwischen stehen manchmal Flakons mit Pflanzen oder Flüssigkeiten, welche für meine Forschungen wichtig sind. Bevor irgendjemand sagt "Das ist ja das pure Chaos!" möchte ich anmerken, es ist ein Chaos mit System, das außer mir keiner kapieren wird. Vor ein paar Monaten, habe ich Sandro überreden können mir zu helfen. Seine ersten Worte, als er hier reingekommen ist, waren: "Wie findest du dich denn in diesem Saustall zurecht? Tut mir leid Bruderherzchen, aber so kann ich nicht arbeiten!" "Musst du auch nicht, lies einfach die Sachbücher auf diesem Tisch und mach Notizen zu interessanten Pflanzen." Naja, anstatt zu lesen, hat er die ganze Zeit gedankenverloren vor sich hin gestarrt und schlussendlich eine brennende Kerze (in einer BIBLIOTHEK voller staubiger, alter Bücher wohlgemerkt) umgeworfen. Irgendwie haben wir es geschafft einen Großbrand zu verhindern und kein einziges Buch war beschädigt. Gott sei Dank! Sonst hätten wir wahrscheinlich die schlimmste Strafe gekriegt, die den Nonnen eingefallen wäre! Doch die Hälfte meiner Notizen und Forschungseinträgen ist verbrannt. Mehrere Jahre harter Arbeit einfach futsch! Da habe ich gemerkt, dass Sandro nicht ganz so gut in Bibliotheken aufgehoben ist und habe beschlossen, die Recherchearbeit allein zu erledigen. Geht schneller und bringt weniger Brände mit sich.

Aber jetzt unterbreche ich meine Forschungen und gehe zum Mittagessen. Danach machen Sandro und ich uns an die praktischen Experimente.

Sandmann POV:

Ich helfe Nero dabei, alle möglichen Zutaten zu unserem geheimen Brauplatz zu bringen, da wo wir damals auch seinen Stab hergestellt haben. Naja, also genau genommen nur er. Da wir ja ein Schlafmittel herstellen wollen, ist die Grundzutat Baldrian, der uns aber langsam ausgeht. Der Grund? Misserfolge. Doch bevor wir endlich mit dem Brauen anfangen, brütet Nero noch über seinen Notizen. Laaaaaaaaaangweilig! Um mich abzulenken fange ich an mit ein paar Flakons zu jonglieren. Erst drei, jetzt vier, fünf. Nero wirft mir aus dem Augenwinkel einen Blick zu. Dann wird er blass, schaut mich entsetzt an und ruft: "Sandro, hast du den Verstand verloren?!" Ich schaue ihn nur unschuldig an. Er seufzt genervt: "Ach geht ja nicht, du hattest ja noch nie einen gesunden Hausverstand! In einem dieser Flakons ist der letzte Baldrian drin! Also tu nicht so dumm und hör auf damit!" "Gott, du bist immer so abnormal vernünftig!", stöhne ich und werfe die Fläschchen noch ein bisschen höher. Er zieht verärgert die Augenbrauen hoch und brummt: "Und du bist unausstehlich in letzter Zeit!" Ich grinse selbstgefällig, aber gleichzeitig regt sich wieder das unangenehme Gefühl in meinem Magen, dass mich schon seit dem Streit mit Paul verfolgt. Laut aussprechen würde ich es nie, doch ich bin wirklich zu weit gegangen! Ich weiß auch nicht genau, warum es immer Paul ist. Ich glaube einerseits liegt es daran, dass ich ihn von allen Brüdern am wenigsten leiden kann, andererseits hält mich das Waisenhaus davon ab, meine Kreativität rauszulassen. Und unterdrückte Kreativität macht aggressiv! So oft wäre ich einfach gerne einmal ausgerastet, da ich hier so viele großartige Ideen einfach nicht umsetzen kann! Doch das würde meiner Maske überhaupt nicht guttun! Also lasse ich meinen Frust an anderen aus und das ist halt meistens unser Angsthase, da er immer am schnellsten ausflippt. Denn ich finde, wenn andere ihre Wut rauslassen, ist das fast genauso angenehm, wie selbst auszurasten. Dass diese Taktik furchtbar ist, weiß ich selber auch. Bin ich ein schlechter Mensch? Ja, wahrscheinlich schon...

Zu fünft im Waisenhaus - Die Vergangenheit der WächterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt