Kapitel 12: Der Ausbruch

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Osterhase POV:

Hibbelig zucke ich mit dem Fuß. Meine Brüder und ich sind im Zimmer, sie beschäftigen sich noch, bis wir schlafen gehen müssen. Doch ich bin viel zu aufgeregt. In meinem Kopf gehe ich immer wieder Kais Plan durch. Ich darf das nicht verkacken! Sonst werde ich auch in Kais Augen als Versager gelten! Aber ich bin viel zu nervös um mich zu konzentrieren und einen kühlen Kopf zu bewahren. Die Nonnen sind heute Abend nicht da, normalerweise kommen sie, wenn es dunkel wird, von ihrem Wohltätigkeitsausflug zurück. Doch heute bleiben sie länger weg, da sie eine Kapelle im Dorf ein weinig aufhübschen wollen. Wenn wir Glück haben, kommen sie erst morgen wieder. Als Klaus uns nach Ewigkeiten bittet ins Bett zu gehen (Er ist der Älteste und trägt somit immer die Verantwortung, wenn die Nonnen außer Haus sind.), lege ich mich neben Kai, der heute am Rand schläft. Es dauert eine Weile bis alle meine Brüder eingeschlafen sind. Vor allem Klaus und Nero brauchen ewig. Doch schließlich ist es totenstill, bis auf den gleichmäßigen Atem meiner Brüder. Kai stupst mich an, holt mithilfe von Telekinese einen braunen Umhang mit Kapuze aus dem Schrank und dann wir schleichen nach draußen. Der Holzboden knarzt laut.  Meine Härchen stellen sich auf und mein Körper spannt sich an. Stumm bete ich, dass Klaus davon nicht aufwacht. Wir haben Glück! In den Gängen besteht der Boden aus Stein, weswegen uns man selbst beim Rennen nicht gut hören kann. Ein Glück, dass wir immer barfuß unterwegs sind! Wir eilen in den Hof wo wir kurz durchatmen. "Schritt eins: Unbemerkt aus dem Zimmer kommen. Geschafft", keuche ich. Nicht weil ich außer Atem bin, sondern weil sich die Anspannung ein bisschen löst. "Ja, aber bevor wir zum zweiten Schritt übergehen, muss ich noch etwas holen", meint Kai und verschwindet in der Dunkelheit des Gartens. Gerade als ich anfange mir Sorgen zu machen, kommt er wieder und scheint irgendwas in seinem Umhang zu verstauen. "Bin bereit." Ich nicke und wir laufen zur Mauer des Gartens. Falls sich jemand fragt warum wir nicht einfach durch das Eingangstor gehen, das knarzt so laut, dass es im ganzen Kloster zu hören ist. Vor allem wenn eine Totenstille herrscht, wie jetzt. Ich stelle mich unter die Mauer und mache meinem Bruder eine Räuberleiter. Ganz ohne Magie. Der goldene Schimmer im stockdunklen Garten wäre viel zu auffällig. Also arbeiten wir nach herkömmlicher Art. Kai steigt mit einem Fuß in meine Hände. Ein Schauer läuft mir über den Rücken. Sein Fuß ist eiskalt! Er flüstert: "Jetzt! Heb mich hoch!" Mit normaler Kraft hieve ich meinen Bruder ein wenig höher. "Ich komm nicht ganz ran! Komm ein bisschen höher muss ich noch!" Ich beiße die Zähne zusammen. Schweiß läuft über mein, vor Anstrengung verzehrtes, Gesicht. Ich kann bald nicht mehr! Ich versuche ihn noch ein klein wenig höher zu stemmen. Doch stattdessen sinken meine tauben Arme eher ab. So werden wir es nie schaffen! Ich muss es riskieren! Ich lasse ein weinig Magie in meine Arme strömen, die anfangen leicht golden zu leuchten. Untertags kaum zu sehen, in der Nacht sehr auffällig. Sofort lässt sich mein Bruder leicht wie eine Feder hochheben. Als er die Mauer zu fassen bekommt und sich hochzieht, lasse ich meine Magie aus den Armen fließen und das verräterische Glitzern erlischt. Kai sitzt oben auf der Mauer und flüstert mit leicht verärgertem Unterton: "Mann, ich sagte: Keine Magie!" Da er genauso nervös ist wie ich, verzeihe ich ihm den zickigen Tonfall. "Ich weiß, aber ohne hätte ich dich nicht da rauf bekommen!" Er will noch etwas erwidern, doch ein tapsendes Geräusch bringt ihn dazu den Mund zu halten. Da kommt jemand! Mein Körper spannt sich wieder an, meine Härchen stellen sich auf. Mein erster Instinkt, flüchten, regt sich in mir. Aber ich widerstehe dem Drang und flüstere panisch zu Kai: "Du musst gehen! Bevor dich jemand sieht!" "Ich komme wieder, versprochen..." "Weiß ich doch! Wenn nicht, würde ich dich persönlich bei den Nonnen verpetzen! Hau jetzt ab!", zische ich, Kai schwingt sich an der äußeren Seite der Mauer hinab, während mich im gleichen Augenblick eine grelle Lichtkugel blendet. "Paul? Was machst du hier draußen?", fragt Klaus verschlafen. Ich spüre ein Stechen in der Brust. Das ist das erste Mal, dass ich mit meinem ältesten Bruder nach dem Streit alleine bin. Aber das tut jetzt nichts zur Sache! Ich brauche eine Ausrede... Äh... "M...mir war schlecht...", stammle ich. Hoffentlich ist Klaus Magie durch den fehlenden Schlaf so schwach, dass er den OFFENSICHTLICHEN Schwindel nicht bemerkt. So schlecht habe ich schon lange nicht mehr gelogen! "Aha, und wo ist Kai?" Mein Herz fängt an zu rasen. Denk dir etwas Plausibles aus... "Er...äh...wollte mir Wasser holen. Damit es mit der Übelkeit besser wird, aber...ähm...mir geht's eigentlich eh wieder gut...", plappere ich. Gott! Das ist ja wirklich eine Schande, wie schlecht ich gerade schwindle! Klaus muss es wirklich nicht gut gehen, wenn er das nicht merkt! "Das freut mich. Dann komm wieder ins Bett. Sollte es nicht besser werden, sag mir einfach Bescheid", sagt Klaus, schaut dabei aber stur auf den Boden. Fühlt er sich auch schlecht wegen der Auseinandersetzung? Still dreht er sich um und geht zurück ins Gebäude. Leise flüstere ich noch in Richtung Wand: "Pass auf dich auf..." Dann folge ich ihm.

Zu fünft im Waisenhaus - Die Vergangenheit der WächterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt