Kapitel 10

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Alec pov
Am späten Samstagabend ging ich zurück in die schmale Gasse, wo sich zwei Tage zuvor Oscar das Leben genommen hatte. Jemand, den ich gedemütigt hatte. Keine Reue stieg in mir auf, nur eine unerklärliche Neugier. Ich wollte herausfinden, was ihn dazu gebracht hatte, ausgerechnet hier und jetzt diesen Schritt zu gehen.

Alles was gestern Abend Geschehen war, war schon vergessen.

Die Luft war kühl und feucht, der Morgennebel hing wie ein dünner Schleier über den Backsteinmauern. Ich trat näher an den Ort des Geschehens heran, wo noch die Kreidezeichnungen auf dem Boden zu sehen waren. Ein grober Umriss eines Körpers - ein stummer Zeuge des vergangenen Dramas. Ein vergessener Schal lag daneben, bewegt vom leichten Wind.

Ich ließ meinen Blick schweifen, suchte nach weiteren Hinweisen. Warum ausgerechnet hier? Warum genau nach der Konversation mit mir. Was hatte ich übersehen? Die Polizei hatte bereits alles gesäubert, doch ich hoffte, dass irgendein Detail zurückgeblieben war, das mir Aufschluss geben könnte.

Plötzlich durchzog mich dieses vertraute Gefühl. Eine Präsenz, die ich schon seit Wochen spürte. Mein Stalker war wieder da, irgendwo in den Schatten versteckt, mich beobachtend. Mein Herz schlug schneller, doch ich zwang mich zur Ruhe. Ich durfte mir nichts anmerken lassen, nicht zeigen, dass ich wusste, dass er da war.

Ich kniete mich hin und tat so, als würde ich die Kreidezeichnungen genauer untersuchen. Meine Augen scannten unauffällig die Umgebung. War das eine Bewegung hinter der Mülltonne? Oder nur eine Täuschung im Fenster im dritten Stock? Ich konnte es nicht genau sagen, aber ich wusste, dass ich beobachtet wurde.

Langsam stand ich auf, ließ meinen Blick noch einmal durch die Gasse gleiten. Ich musste herausfinden, wer dieser Stalker war und was er wollte. Diese ständige Beobachtung zerrte an meinen Nerven, aber ich durfte ihm nicht den Gefallen tun, ihm meine Unsicherheit zu zeigen.

Mit betont lässigen Schritten verließ ich die Gasse. Während ich ging, spürte ich die Blicke weiterhin auf mir ruhen. Ein Plan formte sich in meinem Kopf. Ich würde den Spieß umdrehen und den Stalker in die Enge treiben. Die Neugier hatte mich fest im Griff und diesmal würde ich Antworten bekommen, koste es, was es wolle.

Ich würde ihn finden. Und dann würden wir sehen, wer wirklich die Kontrolle hatte.

Außerdem gab es noch eine andere Sache. Seit zwei Tagen ließ mich der Gedanke an diesem Fremden nicht los. Es war vor zwei Nächten, als ich, unter dem Einfluss von Drogen, in der Bar war und ihn getroffen hatte. Die Musik dröhnte, die Lichter flackerten, und die Welt um mich herum verschwamm zu einem bunten Kaleidoskop. Doch eine Erinnerung war klar: der Mann, der meinen Namen kannte, obwohl ich ihn nie verraten hatte. Die Tatsache, dass ich verfolgt wurde, machte die Sache noch interessanter. Gab es einen Zusammenhang?

Heute Abend beschloss ich, der Sache auf den Grund zu gehen. Alleine machte ich mich auf den Weg zur Bar. Die gleiche Bar, die in meinem Gedächtnis schimmerte wie ein unerklärliches Rätsel. Das Schild leuchtete in grellem Neonlicht, und aus der Tür drang die vertraute Mischung aus Musik und Stimmengewirr.

Ich trat ein, und sofort umfing mich die warme, dichte Atmosphäre. Mein Blick wanderte durch den Raum, suchte nach einem bekannten Gesicht. Erinnerungen an die vergangene Nacht kamen hoch - das Gespräch mit dem Fremden, das seltsame Gefühl von Vertrautheit und Unruhe zugleich.

Ich setzte mich an die Theke und bestellte ein Bier. Meine Hände zitterten leicht, doch ich versuchte, ruhig zu bleiben. Jede Person, die den Raum betrat, musterte ich aufmerksam. Wo war er? War er überhaupt hier?

Nach einer Weile, die sich wie eine Ewigkeit anfühlte, bemerkte ich ihn. Er saß in einer Ecke, sein Blick wanderte durch den Raum, bis er mich entdeckte. Ein leichtes Lächeln spielte um seine Lippen, als er aufstand und sich einen Weg durch die Menge bahnte. Mein Herzschlag beschleunigte sich.

Shadows in the Dark | 𝗥𝗼𝗺𝗮𝗻 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt