Prolog

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Unablässig prasselte der Regen gegen die Scheiben, ein dumpfer Trommelwirbel, der die angespannte Stille im Raum noch verstärkte. Und mittendrin saß ich. Dieses schmale, schlecht beleuchtete Büro, dass sich über der nächtlichen Straßen den dreckigen Stadt befand engte mich nur weiter ein in meinem Unbehagen. Die Uhr an der Wand tickte unaufhaltsam und mit jeder Sekunde, die verstrich, wurde ich nervöser. Aufgeregt kaute ich auf meiner Unterlippe herum, bis ich das Metall schmecken konnte.

„Mist", zischte ich leise und wischte mir hektisch über den Mund.

Doch es war zu spät. Ein kleiner Tropfen hatte sich bereits auf den Stapel Blätter verirrt, den ich so sehr versuchte zu meiden. Vielleicht wollte ich die Wahrheit doch nicht so genau kennen. Ich wollte nicht glauben, was in dieser Akte stand. Ich konnte nicht. Es war unmöglich.

Tick, tick, tick.

In meinen Ohren dröhnte die Uhr und meine Gedanken schweiften wieder fernab auf das eben Gelesene.
Der Mann, der mein Herz in dem unvorhersehbarsten Moment geraubt hatte, Adrian Jenkins, mein Partner, schien nicht zu sein, wer er vorgab zu sein. Adrian ist nicht nur Adrian.
Hatte ich mich gänzlich in ihm geirrt? War jede Konversation, die wir je geführt haben, eine dreiste Lüge?
Jede Entscheidung, die ich in den letzten Monaten getroffen habe, schien sich in ein Netz aus Lügen und Verrat zu verstricken. Die Schlinge zog sich enger um meinen Hals, mit jedem Gedanken, der durch meinen Kopf raste.
Konnte ich mir selbst überhaupt noch vertrauen? War ich das Problem?

Ein leises Knirschen ließ mich zusammenzucken. Mein Kopf schnellte nach hinten.
An der geöffneten Tür stand Adrian. Sein Gesicht war von Zorn und etwas Dunklerem gequält. Tropfnass vom Regen betrat er mein Büro. Zügig ließ ich seine Akte unter den Tisch fallen.
Ohne ein Wort zog er einen Stuhl heran und setzte sich mir gegenüber.

„Wir müssen reden", begann er, seine Stimme tief und rau. „Es geht um uns. Und das, was heute Nacht passiert ist."

Wahrscheinlich hatte er Recht. Wir mussten reden. Dieses Gespräch war längst überfällig.
Schwer schluckte ich und versuchte meine Gedanken zu ordnen, aber die Worte blieben in meiner Kehle strecken. Mir war bewusst, dass das der Moment war, in dem sich alles entschied - gemeinsames Überleben oder Untergang unserer Beziehung im Dunkel der Geheimnisse.

Bevor ich meine Worte fassen konnte, klingelte plötzlich Adrians Handy. Sein Blick schweifte auf das Display, seine Augen verengten sich.

„Es ist so weit." Nicht mehr als ein gebrochenes Hauchen verließ seine Lippen.

Als hätte ihn der Teufel gepackt, stand er ruckartig auf, griff nach seiner Waffe und ging zur Tür. Ohne sich nur einmal umzudrehen, fügte er hinzu: „Es wird nicht leicht, Vika. Pass auf dich auf und mach dich bereit."

Obwohl er es nicht sehen konnte, nickte ich. Die Tür fiel ins Schloss und das Geräusch klang beinahe kalt. Ich war wieder alleine mit nichts als meinen unvollendeten Gedanken und der leisen, nagenden Angst, dass dieser letzte Einsatz uns für immer verändern wird.
Die Nacht schien dunkler als je zuvor, und ich wusste, dass der Weg, der vor uns lag, uns entweder näher zueinander bringen oder für immer auseinanderreißen würde.

GiftkussWo Geschichten leben. Entdecke jetzt